Читать книгу Secret Service - Carol Leonnig - Страница 11

Kapitel 5 Ein letzter Tag auf Wahlkampftour

Оглавление

Die Frau des Gouverneurs bemerkte, dass irgendetwas nicht stimmte.

Nach einem raschen Frühstück im Erdgeschoss war Cornelia WallaceWallace, Cornelia in ihr sonniges Schlafgemach mit den Seidenvorhängen in der Gouverneursvilla zurückgekehrt. Sie ließ die Hand über eine Wand voller Kleider in ihrem Schrank gleiten. Die hübsche 33-jährige First Lady des Staates Alabama genoss diesen Teil der Vorbereitung auf einen großen Wahlkampftag: die Auswahl der Garderobe. Sie entschied sich für ein cremegelbes Kleid, das ihren gebräunten Teint bestens zur Geltung brachte. Sie hoffte, das leichte Gewebe wäre in der feuchten Hitze, die die Wettervorhersage des Tages für Maryland prognostizierte, angenehm zu tragen.

Es war Montag, der 15. Mai 1972. In etwas über einer Stunde sollte sie mit ihrem Mann, Gouverneur George WallaceWallace, George, nach Washington fliegen. Dort wollte der Gouverneur den Tag verbringen – den letzten Tag vor den Vorwahlen in Maryland – und dann in zwei vorstädtischen Regionen Marylands im Umland des Washington Beltway Wahlkampf für seine Präsidentschaftskandidatur betreiben.

An jenem Morgen vernahm Cornelia WallaceWallace, Cornelia jedoch einen ungewöhnlich sorgenvollen, beunruhigten Unterton in der Stimme ihres Mannes am anderen Ende des Zimmers.[109]

»Ich glaube, ich gehe lieber nicht, CorneliaWallace, Cornelia«, sagte er. »Ich denke einfach, ich sollte diese Reise lieber lassen.«[110]

»Ein Tag Wahlkampf mehr oder weniger macht den Bock auch nicht fett«, ergänzte er.[111] »Wenn ich es jetzt noch nicht geschafft habe, schaffe ich es auch mit einem weiteren Tag Wahlkampf nicht mehr.«

Seltsam, dachte sich seine Frau. George klingt sonst nie so nervös.

Abrupt legte er einen höheren Gang ein. Er schimpfte mit seiner Frau, weil sie zu lang für ihr Make-up brauchte, am Ende würden sie noch ihren Flug nach Maryland verpassen.[112]

Sie machten sich in einer nicht als Dienstwagen gekennzeichneten Limousine eines Polizisten auf den Weg zum Flughafen.[113] Bloß noch ein letzter Tag Wahlkampf. Ein Tag noch, dann könnten sich Cornelia WallaceWallace, Cornelia und ihr Mann eine dringend benötigte Auszeit nach der mentalen Achterbahnfahrt des Wahlkampfs gönnen.

Ihr Mann ging normalerweise gern auf Tour. Das war sein dritter Anlauf für das Weiße Haus, und diesmal lief es überraschend gut für ihn. Er hatte die Vorwahlen in Florida gewonnen und in zwei weiteren Staaten einen starken zweiten Platz geschafft. Er hoffte, sich mit Vorwahlerfolgen in Maryland und Michigan die Nominierung als Präsidentschaftskandidat der Demokraten zu sichern.

Wallace, GeorgeWallace war ein umstrittener Kandidat. Die meisten Amerikaner kannten ihn als notorischen Verfechter der Rassentrennung, nachdem er sich an der University of Alabama in einen Durchgang gestellt und zwei schwarze Studenten daran gehindert hatte, sich am College einzuschreiben. Mit seiner berüchtigten Rede aus dem Jahr 1963, die in der Forderung »Rassentrennung jetzt, Rassentrennung morgen, Rassentrennung für immer« gipfelte, hatte WallaceWallace, George in den Augen vieler Menschen ein für alle Mal seinen Ruf als Verkörperung hartnäckiger weißer Borniertheit begründet.[114]

In seiner Wahlkampagne 1972 fuhr der Gouverneur Alabamas seine rassistische Rhetorik ein wenig herunter und fokussierte sich auf die Einmischung des Bundes in lokale Belange, um ein größeres Publikum anzusprechen. Sein Wahlkampfmanager platzierte CorneliaWallace, Cornelia – die hübsche zweite Frau des Gouverneurs, fast zwanzig Jahre jünger als ihr Mann – als Mitstreiterin, die WallaceWallace, George ein weicheres und moderneres Image als Führer des Landes vermitteln sollte.

Dennoch schreckte es nicht wenige Wähler ab, die nur den George WallaceWallace, George der sechziger Jahre sahen, wenn er in ihre Stadt kam. Bei einem früheren Auftritt im Mai zwangen fast zweihundert weiße und schwarze Demonstranten den Gouverneur, mitten in der Rede die Stadt Hagerstown in Maryland zu verlassen. Tage später warfen Demonstranten Steine in Richtung seiner Bühne in der Nähe von Frederick, Maryland, ein Stein traf WallaceWallace, George an der Schulter. Seine hetzerische Vergangenheit holte den Gouverneur ein.

Und noch etwas anderes schwebte wie ein dunkler Schatten über dem Wahlkampf des George WallaceWallace, George: der Tod seiner alten Widersacher. Fast zehn Jahre waren seit dem Attentat auf Präsident KennedyKennedy, John F.Attentat vergangen, aber die hoch emotionale Debatte über Rasse und Gleichheit, die Wallace und KennedyKennedy, John F. über die amerikanischen Werte ausgefochten hatten, trieb das Land noch immer um. KennedysKennedy, John F. progressiver Drang zu gleichen Rechten für Schwarz und Weiß hatte den tiefen Dissens des Landes in Sachen Bürgerrechte bloßgelegt, und WallaceWallace, George hatte sich zum Fackelträger derjenigen aufgeschwungen, die an Hass und Diskriminierung festhalten wollten. 1968, fünf Jahre nach dem Attentat auf KennedyKennedy, John F.AttentatAttentateKennedy, John F., waren zwei weitere Feinde Wallace, GeorgeWallace’ ermordet worden: Dr. Martin LutherAttentateKing, Martin LutherKing, Martin Luther King jr., der Anführer der Bürgerrechtsbewegung, und Präsidentschaftskandidat Robert F. Kennedy, Robert F. »Bobby«AttentatAttentateKennedy, RobertKennedy.

Der Tod dieser beiden Führungspersönlichkeiten blieb nicht ohne Auswirkungen auf WallaceWallace, George. Der Gouverneur hatte sich mit beiden Männern intensive persönliche Wortgefechte geliefert. Bei allen heftigen Meinungsunterschieden hatten sie immerhin eine gemeinsame Bühne in diesem erbitterten Kulturkampf geteilt.

Kennedy, Robert F. »Bobby«Kennedy, der damals in der Regierung seines Bruders als Justizminister gedient hatte, war 1963 nach Montgomery geflogen und hatte versucht, WallaceWallace, George dazu zu bewegen, Schwarzen den Zugang zu den Universitäten in seinem Bundesstaat zu erlauben. WallaceWallace, George stellte sich stur, was die Konfrontation im Korridor der Uni zur Folge hatte. Im Kampf um die Präsidentschaftskandidatur 1968 waren KennedyKennedy, Robert F. »Bobby« und WallaceWallace, George erneut Rivalen.

WallaceWallace, George und KingKing, Martin Luther hatten mit ihren Anhängern das Feindbild für den jeweils anderen abgegeben. Wallace’ Schwur auf die Bewahrung einer Welt der Rassentrennung vom Jahr 1963 hatte KingKing, Martin Luther zu seiner legendären Rede in jenem Sommer (»I have a Dream«) angespornt. In der machtvollen Ode an die schlichte menschliche Würde setzte der prominente Bürgerrechtler seine Hoffnungen besonders eindringlich auf den Heimatstaat des George WallaceWallace, George. »Ich habe einen Traum, dass eines Tages dort unten in Alabama, mit seinen schändlichen Rassisten, mit seinem Gouverneur, von dessen Lippen Worte wie ›Einspruch‹ und ›Annullierung‹ triefen –, dass eines Tages gerade dort in Alabama kleine schwarze Jungen und Mädchen die Chance haben werden, wie Brüder und Schwestern Hand in Hand mit kleinen weißen Jungen und Mädchen zu gehen«, sagte er.[115]

Im März 1965 forderte KingKing, Martin Luther, nachdem er einen Protestmarsch von Selma nach Montgomery angeführt hatte, WallaceWallace, George in einer Rede vor dem Alabama State Capitol erneut unmittelbar heraus. »Das Böse erstirbt auf den staubigen Straßen und wegen dieses Staates«, sagte King. »Ich stehe an diesem Nachmittag vor Ihnen mit der festen Überzeugung, dass die Rassentrennung in Alabama auf dem Sterbebett liegt, und die einzige offene Frage ist, wie teuer die Segregationisten und WallaceWallace, George das Begräbnis werden lassen.«

Im April 1968 wurde KingKing, Martin LutherAttentateKing, Martin Luther auf dem Balkon seines Hotels in Memphis erschossen. Er war in die Stadt gekommen, um als Anführer bei einem Protestmarsch für schwarze Müllmänner mitzuhelfen, die für gerechte Bezahlung und Sozialleistungen stritten. Der Pastor predigte zivilen Ungehorsam und war nahezu ständig das Ziel von Morddrohungen. In ruhigen Gesprächen mit seiner Frau und seinen engsten Freunden hatte KingKing, Martin Luther sein eigenes gewaltsames Ende vorhergesagt. Sein Tod hatte auch eine Verbindung zu WallaceWallace, George: Der Mann, der später den Mord an KingKing, Martin LutherAttentateKing, Martin Luther gestand, hatte sich begeistert über Wallace’ Präsidentschaftskandidatur gezeigt und in den Monaten vor dem Attentat als Freiwilliger in dessen Wahlkampfbüro gearbeitet.

Im Juni 1968, ganze zwei Monate danach, wurde Robert KennedyKennedy, Robert F. »Bobby«AttentatAttentateKennedy, Robert, der Bruder des ermordeten Präsidenten, bei einem Attentat in einem Hotel in Los Angeles getötet – er lag ganz vorn im Rennen um die Nominierung zum Präsidentschaftskandidaten der Demokratischen Partei. Der Mann, der ihn erschoss, Sirhan SirhanSirhan, Sirhan, war palästinensischer Abstammung und hatte schon seit Wochen den Plan zur Ermordung KennedysKennedy, Robert F. »Bobby«AttentatAttentateKennedy, Robert verfolgt, wegen dessen öffentlicher Unterstützung für Israel.

Über Nacht gab Präsident Lyndon B. JohnsonJohnson, Lyndon B.Rowley und dem Direktor des Secret Service, James RowleyRowley, James Joseph jr.Johnson und, die Anweisung, neue Mitarbeiter des Secret Service einzuteilen, um sofort alle prominenten Präsidentschaftskandidaten zu beschützen. Wallace, GeorgeWallace war einer der fünf Kandidaten gewesen, die in jenem Sommer 1968 umgehend in den Genuss des Schutzes durch den Secret Service kamen.

Ken IacovoneIacovone, Ken, damals Schichtleiter im Personenschutz von Präsident JohnsonJohnson, Lyndon B., wurde nun mit der Leitung des Kommandos für Wallace betraut. Er warnte seine neue Truppe, dass Wallace, GeorgeWallace’ giftiger Widerstand gegen die Rassenintegration diesen zur Zielscheibe potenzieller aufgestachelter Attentäter machen könnte. Der Personenschutz musste wachsam bleiben für diese konstante Gefahr, mahnte er sein Team. IacovoneIacovone, Ken nahm sich in den folgenden fünf Monaten nicht einen einzigen freien Tag, von der Einteilung für die Aufgabe durch Direktor RowleyRowley, James Joseph jr. im Juni bis zur Wahl im November.

»Armer Kerl«, meinte der ehemalige Agent Bob DeProsperoDeProspero, Bob, ein neues Mitglied der Truppe, das zur gleichen Zeit die Aufgabe gehabt hatte, für den Schutz von Gouverneur Nelson RockefellerRockefeller, Nelson zu sorgen. »Er hatte sich sprichwörtlich krankenhausreif gearbeitet, am Ende brach er zusammen, und sie mussten ihn in ein Krankenhaus einliefern. Er wusste um die Drohungen gegen WallaceWallace, GeorgeMorddrohungen, und er verspürte den Druck der Verantwortung so intensiv, dass er es einfach nicht über sich brachte, einmal eine Pause einzulegen.«

Es ist schon unheimlich, dass WallaceWallace, George vier Jahre später in die gleiche Situation geriet wie King und KennedyKennedy, Robert F. »Bobby«AttentatAttentateKennedy, RobertAttentateKing, Martin Luther. Er bewarb sich erneut um die Präsidentschaftskandidatur, erneut wurde er von einem Team des Secret Service beschützt, das ihm als Reaktion auf den Tod Robert KennedysKennedy, Robert F. »Bobby«AttentatAttentateKennedy, RobertKing, Martin LutherAttentateKing, Martin LutherWallace, George zugeteilt worden war. Und wie King sprach auch Wallace offen über die Möglichkeit, einem Mordanschlag zum Opfer zu fallen.[116]

»Irgendjemand wird umgebracht werden, noch bevor diese Vorwahlen zu Ende sind, und ich hoffe nur, ich bin es nicht«, erzählte Wallace in jenem Frühjahr einem Freund.[117]

Wochen später sagte WallaceWallace, George einem Reporter der Detroit News, die singenden jungen Hippies, die ihn bei seinen Auftritten verspotteten, machten ihm keine Angst. Viel mehr fürchtete er die Stillen, meinte er. »Die, die ich wirklich fürchte, das sind die, die man gar nicht wahrnimmt«, sagte WallaceWallace, George. »Ich sehe irgendeinen kleinen Kerl irgendwo da draußen, dem niemand Beachtung schenkt. Er greift in seine Tasche, und schon hat er eine kleine Waffe in der Hand, genau wie dieser SirhanSirhan, Sirhan, der Kennedy umgebracht hat.«

Am selben Montag wachte der junge Arthur BremerBremer, Arthur auf der zerschlissenen blauen Rückbank seines 1967er Rambler Rebel Coupé auf einem Parkplatz in Wheaton auf. Der arbeitslose 21-Jährige war tags zuvor eilig die fast tausend Kilometer von Kalamazoo hierhergefahren.[118] Seit März war er dem Kandidaten nur zu einem einzigen Zweck auf den Fersen geblieben. Inzwischen jedoch war von dem Geld, das er für seine Mission zusammengespart hatte, kaum noch etwas übrig. Er musste die Nacht im Auto verbringen.

Dennoch wählte BremerBremer, Arthur seine Kleidung für den Tag mit Sorgfalt.[119] Er trug eine dunkle Hose, ein rot-weiß-blaues Hemd und ein leicht zerknittertes blaues Jackett. Am Revers trug er zwei Wallace-Wahlkampfplaketten. Genau die gleiche Verkleidung hatte er bei den Wahlkampfauftritten des Gouverneurs bereits ein halbes Dutzend Mal getragen. Der junge Mann strahlte keinerlei körperliche Bedrohung aus: 1,68 Meter groß, durchschnittlicher, fast zierlicher Körperbau, kurz geschorenes blondes Haar, ein glatt rasiertes Gesicht.

Bremer, ArthurBremer hoffte, wie der typische begeisterte, loyale Wallace-Anhänger zu wirken. In Wahrheit jedoch war er ein verschrobener, wütender Einzelgänger, der seine Mordphantasien pflegte. »Ich habe entschieden, WallaceWallace, GeorgeBremer plant Anschlag die Ehre zuteilwerden zu lassen«, schrieb BremerBremer, Arthur in ein Tagebuch, nachdem er mehrmals erfolglos versucht hatte, nahe genug an Präsident NixonNixon, RichardBremer plant Anschlag heranzukommen, um diesen zu erschießen.[120] »Wenn ihr mich fragt, warum ich es getan habe, dann würde ich sagen … ›Ich muss irgendjemanden töten.‹«

BremersBremer, Arthur Kindheit war geprägt von einer gefühlskalten, rücksichtslosen Mutter und einem Fernfahrer als Vater, der trank, um ihre Sprunghaftigkeit, die extremen Stimmungsschwankungen und die ständigen häuslichen Streitereien zu ertragen. Bremer, ArthurBremer konnte sich nicht erinnern, dass seine Mutter ihn oder einen seiner drei Brüder jemals in den Arm genommen hatte.[121] Sehr wohl erinnerte er sich an die Schläge, die er bekam, wenn er als Kind mit verdreckter Kleidung vom Spielen nach Hause kam. Bremer, ArthurBremer lernte erst mit vier Jahren sprechen.

BremersBremer, Arthur Mitschüler in Milwaukee, Wisconsin, mieden ihren seltsamen Klassenkameraden, manche nannten ihn »Clown«. In einem Tagebuch beschrieb er die Qual des Nichtdazugehörens: »Keine Geschichts- oder Englischarbeit war jemals so schwer, keine Mathe-Abschlussprüfung so schwierig, wie allein in der Schlange bei der Essensausgabe in der Schule warten zu müssen, allein essen zu müssen, während Hunderte andere die Köpfe zusammensteckten & tratschten & brüllten & lachten & mich anstarrten. Dutzende Male sah ich einzelne Menschen in 10 oder 15 Minuten öfter lachen und lächeln, als ich bis dahin in meinem ganzen Leben gelacht hatte.«[122]

Bremer, ArthurBremer bekam nach der Highschool einen Job als Hilfskellner in einem Sportverein in Milwaukee, wurde aber bald zum Tellerwäscher degradiert, weil sich Kunden beschwerten, sein Gesumme und Herummarschieren würde sie nervös machen.[123]

Im Oktober 1971 fand er einen neuen Job als Pförtner an einer Highschool. Auf diesem bescheidenen Posten lernte er seine erste Freundin kennen und bekam seine erste Chance, Verbindung zu anderen Menschen aufzunehmen. Aber die 16-Jährige machte nach nur zwei Monaten wieder Schluss – BremerBremer, Arthur war ihr »zu doof«. Bei einem der ersten Dates erzählte er ihr, er nehme Medikamente, damit sein angeschwollener Penis nicht »platzt«. Bei einem Konzert von Blood, Sweat and Tears fand sie sein linkisches Stampfen und Johlen peinlich. Er machte sich an eine in der Schlange stehende Frau heran, die er nicht kannte, und küsste sie.[124]

Bremer, ArthurBremer flehte sie an, es sich noch einmal zu überlegen.[125] Er gab erst auf, als die Mutter des Mädchens drohte, zur Polizei zu gehen.

Danach brach BremerBremer, Arthur zu einer neuen und makabren Reise auf. Er kaufte sich einen Revolver Kaliber .38 in einem Waffengeschäft namens »Casanova’s« und kündigte seinen Pförtnerjob. Er begann, Tagebuch zu schreiben, und auf diesen Seiten beschrieb er seine Pläne, sein »erbärmliches Leben« hinter sich zu lassen und über Nacht berühmt zu werden, indem er einen bedeutenden Politiker umbrachte. »Jetzt beginne ich mein Tagebuch über meinen persönlichen Plan, entweder Richard NixonNixon, RichardBremer plant AnschlagWallace, GeorgeBremer plant Anschlag oder George Wallace zu erschießen«, schrieb er am 1. März 1972. »Ich will ETWAS KÜHNES UND DRAMATISCHES MACHEN, GEWALTSAM & DYNAMISCH, EIN STATEMENT meiner Männlichkeit, das die ganze Welt mitkriegen soll.«

Die Jahre der Zurückweisung und des Scheiterns hatten aus BremerBremer, Arthur einen Verzweifelten gemacht, der zu sterben bereit war, um berühmt zu werden. Genau die Sorte Mensch, die der Secret Service am meisten fürchtete.

Bremer, ArthurBremer studierte regelrecht die versteinerten Gesichter der Agenten des Secret Service. In den ersten Wochen nach dem Aushecken seines verhängnisvollen Plans hatte BremerBremer, Arthur versucht, aus nächster Nähe zu erkunden, wie die Arbeit der Sicherheitsbeamten ablief. Im März tauchte er bei einem Auftritt von WallaceWallace, GeorgeBremer plant Anschlag unweit seines Wohnorts auf, im Red Carpet Airport Inn in Milwaukee. Er hoffte, sich ein genaues Bild von den Gewohnheiten des Secret Service und dem protokollarischen Ablauf des Wahlkampfs zu machen.

Bremer, ArthurBremer notierte, wie mühelos er den Gouverneur von Alabama hätte töten können, als dieser auf der Bühne stand:[126] »Ich malte mir aus, WallaceWallace, GeorgeBremer plant Anschlag wäre inzwischen tot oder so gut wie tot, wenn ich es nur wollte.« Aber er hielt sich zurück, weil er lieber Präsident NixonNixon, RichardBremer plant Anschlag umbringen wollte. Der Mord an einem Präsidenten, so seine Überlegung, würde ihn noch berühmter machen: »Die Presse wird sagen – ›Wallace ist tot? Na und?‹ Er kriegt kaum mehr als drei Minuten in den Abendnachrichten.«

In der zweiten Aprilwoche machte sich BremerBremer, Arthur in einem Mietwagen auf in Richtung Ottawa, eine Waffe im Kofferraum verstaut. Er hoffte, NixonNixon, RichardBremer plant Anschlag während seines geplanten zweitägigen Besuchs beim kanadischen Premierminister und im Parlament zu ermorden. Vor Nixons Eintreffen fuhr BremerBremer, Arthur einen ganzen Tag lang durch die Gegend, um sich mit der Fahrstrecke vertraut zu machen, die NixonNixon, RichardBremer plant Anschlag von der kanadischen Militärbasis Uplands im Norden in die Hauptstadt Kanadas zurücklegen würde. Er registrierte die umfassenden Vorbereitungen entlang der Strecke: »Drei Männer in leuchtend orangen Overalls & mit Taschenlampen (es war noch gar nicht richtig dunkel) suchten die Strecke, die der Präsident fahren würde, nach Bomben, Drähten, auffälligen Grabungen usw. in der Umgebung ab, vermute ich«, schrieb er.[127]

Hatte gehört, dass die Schneehaufen am Straßenrand weggespritzt wurden, um kein mögliches Versteck für Bomben zu bieten. Sah Leute mit Wasserschläuchen, die die Straße abspritzten, die er nehmen würde. … Alle Wohnhäuser & Geschäfte an der Strecke wurden vom Secret Service inspiziert & die Leute sollten auf verdächtige Bewegungen in den Büschen achten, auffällige Autos usw. Ich sah einen Typen im Trenchcoat, typischer Secret-Service-Cop, wie er aus einem Haus an der Strecke rauskam & zu seinem Auto ging; er schaute mich beim Vorbeigehen an.

Am Nachmittag des 13. April, einem Donnerstag, fuhr BremerBremer, Arthur zur Einfahrt der Luftwaffenbasis und wollte bei NixonsNixon, RichardBremer plant Anschlag Empfang auf dem Rollfeld dabei sein. Aber die Wache schickte BremerBremer, Arthur wieder weg; nur Mitarbeiter der Basis waren zugelassen. Ein Polizist wies ihn später in Richtung des freien Geländes einer Tankstelle in der Nähe, wo bereits zehn oder zwölf Autos von Leuten geparkt waren, die Nixons FahrzeugkolonneFahrzeugkolonnen vorbeifahren sehen wollten.

Bremer, ArthurBremer glaubte, sich seinen Plan sorgfältig zurechtgelegt zu haben. Er hatte sich in einen Straßenanzug und einen betont konservativen Mantel geworfen, um wie ein respektabler Anhänger zu wirken. Er nahm sich vor, trotz der frostigen Temperaturen die Hände nicht in die Tasche zu stecken, weil er wusste, dass Hände in den Taschen Verdacht bei Polizei und Secret Service erregen würden. »Ich wollte schließlich nicht durchsucht werden, weil ich die Hände in den Taschen hatte«, schrieb er.

Über vierzig Minuten wartete er zusammen mit den anderen Schaulustigen im eisigen Nieselregen am Straßenrand. Er ging zurück zu seinem Wagen, um sich aufzuwärmen, dann rannte er wieder zurück, als er sah, dass die Menge in Richtung der Straße drängte. Innerhalb weniger Momente raste NixonsNixon, RichardBremer plant Anschlag schwarzer Lincoln Continental vorüber.

»Alles vorbei«, sagte ein anderer Zuschauer vor sich hin. Bremer, ArthurBremer hatte noch nicht einmal die Zeit gehabt, nach seiner Waffe zu greifen.

»Er fuhr ruck, zuck an mir vorbei«, schrieb BremerBremer, Arthur über NixonNixon, RichardBremer plant Anschlag. »Wie der Blitz. Bloß eine dunkle Silhouette.«

Bremer, ArthurBremer würde es tags darauf erneut versuchen, aber es frustrierte ihn, im Lokalradio zu hören, dass Nixon die umfassendsten Sicherheitsvorkehrungen begleiteten, die es jemals beim Besuch eines US-Präsidenten gegeben hatte – schuld daran war eine beachtliche Schar von Leuten, die gegen Nixon demonstrierten. Viele kamen, um gegen den Vietnamkrieg zu protestieren, andere waren kanadische Staatsbürger, die im Präsidenten ein Symbol der Kontrolle Amerikas über ihr Land sahen. Dutzende kanadischer Polizisten und Secret-Service-Agenten sorgten im Verbund mit Absperrungen und Polizeiautos dafür, dass die Demonstranten mehrere Meter von der Strecke des Präsidenten Abstand halten mussten.[128]

»Während dieses ganzen Scheißbesuchs in Ottawa habe ich diese bescheuerten ›Demonstranten‹ verflucht«, schrieb er. »Die Security war aufgerüstet – total übertrieben aufgerüstet – wegen dieses blöden Dreckspacks.«

Am nächsten Tag, einem Freitag, trieb sich BremerBremer, Arthur zumeist in der Nähe des Parlaments herum und versuchte, bei den öffentlichen Auftritten dort in die Nähe Nixon, RichardBremer plant AnschlagNixons zu kommen. Oft fand er sich jedoch umringt von Demonstranten, die »Nixon go home« ins Megaphon brüllten. Ihnen stellten sich mehrere Reihen von Absperrungen und kanadischen Polizisten entgegen.

»Zu viel Krach«, schrieb BremerBremer, Arthur in sein Tagebuch. »NixonNixon, RichardBremer plant Anschlag würde nie im Leben zum Händeschütteln auf eine solche Menschenmenge zugehen – meine einzige Hoffnung war, dass er das irgendwann während dieses Besuchs tun würde.«

Einmal sah BremerBremer, Arthur Secret-Service-Leute mit Ferngläsern bewaffnet auf einem Hausdach, wie sie auf ihn und die auf Nixon wartende Menge herunterspähten.[129] »Ich winkte & sah direkt in die Richtung von einem von ihnen, um ihr ganzes Security-System lächerlich zu machen«, schrieb er.

BremerBremer, Arthur zählte insgesamt sechs Gelegenheiten in zwei Tagen auf, bei denen er NixonNixon, RichardBremer plant Anschlag sah, aber für einen Schussversuch nicht schnell genug oder zu weit weg war. »Du kannst Nixy-Boy nicht abknallen, wenn du nicht nah an ihn rankommst«, lamentierte er.

Er hatte die Arbeit des Secret Service als »sauber durchgeführte Operation« bewertet. Dennoch behielt er die Hoffnung, vielleicht doch eine Schwachstelle zu finden. »Ich brauche bloß eine kleine Lücke & eine Sekunde Zeit«, schrieb er, als er Ottawa verließ.

Bei seinen Reisen zu Wahlkampfveranstaltungen bemerkte BremerBremer, Arthur mit der Zeit, wie sehr sich die Sicherheitsvorkehrungen des Secret Service für den Präsidenten vom Aufwand für seine potenziellen Herausforderer wie George WallaceWallace, George oder George McGovernMcGovern, George unterschieden. Da sah er seine Chance: Die Agenten ließen die Öffentlichkeit viel näher an die anderen Kandidaten heran.

Bremer, Arthurversuchte AttentateWallace, GeorgeWallace, GeorgeAttentatBremer beschloss, sich auf Wallace zu konzentrieren, und Anfang Mai begann er eine Art Katz-und-Maus-Spiel mit dem Secret Service, der WallaceWallace, GeorgeBremer plant Anschlag begleitete. Bei einer ganzen Serie von Wallace-Auftritten in Michigan stand BremerBremer, Arthur in unmittelbarer Nähe der Personenschützer. Er kicherte in sich hinein, weil die nicht in der Lage waren, den Attentäter zu erkennen, der mitten unter ihnen stand, und er studierte ihre Verhaltensmuster, um die passende Gelegenheit zum Zuschlagen zu finden. »Diese Wachhunde vom Secret Service sind andere als die Truppe in Dearborn. Sie haben nicht den geringsten Verdacht«, schrieb er über einen Auftritt von WallaceWallace, GeorgeBremer plant Anschlag am 10. Mai in Cadillac, Michigan.

»Noch eine Sicherheitslücke«, schrieb er, als er keine Polizei sah, die ihn daran gehindert hätte, sich hinter Wallace’ Auto zu stellen.[130]

Bremer, ArthurWallace, GeorgeBremer plant Anschlagversuchte AttentateWallace, GeorgeWallace, GeorgeAttentatBremer wollte auf Wallace schießen, während dieser an ihm vorbeiging, bei einem Auftritt in Kalamazoo, Michigan, am 13. Mai. Er mag angenommen haben, dass die Glaswand zwischen ihm und dem Gouverneur vielleicht seinen Schuss vermasseln würde. Aber er schrieb seine Entscheidung, nicht zu schießen, seinem angeborenen Mitgefühl für zwei aufgeregte 15-jährige Mädchen zu, die sich vor ihn drängten, um näher an den Gouverneur heranzukommen.

»Sie drückten sich die Nasen platt an der Glasscheibe, die ich mit meinem Rundkopfgeschoss zertrümmert hätte.[131] Sicherlich würden sie dabei geblendet und entstellt werden. Ich ließ WallaceWallace, GeorgeBremer plant AnschlagWallace, GeorgeAttentatversuchte AttentateWallace, George davonkommen, bloß weil ich diese zwei dummen, unschuldigen Gören verschonen wollte«, schrieb BremerBremer, Arthur. »Wir trommelten gemeinsam gegen die Glasscheibe, in Richtung des Gouverneurs. Es werden noch andere Gelegenheiten kommen.«

Nach dem holprigen Start in der Gouverneursvilla am Morgen des 15. Mai landete das Ehepaar Wallace mit seiner Entourage kurz nach zwölf Uhr mittags auf dem Washington National Airport. Jimmy TaylorTaylor, Jimmy, der Leiter des für Wallace eingeteilten Personenschutzkommandos, führte das Paar zusammen mit seinem Agententeam durch das Page-Terminal zu einer aus vier Fahrzeugen bestehenden Wagenkolonne, die die ganze Gruppe in das 27 Kilometer weiter nördlich gelegene Wheaton bringen sollte.

Wallace, GeorgeWallace’ erster Termin an dem Tag war eine Rede unter freiem Himmel auf dem Parkplatz des örtlichen Einkaufszentrums. Eine Gruppe wütender Gegendemonstranten erwartete ihn dort bereits.

Beim Gang zur Bühne in Wheaton spürte Secret-Service-Agent Lawrence DominguezDominguez, Lawrence, ein muskulöser Mann aus El Paso, sofort die feindselige Atmosphäre.[132] Er erblickte klebrige Schlieren und Spuren von Eiern, die schon vor Wallace, GeorgeWallace’ Eintreffen gegen die Plattform der Bühne geflogen waren. Mehrere Dutzend Gegendemonstranten stimmten Anti-Wallace-Gesänge an und schwenkten Protestschilder, die auf Wallace, GeorgeWallace’ Altlasten als Verfechter der Rassentrennung verwiesen.

»Wallace Präsident, Hitler Vizepräsident«, hieß es auf einem davon. »Wir werden Selma niemals vergessen« auf einem anderen.

Als WallaceWallace, George kurz nach 13 Uhr die Bühne betrat, eröffnete er seine Rede mit der Äußerung von Bedenken wegen der Bemühungen der Bundesregierung, sich in Entscheidungen der Gemeinden einzumischen. Zwischenrufer im College-Alter, mit Schlaghosen und langen Haaren, versuchten sogleich, mit ihren Sprechchören den Kandidaten zu übertönen. »Bullshit! Bullshit! Bullshit! Bullshit!«, riefen sie im Chor.

»Euer Vokabular ist ziemlich beschränkt, wenn diese Schimpfworte alles sind, was euch einfällt«, gab Wallace zurück.

Bald darauf begannen einige der Demonstranten, zufällig gefundene Gegenstände in Richtung des Redners zu werfen – mit mehr oder weniger großer Präzision. DominguezDominguez, Lawrence stand rechts vorne an der Bühne, vor WallaceWallace, George und mit Blick auf die Menschenmenge, und beobachtete die ersten Mini-Wurfgeschosse mit Sorge. Dann warf jemand eine Orange, die Wallace’ Taille nur knapp verfehlte. Als Nächstes kam eine Tomate geflogen, und sie flog direkt auf den Kopf des Gouverneurs zu. Alabama State Trooper E.C. »Doc« DothardDothard, E.C. »Doc«, der 40-jährige Leiter des Sicherheitsteams für den Gouverneur in Alabama, der links vom Gouverneur postiert war, beugte sich vor WallaceWallace, George, um die Tomate mit der Hand abzuwehren.

»Ich könnte mir vorstellen, der Coach der Baltimore Orioles könnte hier fündig werden, wenn er einen Pitcher für sein Baseballteam sucht«, schäkerte WallaceWallace, George, untermalt von ein paar halbherzigen Lachern.[133]

Wallace hatte immerhin einen Trost. Er stand hinter einem nach drei Seiten mit Panzerglas gesicherten Rednerpult, das seine Agenten zu jedem seiner Auftritte mitbrachten. Aber mehrere Agenten, darunter auch den leitenden Agenten TaylorTaylor, Jimmy, trieb der gleiche grundsätzliche Gedanke um: Wir müssen den Gouverneur von hier wegschaffen.[134]

Das von WallaceWallace, George versprühte Gift der Rassentrennung hatte seine Personenschützer schon 1968 in helle Aufregung versetzt, und auch 1972 waren seine Agenten wieder äußerst nervös wegen der heftigen Emotionen, die Wallace auf dieser Shopping-Plaza in Wheaton, Maryland, noch zusätzlich anfachte.

Aber Bürgerrechte und Rassenfragen hatten nichts zu tun mit dem grinsenden jungen Mann, der bei so vielen Auftritten zugegen war und einen überdimensionalen Wallace-Button auf der Brust und einen Revolver in der Tasche trug.

In seinem clownesken Shirt in den Nationalfarben klatschte Arthur BremerBremer, Arthur heftiger Beifall als jeder andere Umstehende bei dem Auftritt in Wheaton. Er lachte, wenn kein anderer lachte. Die Menschen in seiner Nähe drehten sich sofort nach BremerBremer, Arthur um und wunderten sich über sein seltsames, verdächtiges Gebaren. Fred FarrarFarrar, Fred, ein örtlicher TV-Produzent, bemerkte BremersBremer, Arthur jokerhaftes Grinsen und dachte, er wirke irgendwie verwirrt – und zugleich vertraut. War ihm der Kerl nicht schon bei anderen Auftritten aufgefallen? »Dieser Typ ist irgendwie unheimlich«, dachte FarrarFarrar, Fred nach eigener Aussage, er hatte »ein Grinsen, dass es einem eiskalt den Rücken herunterlief«.

Farrar, FredFarrar dirigierte seinen Kameramann so, dass er ihn für einige Momente vor der Linse hatte, dann hörte er BremersBremer, Arthur Stimme.[135] »Könntet ihr GeorgeWallace, GeorgeBremer plant Anschlag dazu bringen, mal runterzukommen, damit ich ihm die Hand geben kann?«, fragte BremerBremer, Arthur einen Polizisten, als er hinter einem Absperrseil stand, mit dem der Service die Menge auf Abstand zur Bühne hielt. Der Polizist zuckte die Achseln. Bremer, ArthurBremer stellte einem Secret-Service-Agenten wenige Meter weiter die gleiche Frage, aber der Agent ging weg, ohne BremerBremer, Arthur zur Kenntnis zu nehmen.[136] Er passte nicht in das Profil, das der Secret Service im Auge hatte: Hippies, die Ärger machen, sehen anders aus.

TaylorTaylor, Jimmy stand mit dunkler Sonnenbrille und braunem Anzug auf der Bühne rechts hinter WallaceWallace, George und flüsterte dem Gouverneur ins Ohr, er solle zum Ende kommen, damit man von hier abziehen könne. WallaceWallace, George kürzte seine bei Wahlkampfauftritten sonst übliche Rede um 15 Minuten. Dann führte TaylorTaylor, Jimmy Wallace und dessen Gemahlin auf kürzestem Weg zu seinem blauen Kombi, eingerahmt von Agenten vor und hinter dem Kandidatenpaar. Nachdem das Team die Autotüren zugeschlagen und der Agent am Steuer auf die Hauptstraße eingebogen war, wandte sich TaylorTaylor, Jimmy vom Beifahrersitz zu WallaceWallace, George um.

»Ich denke, es ist besser, wenn wir die nächste Station ausfallen lassen, Gouverneur«, sagte der Leiter des Personenschutzkommandos zu Wallace.[137]

Aber WallaceWallace, George meinte, er mache sich keine großen Sorgen. Sie seien schon die ganze Zeit so auf Tour gewesen, sagte er, und er wolle seine Anhänger nicht enttäuschen. Der Kombi raste in Richtung des nächsten Wahlkampfauftritts: am Einkaufszentrum Laurel Plaza an der Route 1.

Die Wallace-Karawane traf um 14:15 Uhr in der im Kolonialstil gehaltenen Stadt in Maryland ein – lange vor dem für 15 Uhr geplanten Beginn des Auftritts. Das gab dem Gouverneur und seiner Frau etwas Zeit, um sich in Ruhe einen Hamburger zu genehmigen und in einem für ihn reservierten Zimmer im Howard Johnson’s Motel gleich an der Straße des Einkaufszentrums ein wenig die Füße hochzulegen.

Die für die Sicherheit in der Umgebung und die Beobachtung der Menschenmenge zuständigen Agenten trafen sich – gemeinsam mit einigen weiteren, die die Nachmittagsschicht ab 16 Uhr übernehmen sollten – zu einem schnellen Lunch im Hot Shoppes Restaurant an der Plaza des Einkaufszentrums. Dort ging Tom StephensStephens, Tom, ein Agent des Vorausteams, die Umrisse der Route durch, auf der WallaceWallace, George den Veranstaltungsort betreten und wieder verlassen sollte, und teilte die Agenten für ihre jeweiligen Aufgaben ein. Er ergänzte, alle sollten besonders auf Hippie-Hitzköpfe achten, die vielleicht versuchen würden, wieder eine ähnlich angespannte Lage heraufzubeschwören wie in Wheaton. Zur Sicherheit platzierte die örtliche Polizei auch noch einen Scharfschützen auf dem Dach des Einkaufszentrums.

Aber als die Wallace-Entourage in Laurel ihren Autos entstieg, traf sie auf ein gänzlich anderes Publikum. Bestens gelaunte Schaulustige. Eltern mit ihren Kindern. Es kam einem fast vor wie ein Sonntagsausflug der Kirchengemeinde, lediglich die Strohhüte und Anstecker mit der Aufschrift »Wallace for President« wiesen in eine etwas andere Richtung.

»Es war eine sehr ruhige Menge, eine sehr freundliche, friedliche Menge«, erinnerte sich Cornelia WallaceWallace, Cornelia. »Alles wirkte einfach nur richtig nett und angenehm.«[138]

Wallace, GeorgeWallace begann seine Rede mit Schimpftiraden gegen das Ausmaß der »Heuchelei in Washington, D.C., und ich rede von den Politikern«,[139] die Menge jubelte. Er drängte darauf, die Truppen aus Vietnam nach Hause zu holen. Noch mehr Jubel.

Bei der Rede des Gouverneurs taten sich jeweils zwei Agenten der Abteilung »Protective Intelligence« mit einem örtlichen Polizisten zusammen und mischten sich unter die Menschenmenge. Sie hatten die Aufgabe, verdächtige Aktivitäten oder aufkommenden Ärger im Auge zu behalten.[140] Einer der Agenten war der 28-jährige Ralph BashamBasham, Ralph, der erst seit zwei Jahren beim Service war.[141] Er sollte es später bis zum Direktor der Agentur bringen.

Während der Gouverneur seine Rede fortsetzte, trat einer der umherstreifenden Secret-Service-Agenten zu John DaveyDavey, John, einem Beamten der örtlichen Polizei von Prince George’s County, der in der Nähe der Seilabsperrung stand und die Menge unter Kontrolle zu halten half. »Behalten Sie den Kerl im Auge«, sagte der Agent ruhig.[142] Er zeigte auf einen jungen schwarzhaarigen Mann zur Linken von DaveyDavey, John. Dieser trug ein helloranges Trikothemd, ein grünes Jackett und Wallace-Buttons an der Kleidung. Der junge Mann hatte laut und deutlich »Yay Wallace!« gerufen.

Der Mann war Daniel CapizziCapizzi, Daniel, ein Student am Community College von Prince George’s County und glühender WallaceWallace, George-Anhänger.

Einige Schaulustige in der Menge hegten allerdings immer mehr Verdacht wegen des Verhaltens eines anderen Mannes: ein kleiner blonder, beinahe albinohaft aussehender Typ, der zufällig direkt neben CapizziCapizzi, Daniel stand.

Das war Arthur BremerBremer, Arthur.

CapizziCapizzi, Daniel wurde es etwas mulmig, als er den wilden Blick und das starre Grinsen in BremersBremer, Arthur Gesicht wahrnahm.[143] Bremer, ArthurBremer stieß ihn zudem immer wieder von der Seite an, was bei CapizziCapizzi, Daniel den Verdacht nährte, der junge Mann könnte vielleicht schwul sein und wollte sich an ihn heranmachen. Bremer, ArthurBremer sprach ihn nur ein einziges Mal an, wobei er ihm wieder einen leichten Schubs mit dem Ellbogen verpasste, und ihn animierte, der Country-Band auf der Bühne zu applaudieren.

Mike LandrumLandrum, Mike, Polizeibeamter bei der Prince George’s County Police, fiel BremerBremer, Arthur ebenfalls wegen dieses unheimlichen Grinsens auf.[144] Er fand es auch seltsam, wie dieser Mann rhythmisch vor- und zurückwippte, gleichsam wie in Trance. LandrumLandrum, Mike machte einen der Secret-Service-Agenten in der Nähe des Absperrseils ebenfalls auf BremerBremer, Arthur aufmerksam. Er war sich nicht sicher, wo der Agent als Nächstes hinging; er sah jedenfalls nie, dass der Agent auf BremerBremer, Arthur zugegangen wäre.

Wallace, GeorgeWallace näherte sich dem Ende seiner Rede und kritisierte nun die »sinnlosen und idiotischen« staatlichen Schulbustransfers, die die Kinder aus der Schulumgebung ihrer unmittelbaren Nachbarschaft herausrissen. »Ihr könnt ihnen eine Botschaft senden«, sagte WallaceWallace, George und brachte wie üblich seinen Wahlkampfslogan zum Abschluss des Auftritts an. »Gebt eure Stimme morgen George WallaceWallace, George!«

Die Menge klatschte und jubelte. WallaceWallace, George winkte vom Rednerpult herab und trat dann die vorderen Stufen der auf einem Anhänger aufgebauten provisorischen Bühne herab, ein Polizist vorneweg, TaylorTaylor, Jimmy und DothardDothard, E.C. »Doc« unmittelbar dahinter. Der Gouverneur gab der Wahlkampfhelferin Dora ThompsonThompson, Dora ein Bussi auf die Wange, als er unten vor der Bühne angekommen war, dann schrieb er für sie und ein paar andere Autogramme.[145]

Als Mann an der Front trat dann Agent Bill BreenBreen, Bill vom Sockel der Bühne nach vorne, um WallaceWallace, George in Empfang zu nehmen, sobald dieser die Stufen herunterkam, und ihn nach rechts zu seinem wartenden Auto zu geleiten.[146] Just als Wallace begann, sich hinter BreenBreen, Bill einzureihen, kamen Rufe aus der Menge hinter dem Absperrseil links von der Bühne. »Hey, George, hierher. Händeschütteln, Händeschütteln, Händeschütteln!«, rief BremerBremer, Arthur laut und vernehmlich.

Ein paar andere in der Menge schlossen sich an. »George, kommen Sie doch hier rüber«, war eine Frauenstimme zu vernehmen.[147]

»Ich denke, ich sollte hingehen und Hände schütteln«, raunte WallaceWallace, George TaylorTaylor, Jimmy zu. Er zog sein blaues Jackett aus und reichte es seinem Helfer Frank DanielDaniel, Frank.

»Gehen Sie da nicht hin, Gouverneur«, sagte TaylorTaylor, Jimmy.

»Ist schon okay«, meinte WallaceWallace, George.[148]

Der Personenschützer folgte der von Wallace vorgegebenen Richtung. Taylor, JimmyTaylor, ein schlaksiger Mann, fast einen Kopf größer als der Gouverneur, ging hinter Wallace in Richtung Absperrseil und platzierte sich unmittelbar zur Rechten von WallaceWallace, GeorgeAttentat, genau wie es jeder Leiter von Personenschutzteams schon hundertmal zuvor praktiziert hatte. Trooper DothardDothard, E.C. »Doc« tat dasselbe an Wallace’ linker Flanke. Weitere Agenten reihten sich links und rechts ein, andere schirmten WallaceWallace, GeorgeAttentat auch von hinten ab.[149]

Aber an dieser Absperrung in Laurel, Maryland, gab es in der üblichen Choreographie des Secret Service wieder einmal Abweichungen. Und das spontane Ändern der routinemäßigen Abläufe des Secret Service hatte noch nie etwas Gutes verheißen. Bei einer normalen Absperrung mit einem Seil hätte sich WallaceWallace, GeorgeAttentat beim Begrüßen der einzelnen Leute an der Absperrung immer weiter nach links bewegt und ihnen die rechte Hand gereicht. Agenten von beiden Seiten würden sich dabei im Gleichschritt mit ihm bewegen. Die Agenten ganz links würden die Menge genau im Blick behalten – vor allem ihr Verhalten allgemein und die Hände –, bevor der Gouverneur zu ihnen gelangte. An diesem Tag machte WallaceWallace, GeorgeAttentat jedoch ein paar Schritte nach rechts, offenbar, um sich mehr in Richtung seines Autos und zum Ausgang nach Abschluss der Veranstaltung zu bewegen.

Allerdings stand der Gruppe ein Hindernis im Weg. Taylor, JimmyTaylor erkannte das, nachdem er versucht hatte, einen Schritt nach vorne zu machen, tat dann ein paar Schritte nach rechts und stieß mit Agent Ralph PeppersPeppers, Ralph unmittelbar vor ihm zusammen. TaylorTaylor, Jimmy verlangte nach mehr Platz; PeppersPeppers, Ralph trat vom Absperrseil einen Schritt zurück. Dann sah TaylorTaylor, Jimmy, dass eine große Lautsprecheranlage im Weg stand. Der Gouverneur und sein Team wurden dort aufgehalten.

»Gouverneur, weiter geht’s nicht«, sagte TaylorTaylor, Jimmy.

In dieser kaum wahrnehmbaren Zeitspanne von drei oder vier Sekunden drängte sich der 1,68 Meter kleine BremerBremer, Arthur nach vorne an die Seilabsperrung durch Reihen größerer Schaulustiger und fand eine winzige Lücke im toten Winkel der Personenschützer.[150] BremerBremer, Arthur schob seinen linken Arm zwischen den Umstehenden hindurch, als wollte er WallaceWallace, GeorgeAttentat die Hand reichen.

Bremer, ArthurBremer gab mit seinem Revolver Kaliber 38 einen Schuss ab, hielt kurz inne und feuerte dann weitere vier Mal kurz nacheinander.

Bis auf eine trafen alle Kugeln den Gouverneur. Wallace, GeorgeAttentatWallace fiel rückwärts auf den schwarzen Schotterweg, ein blutgetränktes Loch war auf der Höhe des Brustbeins in seinem blauen Hemd zu erkennen, die Arme hatte er seitlich von sich gestreckt. Trooper DothardDothard, E.C. »Doc«, dessen rechter Arm dicht am linken Arm von WallaceWallace, GeorgeAttentat anlag, als die Schüsse fielen, sah, wie WallaceWallace, GeorgeAttentat nach hinten fiel, dann erkannte er, dass auch er selbst zu Boden stürzte. Eine Kugel hatte seinen Unterleib durchschlagen.

Agent Nick ZarvosZarvos, Nick drehte sich nach links hinten um, er hatte noch nicht bemerkt, was passiert war.[151] Er griff sich ans Kinn und begann, Blut zu spucken.

TaylorTaylor, Jimmy und Agent James MitchellMitchell, James sahen beide die gesichtslose Hand mit der Waffe und stürzten sich auf den Körper dahinter. MitchellMitchell, James landete auf BremerBremer, Arthur, die Knie in dessen Rücken, er verlor in dem Gerangel einen Schuh. Agent PeppersPeppers, Ralph fixierte BremersBremer, Arthur Kopf, seitwärts auf den Boden gedrückt. Er und MitchellMitchell, James mussten am Ende BremerBremer, Arthur schützen, während ein paar Leute aus der Menge brüllten: »Schnappt ihn euch! Tötet ihn! Tötet ihn!«

Cornelia WallaceWallace, Cornelia hatte in dem Moment gerade mit Wahlkampfhelfern gesprochen und eilte zu ihrem Mann. Sie fiel auf die Knie und warf sich schützend auf seinen Oberkörper, breitete sich regelrecht über ihm aus.

»Ich glaubte, sie würden noch mal auf ihn schießen. Deshalb sprang ich auf ihn, versuchte, seinen Kopf und sein Herz und die lebenswichtigen Organe zu schützen, seine Lungen. Und es war sonst einfach niemand da um ihn herum. Das heißt, der Bodyguard aus Alabama hatte selbst einen Schuss abbekommen, war außer Gefecht und lag am Boden. Der Secret-Service-Agent unmittelbar vor Ort – die zwei hatten die Aufgabe, seinen Körper abzuschirmen – war in den Kiefer getroffen worden und spuckte, er spuckte Blut«, erinnerte sich Cornelia WallaceWallace, Cornelia in einem Dokumentarfilm von PBS. »Ich sagte die ganze Zeit: ›George, ich bringe dich nach Hause. Ich bringe dich nach Hause. Und jetzt gehen wir nach Hause.‹«[152]

Der Wahlkampfmanager von George Wallace hatte sich einst damit gebrüstet, CorneliasWallace, Cornelia fotogene Erscheinung, ihr tolles Aussehen und ihre energische Persönlichkeit würden dazu beitragen, ihren Ehemann bis ins Weiße Haus zu tragen. Er gelobte, sie zur »Jackie KennedyKennedy, Jacqueline »Jackie« der Rednecks« zu machen, und dieser Kosename erschien ihr sehr verlockend. An jenem heißen Montagnachmittag, als sie auf jenem Parkplatz in Laurel auf Knien den Körper ihres Mannes abzuschirmen versuchte, erhielt der Vergleich mit Jackie KennedyKennedy, Jacqueline »Jackie« eine ganz und gar makabre Note.

Blut quoll aus dem Einschussloch im Bauch von George WallaceWallace, GeorgeAttentat, und ein immer größer werdender, feuchter brauner Kreis zeichnete sich auf seinem Hemd ab. Kleinere Blutspritzer wurden dort sichtbar, wo die Kugeln seinen Arm getroffen hatten. Wallace, CorneliaCornelia hatte den Körper ihres Mannes in den Sekunden nach dem Sturz voll bedeckt. Als die Agenten des Secret Service und die Polizisten sie hochzogen, damit ein Arzt den Gouverneur versorgen konnte, zeichneten sich Tropfen vom Blut ihres Mannes auf dem Saum ihres gelben Kleids ab.[153]

Secret Service

Подняться наверх