Читать книгу Wenn der Kapitän als Erster von Bord geht - Burkhard Voß - Страница 16
Albert Speer (1905 – 1981)
Оглавление„… die verführerische Einfachheit, mit der er die Kompliziertheit unserer Probleme anging – das alles verwirrte und bannte mich. Von seinem Programm wusste ich so gut wie nichts. Er hatte mich ergriffen, bevor ich begriffen hatte.“
So beschreibt der Architekt und spätere Rüstungsminister die nahezu hypnotische Anziehungskraft Adolf Hitlers. So fixiert auf seine Leidenschaft Architektur schottete er sich gegenüber der Politik, der Unmoral ab. Als jemand, der regelmäßig Zugang zum Zentrum der Macht und Hitlers Lieblingsresidenz Obersalzberg hatte, war sie nicht zu übersehen. Die Pflichterfüllung, ob als Architekt oder als Rüstungsminister, hatte für ihn größte Priorität. Was rechts und links daneben war, blendete er aus: die Demontage des Rechtsstaates, den Aufbau einer Willkürherrschaft, Folter von Andersdenkenden, aggressive Expansionspolitik, industriellen Massenmord. Sicherlich war er ein intelligenter Mensch, doch Intelligenz ist zunächst einmal wertneutral wie ein Werkzeug. Es kommt darauf an, wofür man sie einsetzt. Albert Speer ist der Typus des Künstlers oder Technokraten, der durchaus sensibel ist, aber sich für bedrohliche gesellschaftliche Umstände nicht zuständig fühlt. Als er zum Schluss nichts mehr übersehen konnte, entschloss er sich 1944/45 zum Widerstand.
Albert Speer ist ein Antiheld, da er den Menschentyp verkörpert, der totalitäre Herrschaft möglich macht.
Politisches Desinteresse und eine romantische Neigung beschreibt er schon auf den ersten Seiten seiner Memoiren („Erinnerungen“). In die Natur flüchtete er sich vor einer immer komplizierter werdenden Welt. Kaum 30 Jahre alt wurde er Hitlers Architekt und war berauscht von den Möglichkeiten, die sich ihm in dieser Stellung boten. Sechs Jahre später übernahm er das „Ministerium für Bewaffnung und Munition“. Im Sommer 1940, auf dem Höhepunkt der Macht des NS-Regimes begann er allmählich die Substanzlosigkeit und Menschenverachtung der neuen Herrschaft zu erkennen. Dennoch erfüllte er weiterhin noch brav seine Aufgaben. Immerhin schreibt er ungeschönt in seinen Memoiren: „Ein amerikanischer Historiker hat von mir gesagt, ich hätte die Maschinen mehr geliebt als Menschen. Er hat nicht unrecht.“
Vor dem Hintergrund einer mehrmonatigen Erkrankung 1944 konnte er sich von seiner Pflichterfüllungsmanie ein klein wenig distanzieren. 1944/45 entschied er sich zu Attentatsvorbereitungen gegen Hitler, die ins Leere liefen. Hektisch sollte sein Lebensirrtum aus der Welt geschaffen werden. Bei den Nürnberger Prozessen verkaufte er sich gut. Gestand Schuld ein und verwies nicht wie viele der Angeklagten auf Hitler, Himmler und Goebbels als Alleinschuldige, also auf die, die man nicht mehr fragen konnte.
Dennoch ist Albert Speer ein Antiheld, da er den Menschentyp verkörpert, der totalitäre Herrschaft möglich macht. Der, der funktioniert und dem nur sein Funktionieren heilig ist. Dadurch wird ermöglicht, dass das Unheilige zum Programm werden kann.