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Essen bei Nando

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Marisol hatte ganz schön lange überlegt, was sie Nando mitbringen konnte. Sie war zum Essen bei ihm zu Hause eingeladen und war gespannt auf seine Wohnung und auf seine Kochkünste. Er hatte nicht verraten, was es gab und darauf bestanden, dass sie weder ein Dessert noch Getränke mitbrachte. Auf der HNO Station auf der Mari arbeitete, war der letzte Schrei dieses Sommers, eine selbstkühlende Matte, auf die man sich setzen oder legen konnte. Im Ikea wurde sie fündig und kaufte zwei. Nando hatte mehr als einmal darüber gejammert, dass seine Wohnung im Sommer einfach zu warm war. Vermutlich wusste er nicht, dass es so etwas gab. Sonst hätte er das doch bestimmt erwähnt. Eine der neu erstandenen Kühlmatten verpackte sie hübsch, die andere legte sie in die Badewanne und wusch sie erst einmal gründlich. Dann machte sie sich gut gelaunt auf den Weg.

Schon unten im Hausflur roch es köstlich nach Knoblauch. Nun gab es genug Menschen, die Knoblauchgerüche nicht unbedingt bejubelten, aber Mari liebte Knoblauch. Eigentlich hatten ihre Patienten ziemliches Glück, dass sie oft nicht so gut riechen konnten, wenn sie bei ihr auf der Hals-Nasen-Ohren Station lagen. Sie roch wahrscheinlich jeden Tag nach Knobi.

Dachgeschoss, hatte Nando gesagt. Die Treppen nach ganz oben waren doch ganz schön anstrengend bei dieser Hitze und je höher sie stieg, desto hitziger wurde es im muffigen Treppenhaus.

Nando stand in einer wunderschönen alten Holztür und lächelte sie an. Mari gab noch einmal alles, um halbwegs würdevoll die letzten Stufen zu erklimmen. Am liebsten würde sie das Mitbringsel selbst auspacken und sich drauflegen. Doch die Blöße wollte sie sich natürlich nicht geben. Sie überreichte ihr Geschenk und taumelte in den Flur.

Ein großes Filmplakat hing in einem schlichten silbernen Holzrahmen an einer dunkelgrau gestrichenen Wand. Clown Ferdinand, Marisol kannte ihn nicht. Nando, der ihrem Blick gefolgt war, erklärte ihr, dass dies ein tschechischer Schauspieler war, von dem seine Mutter so schwärmte, dass er mehr oder weniger sogar sein Namensgeber sei. Gegen Ferdinand hatte sich Nandos Vater glücklicherweise erfolgreich gewehrt. Und mit der Abwandlung konnten dann alle gut leben.

„Dein Name bedeutet der Kühne.“ Nando nickte und schmunzelte. Hatte sie also auch seine Namensbedeutung gegoogelt.

„Und deiner, Marie – kleine Sonne.“

„Auch.“

„Ist dir die christliche Bedeutung lieber?“

„Nein. Aber ich finde es schön, dass mein Name mehrere Bedeutungen hat, die voneinander abweichen. Nicht so Synonyme wie bei deinem Namen.“

„Du wärst mit Sicherheit eine gern gesehene Gesprächspartnerin bei meinem Vater, dem Germanisten.“

„Hoffentlich nicht nur bei ihm.“

Nando errötete ob seiner unbedachten Worte und bat Marisol herein. Er hatte den Tisch auf dem Balkon gedeckt, zeigte ihr aber erst einmal die Wohnung. Sie gefiel Mari und sie war überrascht, dass sich doch nicht mehr so viele Überbleibsel von den Eltern drin befanden, wie sie vermutet hatte, nachdem sie das Filmplakat gesehen hatte. Während sie noch die Küche bestaunte, in der sich Geräte fanden, für deren Bedienung sie vermutlich ein dreiwöchiges Einweisungsseminar bräuchte, hörte sie Nando ausrufen: „Was es nicht alles gibt. Das ist ja total genial. Dankeschön!“ Ehe ihm bewusst wurde, was er tat, nahm er Mari in den Arm und drückte sie an sich. Sie freute sich, dass ihr die Überraschung gelungen war und erkundigte sich, ob er noch Hilfe mit dem Essen brauche. Nando deutete dies als Zeichen, dass ihr die Umarmung zu viel war und ging zum Herd. Er rührte hektisch in einem Topf herum und rief nach hinten: „Nein. Es ist gleich fertig. Was magst du denn trinken?“ Mit der Hoffnung, dass die aufgestiegene Röte aus seinem Gesicht verschwunden war, wendete er sich Marisol wieder zu.

„Was hast du denn da?“

„Wasser, Bionade, Kaffee, Tee, Sekt, Wein, Bier.“

„Na Wasser klingt doch gut. Dann nehme ich erst einmal das. Und später gerne ein Glas Wein.“

„Perfekt. Ich habe zu dem Hauptgang einen leichten Weißwein aus Oberbergen kaltgestellt. Aber es ist auch roter da.“

„Ich glaube, für Rotwein ist es mir zu warm. Der macht mich wahrscheinlich sofort müde und ich schlafe beim Sprechen ein.“

Nando befüllte eine Karaffe mit Eiswürfeln, Minzeblättern und Wasser und hielt sie hoch. Marisol antwortete mit einem erhobenen Daumen. „Kommunikation kann so einfach sein.“, dachte sich Nando.

Mari nutzte die verbleibende Zeit bis zum Essen, um die Aussicht von Nandos Balkon zu genießen. Die Treppen hier hinauf war er wahrscheinlich besser gewohnt. Aber für so eine tolle Wohnung und diese Aussicht, würde sie die auch in Kauf nehmen, selbst wenn sie dann immer hechelnd oben ankam. Hinter ihr klapperten Teller. Sie drehte sich um und war geflasht. Ihr Gastgeber muss ein echtes Küchentalent sein. Der Salatteller war angerichtet wie von einem Profi. In der Mitte thronte eine große rote Blüte mit gelben Farbstichen, die wie ein Feuer leuchtete. „Wow!“, entfuhr es ihr anerkennend. Und beim Essen gleich noch mehrmals, denn der Salat schmeckte wahrlich so toll, wie er aussah.

„Das setzt mich etwas unter Druck, wenn ich an eine Gegeneinladung denke.“, gestand Marisol lachend.

„Das muss es nicht! Wirklich. Ich bin gar nicht anspruchsvoll. Mir macht das halt einfach Spaß und natürlich wollte ich ja auch ein wenig Eindruck schinden.“

„Das ist dir gelungen.“

„Na dann kann ich ja ab jetzt nachlassen.“

„Ich bin mir sicher, dass ich trotzdem immer noch überwältigt sein werde. Was gibt es denn noch?“

„Als Hauptgang habe ich uns Käsespätzle gemacht. Ein regionales Essen. Bisher ist mir ja noch gar nicht bekannt, ob du überhaupt Fleisch und Fisch isst. Ich muss gestehen, ich hab alternativ eine Gemüsesuppe, die sogar vegan wäre.“

„Wahnsinn. Und total lieb von Dir, dich auf alle Eventualitäten einzustellen. In mir findest du eine Mensaverdorbene Allesverwerterin. Ich esse, was auf den Tisch kommt und es gibt nur wenig, was mir nicht schmeckt. Schärfe von Chili vertrage ich nicht gut, mag sie aber durchaus.“

„Oh, das ist eine Freude für einen Hobbykoch wie mich. Da kann ich mich ja richtig austoben.“

„Das klingt nach einer erneuten Einladung.“

„Hoffentlich nicht nur nach einer.“ Nando zwinkerte Mari zu und nutzte den Moment, um die leer gegessenen Salatteller in die Küche zu bringen. Er kam mit Käsespätzle zurück und stellte einen dampfenden Teller vor Mari ab, den anderen auf seinem Platz. Dann holte er den Weißwein und hielt seinem Gast das Etikett hin. Marisol nickte. Sie war nicht wirklich eine Weinkennerin, trank auch nur selten Alkohol. Nach dem ersten Schluck schaute sie interessiert noch einmal aufs Etikett. Die Sorte musste sie sich merken. Oberbergener Bassgeige, ein frischer grauer Burgunder, der die Schwere des gehaltvollen Essens, etwas abmilderte.

„Ich dachte, von der Bassgeige gibt es nur Rotwein.“, gab Marisol ihre önologische Wissenslücke ungeniert zu.

„Es gibt alle Sorten und sogar einen Sekt. Selbst der DFB Präsident hat dort wohl Reben. Jedenfalls verkauft er auch Weine mit dem klangvollen Namen der Bassgeige.“

„Wie kommt es denn zu dem Namen?“

„Die spezielle Gegend im Kaiserstuhl ist Namensgeberin. Sehr schön dort. Wenn du magst, können wir dort mal wandern gehen. Es ist nicht sonderlich anstrengend. Die Anfahrt dort hinauf ist zwar ziemlich steil, aber durch die Reben sind die Wege dann gemäßigter und im Wald kann man Rundwege laufen.“

„Wirke ich so unsportlich?“

„Nein. Natürlich nicht. Entschuldige, so was das gar nicht gemeint. Man, ich bin aber auch ein Trampel der Wortwahl heute.“

„Scherz, ich hab durchaus Humor. Wandern klingt gut. Überhaupt mal etwas mit Bewegung, was nicht mit dem Entlangeilen auf langen Klinikfluren zu tun hat. Lass uns das echt im Auge behalten. Und hinterher lade ich dich zum Essen ein. Vielleicht gibt es eine nette Hütte dort. Wie nennt ihr das noch?“

„Strauße. Ja die hat es dort. Das klingt gut.“

„Die Spätzle sind übrigens auch der Oberhammer. Ich weiß gar nicht, ob ich schon mal so leckere Käsespätzle hatte und ich hab sogar schon mal im Schwäbischen gelebt.“

„Gibt es denn eine Gegend, in der du noch nicht gelebt hast? Du kommst viel rum durch dein Studium oder?“

„Ich hatte echtes Glück, dass ich direkt nach dem Abitur anfangen konnte, Medizin zu studieren. Und jetzt nehme ich halt alle Praxisangebote, die ich kriegen kann, weil ich schnell fertig werden will.“

„Und wo stammst du ursprünglich her?“

„Aus Bielefeld.“

„Dann war Freiburg nur ein Zufall?“

„Nicht ganz. Ich hatte zwei Angebote. Eines für München und eines für Freiburg. Beides renommierte Häuser – Universitätskliniken. Gegen München sprach, dass das Leben dort noch teurer ist als hier. Und für Freiburg außerdem der süße Slang, der hier gesprochen wird. Da komme ich einfach besser drauf klar, als auf Bayrisch.“

„Tolle Argumente für die Annahme eines Jobangebotes. Schön, dass uns der Zufall zusammengebracht hat.“ Nando erhob sein Glas und sie stießen an. Ein lauter Piepton erklang und der Gastgeber sprang auf. „Das Eis ist fertig.“

„Du hast Eis selbst gemacht?“

„Ja. Das mache ich immer. Ich hoffe Mango-Joghurt ist deine Sorte.“

„Total! Ich liebe Mango.“

Der Abend war rundherum gelungen. Das Essen lecker, das Gespräch locker. Jedenfalls meistens. Für Nando war es ziemlich blöd, dass er so schüchtern war und immerzu Angst hatte, was falsches zu sagen. Er mochte Marisol, wusste aber nicht, wie sie über ihre Bekanntschaft dachte. Daher witterte er die Gefahr, mit einem unbedachten Wort, alles im Keim zu ersticken und kam sich vor wie ein elfjähriger, der nicht genau weiß, ob er den Zettel mit dem berühmten Satz: Willst du mit mir gehen? Ja, Nein, Vielleicht? Tatsächlich abgeben sollte oder nicht.

Marisol und Nando

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