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Finea

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Finea hatte das Gefühl gehabt, es wäre eine Ewigkeit vergangen, bis sich endlich die Tür öffnete und Sina eintrat. „Endlich! Den Göttern sei Dank“, stieß sie erleichtert aus.

Eilig legte die Großpriesterin ihren Umhang ab und trat an das Bett der Gebärenden. Die Königin sah besorgniserregend blass aus und dicke Schweißperlen standen auf ihrer Stirn. Sie war nicht ansprechbar. Besorgt überprüfte Sina Ismees Puls und tastete ihren Leib ab.

„Es liegt verkehrt herum“, bestätigte sie Finea, was diese schon geahnt hatte. Eilig begab sich die Großpriesterin zur Tür und gab den Dienern Anweisung, dass sie bis auf Weiteres keine Störung wünschten, es sei denn, sie würden nach Hilfe verlangen. Dann kehrte sie rasch an die Bettstatt zurück. Mit geübten Griffen versuchte sie, das Kind zu drehen. Zunächst von außen, doch als das nichts nützte, machte sie sich daran, das Laken zurückzuschlagen.

„Halt sie fest! Ich werde diesem Kind lebend auf die Welt helfen, koste es was es wolle“, sagte Sina entschlossen, bevor sie zur Tat schritt. Ein langer gellender Schrei entfuhr der eben noch besinnungslosen Königin, als die Großpriesterin ihr die Hand weit in den Leib schob. Inzwischen rann auch ihr der Schweiß in dicken Rinnsalen die Stirn hinunter. Unter voller Konzentration und unter Aufwendung all ihrer Kräfte gelang es Sina schließlich, das Kind in die richtige Position zu schieben. Nun war es an der Königin, den nicht unerheblichen Rest zu erledigen. Doch die schien sich wieder in ihre Bewusstlosigkeit gerettet zu haben.

„Hol mir bitte das Riechsalz! Schnell!“ Finea gab ihr das Gewünschte und so gelang es ihnen, Ismee wieder aufzuwecken.

„Majestät, Ihr müsst jetzt mitarbeiten, sonst hat Euer Kind keine Chance zu überleben. Und Ihr seid ebenfalls in Gefahr!“

Ismee nickte fast unmerklich und mobilisierte ihre buchstäblich letzten Kräfte. Die Presswehen waren heftig und halfen ihr dabei, das Kind in diese Welt zu befördern. Mit einem letzten markerschütternden Schrei bäumte sich Ismee auf und das Neugeborene glitt aus ihrem Leib. Sie selbst bekam davon allerdings nichts mehr mit, denn eine neue Welle der Bewusstlosigkeit riss sie mit sich fort. Mit geübten Handgriffen nabelte Sina das Kleine ab und wickelte es in großer Eile in weiche Tücher.

„Kümmere dich um die Nachgeburt!“, wies sie die verwunderte Finea jetzt an.

Diese tat, wie ihr geheißen. „Was ist es denn? Und ist es gesund?“

Doch Sina gab ihr keine Antwort, sondern nahm sich eine Kerze vom Tisch und schwenkte sie vor einem der Fenster. Dann sah sie Finea eindringlich an. „Hör zu, du musst mir jetzt vertrauen! Ich erkläre dir später alles.“ Mit einem kontrollierenden Blick auf die geschwächte Mutter trat sie, das Kind auf dem Arm, dicht an Finea heran und flüsterte ihr zu: „Alles was jetzt geschieht, darf niemand außer uns beiden erfahren. Es geht um das Leben des Thronfolgers und die Zukunft dieses Landes.“

Sie legte das Kind, einen rosigen Knaben, am Fußende des Bettes ab und machte sich nun daran, der Königin die Kette abzunehmen, die ihr Ammon einst zur Hochzeit geschenkt hatte. Der Anhänger hatte die Form zweier sich überschneidender Kreise. Ein Zeichen für ihre untrennbare Verbindung.

„Wo ist das Betäubungsmittel?“, fragte Sina jetzt kurz angebunden.

Finea reichte ihr das Gewünschte.

Im Gegenzug gab Sina ihr den Anhänger. „Lege ihn ins Feuer!“, befahl sie. Dann betäubte sie das Neugeborene mit ein paar Tropfen des Mittels auf einem Tuch, das sie ihm über Nase und Mund legte. „Schnell! Gib mir den Anhänger! Die Betäubung wird nicht ewig vorhalten.“

„Oh mein Gott, was habt Ihr vor?“, fragte Finea entsetzt.

„Tu, was ich dir sage!“, fuhr ihre Meisterin sie an. Dann nahm sie das glühende Metall und presste es, zum Entsetzen ihrer Schülerin, auf die Innenseite des kleinen Kindschenkels. Einem zischenden Geräusch folgte der üble Geruch von verbranntem Fleisch. Zum Glück schien die Betäubung zu wirken, denn der Kleine verzog nur kurz das Mündchen.

„Die Schmerzsalbe, schnell!“, kam nun die nächste Anweisung.

Auch dieser kam Finea unverzüglich nach. Sorgfältig bestrich Sina die Wunde des Babys und verband sie mit einem sauberen Tuch. Dann griff sie nach dem Korb, den sie bei ihrer Ankunft dabeigehabt hatte. An dessen Henkel befestigte sie eilig ein Seil, legte das noch immer schlafende Kind hinein und ging zu dem Fenster, an dem sie zuvor die Kerze geschwenkt hatte. Nachdem der Knabe sorgfältig zugedeckt war, öffnete sie es und blickte kurz hinaus. Sie gab jemandem, der für Finea unsichtbar blieb, ein Zeichen und ließ den Korb hinab. Wenig später holte sie ihn wieder hinauf. Darin lag ebenfalls ein Neugeborenes, das sie jetzt neben die Königin bettete. Danach schloss sie das Fenster und rang sichtbar um Ruhe.

Finea stand schon geraume Zeit mit offenem Mund da und beobachtete fassungslos das Geschehen. „Was habt Ihr getan?“, entfuhr es ihr.

Doch Sina gebot ihr mit einer eindeutigen Handbewegung zu schweigen. „Ich schwöre, es ist für alle zum Besten! Niemand darf wissen, dass Ismee einem Sohn das Leben geschenkt hat! Nicht einmal sie selbst. - Hast du das verstanden?“

Finea nickte mit gefurchter Stirn und Sina nahm es dankbar zur Kenntnis. „Gut! Ich werde dir so bald wie möglich alles erklären. Aber nicht hier.“ Sie wischte sich den Schweiß vom Gesicht. „So, nun lass uns die Dienerschaft rufen, damit sie uns dabei helfen, die Königin zu waschen und ihr Lager neu herzurichten!“ Sina kehrte zu ihrer alten Verfassung zurück. Sie strich sich das Haar aus der Stirn und ging zur Tür.

Etwas später lag Ismee erfrischt, und schon nicht mehr ganz so bleich, in den sauberen Kissen und betrachtete müde lächelnd 'ihre' Tochter.

„Ein wunderschönes, gesundes Mädchen, Eure Hoheit!“, gratulierte Sina.

„Ja, das ist sie“, flüsterte Ismee. „Auch wenn ich Ammon gern einen Sohn geschenkt hätte, der sein Erbe antreten könnte ...“, fügte sie bitter hinzu. „Ich werde sie Lina nennen.“ Zärtlich strich sie der Kleinen über die rosigen Wangen und gab ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann verließen sie ihre Kräfte wieder. Schon bald waren ihr die Augen zugefallen und am gleichmäßigen Heben und Senken des Brustkorbes erkannten die Wächterinnen, dass Ismee schlief.

„Ich werde jetzt aufbrechen und zum Tempel zurückkehren. Du bleibst so lange hier, bis die Königin das Bett dauerhaft verlassen kann“, gab Sina der Jüngeren ihre letzte Anweisung für heute. Sie trat auf die junge Wächterin zu, nahm sie in ihre Arme und flüsterte. „Keine Sorge, wir haben nichts Unrechtes getan. Eines Tages wird sie die Wahrheit erfahren und unser Handeln verstehen. Das verspreche ich dir. Schlaf jetzt etwas!“ Mit diesen Worten ließ sie die völlig aufgewühlte Finea allein zurück.

Die ging zum Bett und nahm das Kind auf ihren Arm. Zärtlich streichelte sie es und trug es zu seiner Wiege, die man vor einiger Zeit hier aufgestellt hatte. Eine Weile noch sah sie dem kleinen Mädchen beim Schlafen zu. Nach einem prüfenden Blick auf die Königin begab sie sich zu dem Sessel, der in einer Ecke des Raumes stand, und ließ sich darin nieder.

Das Blutsiegel von Isfadah

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