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Francesco Schettino (geb. 1960)

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De Falco: „(…) Es ist Ihr Job, mir zu sagen, wie viele es sind, in Gottes Namen.“

Schettino: „Aber Sie wissen, dass es Nacht ist und man hier nichts sieht?“

De Falco: „Was wollen Sie machen Schettino, nach Hause gehen?“ (…) „Sie und Ihr Adjutant gehen jetzt an Bord, ist das klar?“

Schettino: „… Ich würde gerne an Bord, aber das andere Rettungsboot hier … andere Rettungskräfte sind hier. Es hat angehalten und ist blockiert, ich habe andere Rettungskräfte gerufen …“

De Falco: „Das sagen Sie mir schon seit einer Stunde. Jetzt gehen Sie an Bord, gehen Sie an Bord! Und Sie sagen mir jetzt gleich, wie viele Menschen da sind.“

Schettino, der Kapitän des am 13.01.2012 havarierten Kreuzfahrtschiffes Costa Concordia geht nicht an Bord. Warum auch, schließlich war er einer der Ersten, der von Bord ging. Nach seinem Selbstverständnis gab es offensichtlich keinen Grund, sich erneuten Gefahren auszusetzen. Schließlich gab es noch andere Möglichkeiten zu helfen, bspw. über eine Stunde mit dem Hafenkommandanten De Falco zu telefonieren, um in zig Worten und Umschreibungen zu betonen, was genau warum nicht geht.

So schlüpft der Antiheld, sollte er einmal zur Verantwortung gezogen werden, ganz schnell in die Opferrolle.

Zur Havarie kam es dadurch, dass das 300 Meter lange Kreuzfahrtschiff viel zu nah an der italienischen Westküste gefahren war und ein Granitfelsen ein Leck in das Schiff geschlagen hatte. Selbst deutlich kleinere Schiffe fahren in dieser Region in einer deutlich größeren Distanz zur Küste. Wahrscheinlich war es eine Mischung aus Renommiersucht, Ignoranz und Risikobereitschaft, die Schettino zu dieser respektlosen Nähe angestiftet hat. Und genau diese Risikobereitschaft hatte sich in seiner Psyche nach dem Desaster gänzlich verflüchtigt, als es darum ging, seine Passagiere zu retten, die originäre Aufgabe eines Kapitäns.

Als das Schiff mit einem großen Knall auf den Granitfelsen gestoßen war und eine Passagierin ihn gefragt habe, was denn los sei, soll er geantwortet haben: „Ein Blackout, wir sind dabei es zu reparieren.“ Aus Reparatur wurde ganz schnell Flucht. Nach der Methode Schettino lässt es sich vom sicheren Rettungsboot aus am effektivsten helfen. Per Smartphone und Funk ruft man professionelle Helfer herbei, die das dann schon irgendwie regeln. Woher die plötzlich alle kommen sollen? Nicht Schettinos Problem. Er könnte selbst mitanpacken, aber seine Dienstauffassung sieht das nicht vor.

„Ich koordiniere die Evakuierung vom Rettungsboot aus“, teilte er der Küstenwache mit, die eine sofortige Rückkehr in das Schiff befahl. Aber was sollte er dort? Frieren? Nass werden? Sich verletzten? Auffallen durch zwei linke Hände? Also drehte er sein Rettungsboot und fuhr in Richtung Land. 4229 Personen an Bord, da waren sicherlich genügend Tatkräftige dabei und Gottes Hilfe gab es schließlich auch noch, was sollte da noch schief gehen? Gut möglich, dass der Kapitän Schettino so dachte. Doch auch hier richtet sich die Realität nicht nach dem Denken. Am Ende verloren 32 Menschen ihr Leben und die italienische Staatsanwaltschaft erhob Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Schettino sah es anders, was nur konsequent war, denn gemäß seiner Privatwirklichkeit kam er als Kapitän auf dem Schiff gleich nach Gott. Gottähnliche Fähigkeiten im Finden einer plausiblen Argumentation, warum er das Schiff so früh verlassen hatte, hatte er nicht. Er erklärte, er sei ausgerutscht und in ein Rettungsboot gefallen. Zeugenaussagen und Videoaufnahmen konnten dies klar widerlegen. Für Schettino hatte die Mannschaft versagt, nicht er. Das Gericht jedoch sah seine Schuld als erwiesen an und verurteilte ihn zu 16 Jahren und einem Monat Haft. Zwei übergeordnete Gerichte bestätigten dieses Urteil und am 12.01.2018 zog der Ex-Kapitän vor den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte. Ob er dort Erfolg haben wird?

Es sind keinerlei Vorkenntnisse in komplexer Psychologie nötig, um in Francesco Schettino den Antihelden schlechthin zu erkennen. In seiner Psyche haben sich Größenphantasien, Feigheit sowie Egoismus bis hin zu Narzissmus zu einem engen Netz der Verantwortungslosigkeit verbunden. Wer so gestrickt ist, für den ist auch die Akzeptanz der eigenen Schuld ein Ding der Unmöglichkeit. So schlüpft der Antiheld, sollte er einmal zur Verantwortung gezogen werden, ganz schnell in die Opferrolle. Manchmal glaubt das Publikum diesen Rollenwechsel, doch nicht im Fall Schettino, er hat jede Glaubwürdigkeit verspielt.

Wenn der Kapitän als Erster von Bord geht

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