Читать книгу Marisol und Nando - Carola Käpernick - Страница 7
Nandos erster Urlaubstag
ОглавлениеNando wachte ebenfalls etwas zerknittert auf. Er konnte im Sommer nur schlecht schlafen: Seine Dachgeschosswohnung war einfach zu heiß. Doch mit dem ersten Gedanken an Marisol, die kleine Sonne, waren Müdigkeit und Zerknirschtheit wie weggefegt. „Urlaub!“, kam es ihm in den Sinn. Es war schon Juni und ihm standen noch fast drei Wochen Urlaub aus dem letzten Jahr zu. Sein Chef Henk hatte ihn quasi gezwungen, den endlich zu nehmen. Eigentlich war das ja sogar nett, weil er arbeitsrechtlich gar nicht dazu verpflichtet war, den noch zu gewähren oder gar auszuzahlen. Denn dass sich Nandos Urlaub sammelte, lag nicht an zu viel Arbeit oder Krankenstand. Was sollte er mit Urlaub anfangen? Er reiste nicht so gerne allein und wenn, dann, nach Südafrika zu seinen Eltern. Das reichte ihm einmal im Jahr. Nun war er also zwangsbeurlaubt und dachte an Marisol. Er wusste, dass sie Frühdienst hatte und vermutlich kaum auf ihr Handy schauen würde. Trotzdem schrieb er eine WhatsApp:
„Guten Morgen! Komm gut durch den Tag!“ Fast hätte er auch noch gefragt, ob sie sich sehen sollten. Aber er traute sich nicht. Es kam auch bis mittags keine Antwort. Wahrscheinlich schaute sie tatsächlich im Dienst nicht auf ihr Handy oder es war sogar von Klinikseite aus verboten.
Eine ausgiebige Dusche weckte ihn vollends und er schaltete seine Kaffeemaschine ein. Gut, dass er Mick von der Clique am Holzmarkt Bescheid gegeben hatte, dass er im Urlaub war. Nicht, dass die Jungs und Mädel dort umsonst auf ihren Kaffee warteten.
Für Marisol hieß es Feierabend. Sie dachte sich, dass sie sich am besten von innen kühlte und setzte sich in ein Eiscafé auf dem Rathausplatz. Sie liebte es, hier zu sitzen und die Leute zu beobachten. Mit den paar Semestern Psychologie, die sie studiert hatte, konnte sie der Haltung entnehmen, wie die Menschen sich fühlten, die an ihr vorbei kamen. Also nicht im Detail, aber in etwa. Und wenn Jemand eilig über den Platz hastete, fragte sie sich, warum er wohl zu spät dran sei oder wo er so dringend hinmüsse.
Der gestrige Abend war lang und sie war froh, dass sie gestern keinen Alkohol getrunken hatte. Dann wäre sie heute sicher noch schlechter aus dem Bett gekommen. Als ihr Eiscafé kam, bezahlte sie gleich. So gerne sie sonst hier saß, aber heute konnte sie nicht lange hierbleiben, das sagte ihr der schmerzende Rücken.
Gerade als sie sich zurücklehnte und kurz die Sonne genießen wollte, nahm sie aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahr. Nando steuerte direkt auf ihren Tisch zu und fragte, ob er Platz nehmen dürfe. Mari war hin und her gerissen zwischen der Freude über das Wiedersehen und dem Wunsch, sich bäuchlings auf eine Wiese zu legen, um den Rücken zu entlasten.
„Wie geht es dir? Merkst du noch was von deinem Sturz?“ Nando klang ehrlich besorgt.
„Mehr als gestern, wenn ich ehrlich sein soll. Mir tut alles weh, als wenn ich in einem Zementmischer herumgewirbelt wurde.“
„Interessant, dass du weißt, wie sich das anfühlt.“
„Ja, mein Bruder hat das mal mit mir gemacht. Und wirklich, es fühlte sich hinterher so an, wie jetzt.“
„Du könntest versuchen, das Mädchen ausfindig zu machen.“
Mari winkte ab. „Ehrlich, ich kann doch einer Zehnjährigen nicht zur Last legen, dass ich nicht aufpasse.“
„Nun, ganz so war es ja nicht. Und die Frage ist ja auch die, ob ein Kind die Gefahr einschätzen kann, die von dem Hund ausgeht.“
„Der Hund war ungefährlich. Die Gefahr sind die Bächle. Erst blaue Flecken und dann vielleicht bald verheiratet.“ Mari lachte und Nando stimmte ein.
„Das ist vielleicht nicht von der Hand zu weisen. In der Familie Belz war es schon immer so, dass einer der Ehepartner aus Freiburg war und der oder die andere aus einem Bächle geangelt wurde.“
„Ok, und wer ist die Familie Belz?“
„Meine Familie, seit 3 Generationen können wir bestätigen, dass die Legende wahr ist. Und keine der Ehen wurde geschieden. Darauf sind meine Eltern besonders stolz. Die Ur- und -großeltern leben leider nicht mehr.“
Nando schlürfte den Rest seiner Eisschokolade geräuschvoll aus dem Glas. „Wollen wir an die Dreisam gehen? Dort können wir ein Stück laufen oder uns ins Gras legen.“
„Gute Idee!“ Marisol war dankbar für den Vorschlag, denn sie wribbelte schon eine Weile unruhig auf dem Stuhl herum.