Читать книгу Dreizehn. Der Gletscher. Band 4 - Carl Wilckens - Страница 8

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Blackworth

Beben. Zum dritten Mal in dieser Nacht erwachten die Insassen von Zellenblock 13.

Ein Stöhnen drang aus Ronalds Zelle. »Wie soll man sich bei diesem Lärm erholen?«

»Ronald?«, rief Arwin erleichtert. »Du lebst!«

»So gerade eben noch«, erwiderte der Junge. Die Insassen atmeten auf und sprachen ihrem jungen Mitstreiter Mut zu.

»Ich habe Durst«, sagte Ronald mit schwacher Stimme und hustete. »Was passiert da draußen? Es ist, als atmete ich mehr Staub als Luft.«

»Geht mir genauso«, erwiderte Baine. Er zog die Nase hoch und spuckte aus. »Mein Rotz sieht aus wie Zement.«

Der Sänger blickte aus dem Fenster von Ends Zelle. Der Morgen musste in greifbarer Nähe sein, waren doch die Umrisse der Saint Aaron Mountains sowie die Wolkenformationen am Himmel zu erkennen. Rutters Einschätzung nach würde es noch einige Stunden dauern, ehe ihnen das Frühstück gebracht würde. Er warf dem Mann in der Zelle gegenüber einen flüchtigen Blick zu: Godric End, der kaltherzige Revoluzzer des Arbeiteraufstandes. Ein Mann, der so viel Mitleid kannte, wie die Barone verdient hatten: keines. Dunkle Schatten lagen unter seinen Augen. Hatte er überhaupt geschlafen? Wann immer der Sänger aufgewacht war, hatte er End in seiner Zelle sitzen oder stehen sehen. Dennoch war sein Blick so wach, als beugte sich selbst die Müdigkeit seinem Willen. Er starrte an die Zellenwand gegenüber, während er mit der Erinnerung ein Gemälde, das nur er sehen konnte, auf den Beton malte.

»Das sind vermutlich Bomben«, brummte Jed in der Zelle neben dem Sänger.

»Bomben?«, wiederholte Baxter mit skeptischem Blick. »Was gibt es hier, das es zu bombardieren lohnte? Stonefort ist nicht in unserer Gewalt.«

»Noch nicht«, knurrte George in der Zelle bei der Tür.

»Vielleicht haben unsere Leute einen Bomber der Königin erobert und greifen Stonefort an«, sagte Arwin hoffnungsvoll. Die anderen Insassen murmelten zustimmend. »Dann wäre es nur eine Frage der Zeit, bis sie uns befreien.«

»Ihr irrt euch.« Der Sänger sprach leise, doch brachten seine Worte den Rest des Zellenblocks zum Schweigen, als hätte er eine Pistole abgefeuert. Sein Blick und der Ends trafen sich. Ends Augen blitzten, als freue er sich darauf, dass Rutter die Hoffnung seiner Genossen zerstören würde. »Ich habe gestern gesehen, was das Beben wirklich verursacht. Der Himmel fällt auseinander. Seine Bruchstücke stürzen auf das Land herab.«

Betretenes Schweigen füllte den Zellenblock, das schließlich von einem lauten Schnauben aus Storms Zelle unterbrochen wurde.

»Das hast zu lange den Spinnereien von End gelauscht«, sagte der Insasse. »Jetzt glaubst du schon, Dinge zu sehen, die überhaupt nicht wahr sind.«

Baine in der Zelle gegenüber sah mit gerunzelter Stirn zu ihm. »Was tust du da?« Allem Anschein nach war Storm dabei, die Gasleuchte auseinanderzunehmen, die der Synaígiesauger tags zuvor hatte fallen lassen.

»Ich werde das Schloss meiner Zellentür knacken«, antwortete der Insasse, während er den Käfig der Lampe verbog, bis eine der Metallstangen herausbrach. Er trat vor seine Tür und begann, von außen im Schloss herumzustochern. Einige Zeit lang war nur das Klappern seiner fruchtlosen Versuche zu hören, während die übrigen Insassen an jenen Menschen im Zellenblock dachten, der sich bestens darauf verstand, Schlösser zu knacken.

»Gib End den Kram«, sagte der Sänger schließlich. »Er wird uns im Nu hier rausbringen.«

Storm lachte freudlos. »Lieber lass ich uns alle hier versauern, als dass ich diesem verlogenen Schwein in die Freiheit verhelfe«, sagte er. »Er ist da, wo er hingehört.«

»Hey!«, rief Arwin empört und trat an die Zellentür. »Du willst uns hier versauern lassen? Da haben wir auch noch ein Wort mitzureden.«

Storm hielt in seinem Versuch, das Schloss der Zellentür zu knacken, inne und sah wütend zu dem Mann in der Zelle schräg gegenüber. »Dann sag mir, Arwin: Willst du wirklich, dass dieser Mann wieder auf freiem Fuß ist? Er ist durch und durch falsch. Er hat Charles Rabotnik getötet. Hat unsere Genossen auf dem Gewissen. Und er hat Ronald dieser Bestie ausgeliefert.«

»Aber es hat funktioniert«, erwiderte Arwin kleinlaut, wenngleich mit unsicherer Miene.

»Was haltet ihr davon«, mischte sich Ronald mit schwacher Stimme ein, »wenn wir End weiterreden lassen. Danach können wir eine Entscheidung treffen.« Storm, davon überzeugt, dass nichts, was End sagen würde, seine Meinung ändern konnte, schwieg. Er konnte den Wunsch seines Genossen, der bereit gewesen war, sich für sie alle zu opfern, um dem Synaígiesauger den Garaus zu machen, nicht ausschlagen.

Der Sänger holte die Tüte mit dem Tabak hervor und winkte End damit. Jetzt schien er aus seinem Tagtraum zu erwachen. Er blickte auf.

»Willst du?«, fragte Rutter. Der Staub hatte die Schleimhäute in seinem Mund und Rachen in rissige Wüstenlandschaften verwandelt. Allein der Gedanke, eine Zigarette zu rauchen, verursachte ihm Übelkeit.

End jedoch nickte. Der Sänger drehte ihm die vierte Zigarette und warf sie durch den Gang in seine Zelle. End sammelte sie ein und steckte sie sich zwischen die Lippen, entzündete ein Streichholz an der Schuhsohle und hielt es an die Zigarette. Mit geschlossenen Augen zog er daran und stieß genussvoll den Rauch aus. Der Sänger wandte den Blick ab.

»Wo waren wir zuletzt?«, fragte End mit einer Stimme, rau vom Schlafmangel und Staub. Er schien genauso wenig Lust zu haben, weiterzuerzählen, wie er die Gelegenheit begrüßte, sich von seinen eigenen düsteren Gedanken abzulenken.

»Nikandros hatte dich in die Welt hinter den Spiegeln verbannt«, half ihm der Sänger auf die Sprünge. »Dort begegnete dir Jasper, und mit Rocíos Hilfe gelang es euch, diesem Ort zu entkommen. Nachdem ihr Nikandros besiegt habt, sind du und Rocío in ihr Versteck unter der Kanalisation hinabgestiegen, um den Spiegel mit dem Durchgang zur anderen Seite zu zerstören.«

»Richtig«, sagte End, stieß den Rauch seines zweiten Zuges aus und holte tief Luft. »Dort unten fand uns Aliona, die Hibridia, die ich das letzte Mal in Gesellschaft von Esper, Tybalt, Nathaniel und Fiur im Keller der Nervenheilanstalt gesehen hatte.«

Dreizehn. Der Gletscher. Band 4

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