Читать книгу Mein (Ex-)Partner ist ein Psychopath - Bärbel Mechler - Страница 14
ОглавлениеAffären mit verheirateten Partnern
Sie wissen, dass psychopathische Charaktere das Abenteuer suchen und im Allgemeinen wechselnde Affären benötigen. Dabei erscheinen ihnen verheiratete Personen besonders attraktiv – schließlich sind die in einer Ehe oder Familie eingebunden und können ihnen nicht so leicht auf den Pelz rücken, um deren eigene Worte zu gebrauchen. Das macht die Sache um vieles leichter und reizvoller. Allein der Umstand, dass ihre Eroberungen nicht zu jeder Zeit erreichbar sind und die Treffen abgestimmt werden müssen, spielt ihnen eminent in die Hände. Überdies können sie ihre bekannte Unzuverlässigkeit als rücksichtsvolles Verhalten deklarieren. Ein zusätzlicher verlockender Aspekt ist, dass Psychopathen es besonders lieben, sich mit den Ehegatten ihrer Eroberungen zu messen. Sie sind berauscht von dem Gedanken, wie spielend sie ihre Rivalen in den Schatten stellen und vom Thron stoßen können. Einen Thron, den sie selbst nie einnehmen möchten. Aber zu einem guten Spiel gehört auch das dazu.
Die Auserwählten ihrerseits ahnen nicht, dass ihre neue Liaison von Anfang an nicht die geringste Chance auf eine Zukunft hat und sie nur zum Spielball einer dissozialen Persönlichkeit geworden sind. Gerade weil ihre Affären nur dem Abenteuer und der Selbstverherrlichung dienen, können sich die Verführer bei verheirateten Partnern mehr denn je emotional aus dem Fenster lehnen. Dass sie dabei ihre Eroberungen in noch größere Abhängigkeiten bringen, stört sie nicht im Geringsten. Ganz im Gegenteil: Sie gehen vielmehr davon aus, dass die Betroffenen sich glücklich schätzen dürfen, dass ihnen in ihrem Leben wenigstens einmal die Erfahrung gegönnt ist, einem so großartigen Menschen, wie sie es sind, begegnen zu dürfen, und sie ihre eigene große Liebesfähigkeit entdeckt haben. Dass diese Sehnsucht aber unerfüllt bleibt und ihnen eine lange und schmerzhafte Leidenszeit bevorsteht, das kümmert sie nicht. Sie denken nicht darüber nach, was sie Menschen antun, wenn sie sie für eine kurze Zeit aus ihrer Ehe entführen und verzaubern, um sie dann wieder wie eine heiße Kartoffel fallen zu lassen. Zurück bleiben gescheiterte Ehen, gebrochene Herzen und ungestillte Sehnsüchte. Die fehlende Würdigung zwischenmenschlicher Beziehungen ist genauso real wie die Abwesenheit von Mitgefühl gegenüber den unermesslichen Schmerzen der Geschädigten.
Selbst wenn die Zurückgelassenen ihre neue Beziehung in der Ehe noch nicht eingestanden haben und ihr Zuhause behalten können, so ist das Alte für sie dennoch zerbrochen. Zu stark war die Schere zwischen Traum und Wirklichkeit aufgegangen.
Mir sind Fälle bekannt, wo Frauen nicht nur ihren Mann, sondern in blindem Rausch die ganze Familie, also auch ihre eigenen Kinder, für die vermeintlich große Liebe ihres Lebens verlassen haben. Als sie dann mit dem Koffer in der Hand freudestrahlend bei ihrem Märchenprinzen geläutet und auf einen Sturm der Begeisterung gehofft haben, mussten sie schockierend erfahren, dass sie alles nur falsch verstanden und überbewertet hätten. Zwei Frauen berichteten mir, dass sie nicht einmal seine Wohnung betreten durften, sondern mit ihrem Gepäck weinend vor der Tür oder im Auto saßen und nicht mehr ein noch aus wussten. Sie hatten nicht nur ihren Traum, sie hatten einfach alles verloren.
Eine dieser Frauen ist Melanie. Und sie möchte ihre Geschichte für jene Frauen zum Trost erzählen, die ebenso wie sie verschaukelt und zutiefst gedemütigt wurden:
„Ich bin 42 Jahre alt, Ärztin, verheiratet und habe eine achtjährige Tochter. Ich bin Ulf vor zwei Jahren zum ersten Mal begegnet. Er kam damals mit einer Grippe in meine Praxis. Als diese abgeklungen war, suchte er mich dennoch immer wieder auf und fragte mich, ob er nun jedes Mal eine Krankheit simulieren müsste, um mich sehen zu dürfen. Sein Lachen war ansteckend, seine Augen funkelten wie Sterne und überhaupt hatte mich seine charmante und lustige Art fasziniert.
Sie müssen wissen, dass ich in einer sehr strengen Familie aufgewachsen bin, in der es nur wenig Humor gibt. Bildung, Karriere und Wohlstand waren und sind auch heute noch in den Augen meiner Eltern und Geschwister die einzig erstrebenswerten Güter.
Ulf hatte schnell bemerkt, dass mich seine lässige Art ansprach. Aber ich bin nicht der Typ Frau, die einem Mann deshalb Avancen macht. Ich hatte einfach meine Freude an ihm. Mehr war das anfangs nicht. Dennoch, innerhalb weniger Wochen hatte er mich im Sturm erobert. Ich war in seine Welt eingetaucht, in eine Welt voller Leidenschaft, Liebe und Leichtigkeit, wie ich dachte.
Ihn zu sehen wurde bald zu meinem einzigen Lebensinhalt. Ich war süchtig und abhängig von diesem Mann. Meine bisherigen Freizeitaktivitäten beschränkten sich auf Konzerte, Theatervorstellungen oder Besuche in der Oper. Mit Ulf besuchte ich in weiter entfernten Ortschaften Tanzveranstaltungen, Bars und Clubs. Im Auto zog ich meine konservativen Kleider aus und schlüpfte in abgewaschene Jeans und enge T-Shirts. Zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, lebendig zu sein. Und Ulf schien die Rolle des Retters und Abenteurers sehr zu genießen.
Mein altes Leben begann schnell zu verblassen, und auch die Aufmerksamkeit für meine Tochter, die ich von Herzen liebe, rückte mehr und mehr in den Hintergrund. Ulf schwärmte von einem gemeinsamen Leben voll Sonnenschein und nie enden wollender Liebe. Wir kannten uns sechs Monate, als bei mir alle Sicherungen durchbrannten und ich entschlossen war, mich scheiden zu lassen, meine Praxis aufzugeben und mit meiner Tochter zu ihm zu ziehen. Mit dieser Absicht traf ich voller Freude eines Freitagabends unangemeldet bei ihm ein. Was dann kam, das ahnen Sie vielleicht.
Ulf starrte mich an, als stünde ein Geist vor ihm. Aber nur einen ganz kurzen Moment, dann fasste er sich wieder und sagte, dass er mich nicht hereinbitten könne, da seine Schwester überraschend gekommen wäre. Sie sei verzweifelt und benötige seine Hilfe; die Angelegenheit sei sehr delikat. Das hatte ich ihm sogar noch geglaubt oder wollte nicht wahrhaben, was sich gerade vor meinen Augen abspielte. Ich weiß nicht wirklich, was geschah. Außerdem war ich auch zu gut erzogen, um indiskrete Fragen zu stellen. Also meinte ich: ‚Kein Problem, ich werde dann morgen Vormittag wiederkommen. Aber den Grund meines Besuchs möchte ich dir gleich sagen: Ich werde meinen Mann verlassen und wir können zusammenziehen. So wie wir es uns immer erträumt haben.‘
Ulf schloss langsam die Tür hinter sich, fasste mich an der Hand und zog mich behutsam in Richtung Auto. Dann nahm er mich in seine wundervollen Arme und sagte: ‚Ich habe es nicht verdient, dass du zu mir kommst. Dieses Opfer kann ich nicht annehmen. Glaube mir, ich würde dich doch nur unglücklich machen. Wir sind nicht aus dem gleichen Holz geschnitzt. Und du gehörst zu deiner Familie. Ich habe dir einen Traum geschenkt. Aber Träume halten nicht ewig. Bald würden wir uns gegenseitig langweilen und unser beider Leben wäre zerstört. Vielleicht bist du heute noch nicht dazu in der Lage, aber irgendwann einmal wirst du es verstehen. Dann wirst du mir dankbar dafür sein. Wir hatten eine kostbare Zeit, und die sollten wir jetzt nicht zerstören.‘
Ich war erstarrt und konnte nicht mehr sprechen. Ich fühlte, wie mir die Tränen über mein Gesicht liefen, war aber dennoch auch auf irgendeine Art wie in Trance. Ulf nahm mein Gesicht in seine Hände, küsste mich zärtlich auf den Mund und ließ mich allein zurück.
Ein ganzes Jahr fühlte ich mich von unbeschreiblichem Schmerz durchtränkt, gedemütigt, missbraucht, lächerlich gemacht. Das Leben mit meinem Mann war verständlicherweise nie mehr wie zuvor. Es schien mir leer und fad. Wenn meine Tochter nicht gewesen wäre, hätte ich möglicherweise endgültig aufgegeben.
Mein Glück im Unglück war, dass eine Freundin behauptete, Ulf sei ein Psychopath und ich müsse mich informieren. So begann ich, mich mit diesem Menschentypus zu befassen, und ließ mich daraufhin über ein paar Monate beraten und begleiten. Das half mir zu einem großen Teil, meinen Schmerz loszulassen. Und es hat mir die Augen geöffnet für die Machenschaften dieser Individuen, ihre Vorgehensweisen und ihre Bereitschaft, für eine Affäre Menschen und ganze Familien zu zerstören. Jetzt liegt es an mir, mein Leben wieder selbst in die Hand zu nehmen. Ich möchte jedenfalls nicht wieder in meine alten, rigiden Verhaltensweisen zurückfallen. Ich möchte lebendig sein und mich am Leben erfreuen. Wenigstens war diese Begegnung ein Ruf des Lebens an mich, wenn auch um einen sehr hohen Preis. Ich habe mich nun zu einem Tandem-Fallschirmsprung angemeldet. Ich war ins Bodenlose gestürzt und möchte mich noch einmal fallen lassen, aber dieses Mal auf ganz andere Art. Nun soll es ein Abenteuer werden, und im freien Fall möchte ich symbolisch meine Altlasten loslassen und in ein neues Leben springen. Das scheint mir eine wundervolle Umkehrung, die mir ganz bestimmt viel Lebendigkeit schenken wird.“
Ein wesentliches Merkmal psychopathischer Charaktere ist also, dass sie sich nicht ansatzweise der Wirklichkeit verpflichtet fühlen. Sie bewegen sich grundsätzlich in einer moralfreien Zone, und allein der Gedanke an Moral ist für sie nichts anderes als blankes Spießertum. Wer keine Werte respektiert, für den gibt es auch keine Werteverstöße. Das ist die traurige Wahrheit. Doch können sie nicht immer verhindern, dass ihre Opfer die Gelegenheit nutzen, aus dem Schmerz zu lernen und Großes in sich reifen zu lassen.
Melanie hatte zum Glück beabsichtigt, ihre Tochter mitzunehmen. Somit blieb sie von den schlimmsten Schmerzen verschont. Es gibt, wie gesagt, genügend Fälle, bei denen Frauen den Entschluss fassen, ohne ihre Kinder die Familie zu verlassen, wenn sie wissen, dass ihr Partner keine Kinder mag. Sind sie aber wieder in der Realität angekommen, stellt sich das unerträgliche und unverzeihliche Gefühl ein, aus haltlosen, egoistischen Gründen die eigenen Kinder verraten und alleingelassen zu haben.
Für viele Frauen war das im Nachhinein der schmerzhafteste Prozess bei dieser grausamen Geschichte. Sich selbst dieses Verhalten zu vergeben ist ein schwieriger und langwieriger Weg, der mitunter ohne professionelle Hilfe gar nicht zu gehen ist.
Fazit:
Was immer Sie getan haben, Sie sind nicht schuld. Die Verantwortung trägt allein der Psychopath, der Ihnen Ihren Verstand und Ihre Selbstbestimmung geraubt und Sie Ihren tiefsten unerfüllten Sehnsüchten schutzlos ausgeliefert hatte. Was hat ein Verstand schon den machtvollen Rufen der Seele entgegenzusetzen?