Читать книгу Monster - Brigitte Jünger - Страница 15

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Mama war nicht zu Hause, ihre Schicht im Pflegeheim ging bis um sieben. Normalerweise hätte Felix jetzt das vorbereitete Essen heiß gemacht, sich eine halbe Stunde vor den Fernseher gehauen und dann den Bus zum Schwimmbad genommen. Heute gab er der Tasche mit seinem Schwimmzeug, die immer noch im Flur stand, nach dem Essen einen Tritt und ließ dann die Haustür hinter sich ins Schloss fallen, ohne eine Ahnung zu haben, was er jetzt tun würde. Bloß nicht stillsitzen. Er lief durch die ruhigen Vorortstraßen, wo nichts, aber auch gar nichts los war. Alle saßen anscheinend in ihren Bunkern oder waren bei der Arbeit und die klingenden Blumennamen waren ihnen sowas von scheißegal. Sie machten das Leben auch nicht besser. Sollte er Pufu anrufen, um ihn zu fragen, ob er Lust hatte, ein bisschen zu zocken? Mit ihm konnte man sich auch spontan verabreden, sie kannten sich seit der Grundschule. Aber der würde sich nur wundern, dass er Zeit hatte und nicht ins Schwimmbad fuhr. Außerdem war er wahrscheinlich selbst beim Training. Handball spielte er schon ewig.

Felix spürte, wie ihm ein übles Gefühl in den Nacken kroch und von hinten an die Kehle griff. Vielleicht hätte er damals mit Pufu zusammen in den Handballverein eintreten sollen. Dann wäre das alles nicht passiert. Aber als Pufu sich dazu entschloss, ging er doch schon längst zum Schwimmtraining. Das war seine ganze Seligkeit. Und nichts, absolut nichts, hatte darauf hingedeutet, dass das jemals anders sein würde.

Felix erreichte den Park, der hinter dem Wohnviertel begann, und versuchte, seinen Gedanken eine andere Richtung zu geben. Er dachte an das alte vierstöckige Haus, in dem sie in der Stadt gewohnt hatten, als er noch klein war und eine richtige Familie hatte. Die Zimmer waren riesig, der Flur war genau richtig zum Fußballspielen und vom Balkon im dritten Stockwerk konnte man bis an den Rhein schauen. Seine Erinnerungen waren bruchstückhaft, aber er wusste noch genau, dass die kleinen Griffe an den Schranktüren unter dem Küchenfenster metallene Fische waren, die er immer wieder betrachtet und abgezeichnet hatte. Die Zeichnungen hatten überall in seinem Zimmer an den Wänden gehangen und er hatte sich vorgestellt, dass er mit ihnen zusammen durchs Meer schwimmen würde. Er erinnerte sich auch noch an die vielen Ausflüge, die er mit Mama und Papa unternommen hatte. An den Rhein, in den Stadtwald, in den Zoo oder einfach irgendwohin, wo es schön war und sie etwas Spannendes erleben konnten.

Als er sechs war und in die Schule gekommen war, hatte Papa ihm endlich das Schwimmen beigebracht. Es hatte nur wenige Wochen gedauert, dann konnte er es und hatte das entdeckt, was ihm von da an am allermeisten Spaß auf der Welt machte. Papa stand am Beckenrand und lobte ihn ohne Ende. Er hatte etwas an sich, das es einem leicht machte, sich immer weiter anzustrengen und noch besser zu werden. Felix war süchtig nach Papas strahlendem Gesicht und seinem Lob geworden. Dann war Papa plötzlich weg. Als hätte jemand ein Riesenstück aus Felix’ Lieblingskuchen rausgeschnitten und weggeschleppt.

Er versuchte sich zu erinnern, wann es angefangen hatte, dass die Eltern sich nur noch stritten. Manchmal waren sie richtig laut geworden, besonders abends, wenn er schon im Bett lag. Unter der Bettdecke hatte er sich die Ohren zugehalten und trotzdem ihre Stimmen gehört. Ich werde mir beim Untertauchen nicht mehr mit den Fingern die Nase zuhalten, hatte er ihnen heimlich geschworen, ich werde noch schneller schwimmen! Aber es hatte alles nichts genützt. Papa ging nur noch selten mit ihm ins Schwimmbad, und es wurden keine Pläne mehr für die Sommerferien gemacht. Oma kam und nahm ihn mit in ihr Dorf, wo er die ganzen vielen Ferienwochen verbrachte und sogar glücklich gewesen war. Felix ballte die Fäuste in den Jackentaschen.

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