Читать книгу Marisol und Nando - Carola Käpernick - Страница 10
Über dies und das
ОглавлениеNando ließ Revue passieren, was er Neues von Marisol erfahren hatte. In den letzten Wochen hatten sie sich mehrfach getroffen und sich bestens unterhalten. Die Themen waren aber allgemein geblieben und aus ihrem Leben wusste Nando noch nicht so viel. Das Essen war ihm total gut gelungen und die Gespräche wurden persönlicher.
Marisol stammte also aus Bielefeld, der Stadt die es gar nicht gab, angeblich. Diese Verschwörungsgeschichte kannte Nando natürlich, aber sie von einer echten Bielefelderin noch mal präsentiert zu bekommen, hatte etwas Besonderes. Sie haben viel gelacht, als Mari berichtete, wie die Bielefelder mit dem Mythos umgingen. Nämlich jeder anders. Sie selbst hatte sich einen Straßennamen ausgedacht, den es in Bielefeld gar nicht gab und gab dies als Adresse an, wenn sie keine Lust hatte, Jemanden noch einmal zu treffen oder Post von dem zu bekommen. Wenn die Briefe zurückkamen, stand immer drauf: Adresse unbekannt. Dann stellte sie sich vor, wie die Leute dachten: Bielefeld gibt es ja tatsächlich nicht.
Über ihre Familie hatte Mari wenig erzählt. Sie meinte, das sei alles sehr kompliziert und würde die Stimmung kippen. Er hatte nur erfahren, dass sie zwei jüngere Geschwister hatte. Dafür berichtete sie witzig charmant über ihre Hobbys. Sie las sehr gerne, was Nando natürlich begrüßte, denn auch er war ein absoluter Bücherfreund und schnell fanden sie heraus, dass sie Thriller und Krimis mochten. Marisol las auch gerne Cosy Crime in Verbindung mit historischen Hintergründen. Bisher hatte er da noch keine Erfahrungen gemacht. Ein Buch, über das sie geschwärmt hatte, fand er jedoch sehr vielversprechend und nahm sich vor, da mal reinzulesen. Spannender fand er aber noch, dass sie sich für Ahnenforschung interessierte. Sie meinte, das läge wohl darin begründet, dass sie aufgrund ihres Jobs sehr viel mit Vererbung zu tun hatte. Alle Fragen in der Anamnese bezogen sich immer auch auf Vorfahren und viele Menschen kannten ihre Ahnen gar nicht. Man musste ja nicht gleich bis ins Mittelalter zurückgehen, aber zu wissen, ob die Großeltern Diabetes hatten oder es Verwandte mit Krebserkrankungen gab, war sicher nicht zu viel verlangt. Andererseits hatte sie selbst ja auch nicht die besten familiären Voraussetzungen, um viel über ihre genetischen Veranlagungen, speziell was Erbkrankheiten anging, zu wissen.
Als Nando nachgefragt hatte, wie weit sie denn in ihrem Stammbaum zurückgehen konnte, war er beeindruckt. Mütterlicherseits wusste sie zumindest noch die Namen von Vorfahren. So lebten um 1800 herum eine Großmutter mit einigen Ur-betitelungen mütterlicherseits, die den Namen Minna trug und mit einem Freiburger Drucker namens Theodor Lederle verheiratet war. Er hatte daraufhin gescherzt, dass Minna wahrscheinlich auch in ein Bächle gefallen war und der mutige Theodor sie gerettet und daraufhin gefreit hatte. Marisol besaß sogar originale Unterlagen aus der Zeit und wusste, dass Minna aus Österreich stammte. Geboren war sie in Salzburg, lebte aber später wohl in Wien. Es gab Briefe von ihr an eine Freundin in Salzburg, der sie anvertraut hatte, dass sie wegen einer unglücklichen Liebe fortgegangen war. Noch hatte Mari nicht alle Dokumente lesen können. Die alte Schrift sei sehr schwierig zu entziffern und einige Briefe hatten Flecken und die Tinte war verlaufen. Kein Wunder, wenn die Dokumente so alt waren. Nando fand es total spannend. Er hatte sich noch nie Gedanken darüber gemacht, wer wohl seine Vorfahren waren. Die Großeltern hatte er noch kennengelernt, keine Frage. Und die haben natürlich von ihren Eltern erzählt. Aber im Grunde kannte er nicht einmal mehr als deren Vornamen und die hatten wohl etwa 100 Jahre später gelebt als Minna und Theodor aus Maris Linie.
Eine sehr brennende Frage kam leider nicht zur Sprache. Natürlich interessierte es Nando am meisten, ob Marisol eine Beziehung hatte oder wie frühere Beziehungen für sie waren. Er selbst hatte nur zwei ernsthafte Liebesbeziehungen gehabt, die nur kurz andauerten. Seiner Meinung nach lag der Grund darin, dass er selbst zu schüchtern war. Meist war ihm schnell klar, wenn er etwas für ein Mädel empfand. Aber er konnte es nicht deutlich genug zeigen. In seiner Schwärmerei idealisierte er die Frau dann und wenn es dann endlich doch zu einer Beziehung kam, war er enttäuscht, weil seine Ideale nicht einmal annähernd vorhanden waren. Die längere der Beziehungen dauerte etwa anderthalb Jahre, aber auch nur weil Nando es nicht geschafft hatte, sie zu beenden. Denn eigentlich war er schon nach wenigen Wochen desillusioniert, wollte aber Sabrina nicht enttäuschen, zumal sie ihm gestanden hatte, dass sie ähnlich lange für ihn geschwärmt hatte, wie er für sie.
Mit Marisol würde er es so gern besser machen. Denn er empfand schon jetzt sehr viel für sie. Aber er konnte halt auch nicht aus seiner Haut und die Schüchternheit von heut auf morgen ablegen.
Mari hatte den ersten Abend noch gut in Erinnerung und bestand darauf, dass Nando auch von sich erzählte. Er selbst meinte, da gäbe es gar nicht viel zu erzählen. Seine Hobbys waren ebenfalls Lesen und er ging gerne in die Natur und fotografierte. Seine Familie war klein, Geschwister hatte er keine. Die Großeltern vonseiten der Mutter waren bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen, als er noch recht klein war. Trotzdem hatte er noch ein paar Erinnerungen an seine Oma Hiltrud und den Opa Helmfried. Die Mutter Margarethe war in Freiburg geboren und hatte Sozialpädagogik studiert. Bei einem Workshop zum Thema „Kreativtechniken“ lernte sie seinen Vater kennen, der damals in Mainz bereits promoviert hatte und als Dozent arbeitete. Als er beruflich in Freiburg zu tun hatte, verabredete er sich mit seiner Mutter und fiel just ins Bächle, woraufhin Margarethe ihm direkt androhte, ihn heiraten zu müssen. Damit begann ihre Liebesgeschichte und sie wollten die Beziehung aus der Ferne nicht lange fortführen. Als an der Freiburger Universität eine Habilitantenstelle frei wurde, bewarb er sich und wurde angenommen. Er zog nach Freiburg und habilitierte hier. Zu seiner Familie gab es nicht so einen engen Kontakt. Seine Eltern mochten Nandos Mutter nicht. Wahrscheinlich warfen sie ihr vor, dass sie nicht nach Mainz gezogen war. Jedenfalls lebten seine Eltern jetzt in Südafrika, wo der Vater eine leitende Funktion am Goetheinstitut hatte und die Mutter als Vermittlerin von Austauschschülern und -studenten arbeitete.
Über Bücher sprachen sie sehr lange. Sie hatten viele Bücher beide gelesen und stellten bald fest, dass sie sich bei Lesestoffbedarf in den Regalen des jeweils anderen bedienen und ziemlich sicher sein konnten, dass sie etwas Gutes fanden. Beide hatten die Angewohnheit, Bücher die sie nicht gut fanden, sofort weiterzugeben und die, die sie mochten, aufzubewahren.
Als ihnen bewusst wurde, wie spät es geworden war, hatten die Straßenbahnen ihre Fahrten für die Nacht auf größere Abstände ausgeweitet. Mari war eigentlich zu müde, so lange zu warten, bis die Nächste fuhr und wollte sich ein Taxi rufen. Aber der zentrale Taxiruf war laufend besetzt. Sie fragte Nando, ob sie nicht auf dem Sofa schlafen konnte und er stimmte zu. Die erste gemeinsame Nacht in einer Wohnung. Immerhin etwas, das Hoffnung gab, auch irgendwann einmal zusammen in einem Bett einzuschlafen.