Читать книгу Das Blutsiegel von Isfadah - Carola Schierz - Страница 10

Arko

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„Wacht auf, Herr!“ Wie durch dichten Nebel drang Kamirs Stimme an Arkos Ohr. Mühsam öffnete er die schweren Lider und blickte dem Jungen direkt in die schwarzbraunen Augen. Dieser hatte sich dicht über den noch immer fiebernden Gefangenen gebeugt und sah ihn besorgt an. „Mein Herr schickt mich. Prinz Farid möchte, dass ich mich um Euch kümmere.“

„Ach, hat er Sorge, dass er mich nicht gesund aufs Schafott zerren kann?“, fragte Arko voller Häme.

Der Junge gab ihm darauf keine Antwort, sondern machte sich daran, ihn zu entkleiden und zu waschen. Arko war es gleich und er ließ ihn gewähren. Nachdem er in sauberen Kleidern steckte und sein Lager neu hergerichtet war, machte sich Kamir daran, ihm Löffel für Löffel eines schleimigen Breis aufzuzwingen. Als Arko drohte, ihm das Zeug ins Gesicht zu spucken, wenn er auch nur noch einen Bissen davon zu sich nehmen müsse, sah dieser ihn verzweifelt an. „Der Medikus ist der Meinung, dass Euch der Brei wieder zu Kräften bringt und mein Herr macht mich dafür verantwortlich, wenn Ihr ihn nicht esst.“

Arko entging der ängstliche Unterton in Kamirs Stimme nicht und ihm tat der Junge leid. Ihm war mehr als einmal aufgefallen, dass der Bursche als Prellbock für gelegentliche Missstimmungen Farids herhalten musste. Immer wenn er den Freund dann darauf angesprochen hatte, lachte dieser nur und sagte: „Ach, er wird es überleben. Schließlich soll eines Tages ein echter Mann und guter Soldat aus ihm werden. Da ist es besser, wenn er sich schon früh daran gewöhnt, dass das Leben kein Zuckerwerk ist.“

Widerwillig öffnete Arko den Mund, bis auch der letzte Löffel geschafft war. „Sage dem Pfuscher von Medikus einen Gruß von mir. Wenn er mir das Zeug noch einmal aufzwingen lässt, werde ich ihn persönlich umbringen, sobald ich meine Kräfte zurückhabe.“ Mehr zu sich selbst fügte er leise hinzu: „Dann habe ich wenigstens wirklich einen Mord begangen und weiß, wofür ich meinen Kopf verliere.“

Doch im Moment sah es nicht danach aus, als würde der Brei seinen Körper stärken. Er fühlte sich so elend wie zuvor. Trotzdem zwang er sich zu einem Lächeln und dankte dem Jungen für seine Hilfe, bevor der sich mit einer kurzen Verbeugung zurückzog.

Nachdem er eine ganze Weile geschlafen hatte, glaubte Arko, eine leichte Verbesserung seines Zustandes festzustellen, doch noch bevor er sich näher damit auseinandersetzen konnte, traten zwei Soldaten in sein Zelt und legten ihm wieder Fesseln an.

„Oh, sind meine erleichterten Haftumstände schon wieder vorüber?“, fragte er ironisch.

„Wir sind abmarschbereit! Der Kerker wartet. Dort habt Ihr es sicher kuschelig genug, bis man Euch den Prozess macht“, antwortete ihm der Ältere der beiden herablassend.

Arko nahm es hin und ließ sich von ihnen zu seiner braunen Stute bringen, die ihm, angebunden an ein anderes Pferd, mit gespitzten Ohren entgegensah. Man half ihm beim Aufsteigen und machte seine Fesseln am Sattel fest. Arko hatte keine Ahnung, wie er den langen Ritt nach Isfadah durchhalten sollte, aber es blieb ihm keine andere Wahl, als es zu versuchen. Während er sich umsah, wurde ihm bewusst, dass er zu den Letzten gehörte, die sich in den Sattel hievten. Ein paar Meter entfernt legte man eben Prinz Farid auf eine Trage, die nun in einem Planwagen verstaut wurde. Kurz trafen sich ihre Blicke, doch Arko konnte in den Augen des alten Freundes nichts ablesen, was ihn in irgendeiner Weise weitergebracht hätte. Er musste Geduld haben, so schwer es ihm auch fiel. Bei einem fairen Prozess musste schließlich ans Licht kommen, dass er unschuldig war. Und so wie es den Anschein hatte, würde ihm zumindest dieser gewährt werden.

Nach den Gesetzen des Landes würde der Thron an Farid gehen. Sollte Ismee einem Sohn das Leben schenken, dann wäre er trotzdem bis zu dessen Mündigkeit Regent. Arko zweifelte nicht daran, dass er ein guter Herrscher sein und das Reich in Ammons Sinne regieren würde. Er hatte immer in den wesentlichen Dingen mit seinem Bruder übereingestimmt. Arko würde bis zum letzten Atemzug seine Unschuld beteuern. Es war schlimm genug, dass die Umstände ihm die Chance nahmen, den Verlust seines Vetters gebührend zu betrauern. Er würde nicht zulassen, dass man ihm diesen schändlichen Mord anlastete. Erneut ließ er den Blick schweifen, um in den Gesichtern der Männer, die bis vor Kurzem noch zu ihm aufgesehen hatten, lesen zu können. Doch die einen sahen sofort weg, wenn sie sich seiner Aufmerksamkeit bewusst wurden, und die anderen schauten unverhohlen feindselig zurück. Daraus konnte er erneut nur eines schließen: Man war sich im Allgemeinen darüber einig, dass er schuldig war. Wieder stiegen Unruhe und auch Angst in ihm hoch. Er zwang sich gewaltsam dazu, diese Gefühle zu unterdrücken.

Der Tross setzte sich in Bewegung und bald verfiel auch seine Stute in einen gemächlichen Trab. Vor sich sah er den Rücken eines der Männer, die ihn aus dem Zelt geholt hatten. Der andere ritt hinter ihm. 'Scheinbar meine neue Leibwache', dachte er resigniert. Irgendwann übermannte ihn die Schwäche und er sank vornüber auf den Hals seines Pferdes. Scheinbar endlose Zeit über verweilte er so, ohne einzuschlafen, denn das ständige Kitzeln der Mähne an seiner Nase hielt ihn davon ab. Doch schließlich musste es ihn doch übermannt haben, denn er entkam nur knapp einem Sturz, als ihn einer seiner Wächter zurief, er solle gefälligst zu sich kommen und aufpassen. Mit schmerzenden verspannten Gliedern richtete er sich auf und sah sich um. Er erkannte die Landschaft wieder und stellte überrascht fest, dass sie schon ein gutes Stück Weg hinter sich gebracht hatten. Im selben Moment wurde zur Rast gerufen und der Tross kam zum Stehen. Alle saßen ab und versorgten zunächst ihre Pferde, bevor sie sich um ihre Belange kümmerten. Auch ihn hatte man vom Pferd geholt und unter Bewachung an einen Baum gefesselt. Die Feuchtigkeit des Bodens drang langsam durch seine Beinkleider und ließ ihn wieder frösteln. Ein starker Hustenanfall machte Arko deutlich, dass er weit davon entfernt war, seinen Zustand als besser zu bezeichnen. Das Stechen zwischen seinen Schulterblättern ließ nichts Gutes vermuten. 'Hol‘s der Teufel!', dachte er.

Plötzlich trat Kamir an seine Seite und hielt ihm ein Fläschchen vor die Nase. „Hier, trinkt einen Schluck davon! Es ist eine starke Medizin, die Eure Beschwerden etwas lindern sollte.“ Als Arko zögerte, fügte er hinzu: „Vertraut mir, ich will Euch nichts Übles.“

'Hol‘s der Teufel!', dachte Arko erneut und ließ sich die Flasche an die Lippen halten. Das Zeug schmeckte widerlich, aber tatsächlich bemerkte er kurze Zeit später, dass es ihm etwas leichter um die Brust wurde.

Nach etwa einer Stunde ging es weiter. In ein paar Tagen sollten sie in Isfadah eintreffen. Dann würde das passieren, wovor er sich nicht weniger fürchtete als vor einem negativen Urteil: Er musste Ismee gegenübertreten.

Es würde ihm das Herz brechen, wenn auch sie nicht an ihn glaubte und in ihm den Mörder ihres geliebten Mannes sah.

Das Blutsiegel von Isfadah

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