Читать книгу Das Blutsiegel von Isfadah - Carola Schierz - Страница 8

Arko

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Die Stunden vergingen in quälender Langsamkeit. Man gab ihm weder zu essen noch zu trinken und er fühlte sich schwach und krank. Die Nacht war kalt gewesen. Dieser Umstand, gepaart mit seinen nassen Sachen, hatte dazu geführt, dass Arko fieberte und inzwischen auch stark husten musste. Dazu kam, dass seine verbrühte Haut wahnsinnig schmerzte und sich an einigen Stellen Blasen gebildet hatten, die sich jetzt öffneten und schnell infizieren konnten.

Als er Kamir, Farids Knappen, in der Nähe sah, wie dieser die Stiefel seines Herren putzte, gab er ihm unauffällig zu verstehen, dass er mit ihm reden musste. Zögernd und sich vorsichtig umschauend näherte sich der etwa fünfzehnjährige Junge Arkos Gefängnis. Jedoch nur so weit, dass er ihn verstehen konnte.

„Was wollt Ihr? Es ist verboten mit Euch zu sprechen“, flüsterte er ängstlich.

„Sag mir, wie es deinem Herren geht! Wird er es schaffen?“, fragte Arko besorgt. Als der Junge zögerte, fügte er eindringlich hinzu: „Ich schwöre dir bei Gott, dass ich nichts mit der Sache zu tun habe! Egal was für Beweise sie zu haben glauben.“

Kamir schien einen inneren Kampf auszufechten, aber dann gab er ihm doch eine Antwort.

„Er hat die Nacht überlebt. Der Medikus glaubt, dass er den Tod damit besiegt hat.“

Arko atmete auf. Wenigstens eine gute Nachricht!

Ein Stück entfernt wurden die Wachen aufmerksam. „He, Bursche, was geht da vor sich? Du weißt wie der Befehl lautet. Scher dich weg da, sonst setzt es was!“ Zur Untermalung seiner Drohung hielt er eine Reitgerte in die Höhe. Ohne ein weiteres Wort machte sich der Junge aus dem Staub und ließ Arko mit seinen Fragen allein.

Im Laufe des Tages verschlechterte sich sein Zustand rapide. Der Husten machte sich schmerzhaft in seiner Brust breit und das Fieber trieb ihm den Schweiß aus den Poren. Irgendwann wurde seinen Bewachern klar, dass etwas nicht stimmte. Wie durch eine Wand hindurch drang eine Unterhaltung in Arkos Bewusstsein.

„Sieh ihn dir an! Der sieht aus, als würde er nicht mehr lange machen. Wenn wir nicht aufpassen, stirbt er uns weg, bevor er in Isfadah vor Gericht steht.“

„Soll er doch verrecken!“, meinte eine andere Stimme. „Ich heule diesem feigen Mörder keine Träne nach.“

„Das mag sein“, erwiderte der erste Redner, „aber ich glaube nicht, dass das im Sinne des Prinzen und der Königin wäre. Am Ende zieht man uns zur Verantwortung.“

„Dann lass ihn halt was trinken. Vielleicht hat er nur Durst.“

Arko spürte wie man ihm Wasser einflößte und schluckte gierig. Jedoch linderte es nur die Trockenheit in seinem Hals und würde nicht das Fieber senken, welches ständig zu steigen schien. Willenlos gab er sich seinem Dämmerzustand hin.

Etwas später wurde er rüde wachgerüttelt. „Prinz Farid will dich sehen. Bewege deinen Hintern! Und keine Sperenzchen!“, warnte einer der Wächter und hielt ihm drohend ein Messer entgegen, während er den Käfig öffnete.

„Wovor hast du Angst? Dass ich dir an die Kehle springe und mich in deinen Hals verbeiße? Da kann ich dich beruhigen. Der ist mir entschieden zu dreckig“, sagte Arko beinahe amüsiert. Das brachte ihm einen derben Stoß in die Rippen ein, der ihn wegen seines geschwächten Zustands beinahe von den Füßen riss.

'So ist der Lauf des Lebens' , dachte er. 'Noch vor zwei Tagen hätte der Kerl sich geehrt gefühlt, wenn ich ihm auch nur zugeprostet hätte, jetzt behandelt er mich wie Schweinedreck.'

Mühsam schlurfte er, seinen Bewacher im Rücken, zu Farids Zelt. In ihm wuchs die Hoffnung, dass sich jetzt alles aufklären würde und er schon morgen diesen Kerl wieder in seine Schranken weisen könnte. Doch noch saß der andere am längeren Hebel und zwang ihn vor Farids Krankenlager auf die Knie.

„Was ist mit ihm passiert?“, hörte er Ammons Halbbruder fragen und blickte auf. Im Gesicht des alten Freundes stand deutlich dessen Abscheu und Unglaube geschrieben. „Ihr solltet ihn bewachen und nicht umbringen!“, herrschte Farid den Wachmann an. „Er ist ein hochrangiger Adliger und ihm steht eine faire Behandlung zu.“

Er sah Arko jetzt direkt in die Augen und plötzlich trat der Ausdruck von Zorn in das ungewöhnlich blasse Gesicht. „Auch, wenn er diese feige Tat begangen hat ...“

Bei seinen letzten Worten verflüchtigte sich Arkos Hoffnung auf eine Erlösung von diesem Albtraum. Farid schien diesen absurden Vorwurf, er wäre der Mörder des Königs und beinahe auch der seine, nicht entkräften zu wollen.

Von einem Schwächeanfall geplagt, ließ sich der verletzte Prinz in die Kissen zurücksinken.

Arko nutzte dessen Schweigen und richtete das Wort an ihn. „Farid, was soll das? Du weißt genau, dass ich Ammons Zelt als Erster verlassen habe. Ich bin kein Mörder. Ich habe Ammon geliebt! Das weißt du. Genau wie ich dich liebe! Warum in Gottes Namen sollte ich so etwas Unglaubliches tun?“

Noch bevor Farid sich äußern konnte, vernahm Arko ein Räuspern aus einem nur schwach beleuchteten Winkel des Zeltes. König Halan trat ins Licht. „Diese Frage kann ich Euch beantworten. Ihr gestattet?“, fragte er mit einem Blick zu Farid, der traurig nickte. „Unser Medikus hat den Leichnam des Königs untersucht. Dieser wies, genau wie Prinz Farid, die gleiche Wunde auf. Die eines Zweizacks, so wie ihn meine Krieger verwenden.“

Arko war kurz davor, sich darüber zu freuen, dass er jetzt entlastet würde, doch etwas im Tonfall des Königs hielt ihn davon ab.

„Die Beweise sprechen eindeutig dafür, dass Ihr der Täter wart. Euer Plan war gut, doch wie es scheint, wart Ihr zu besoffen, um ihn fehlerfrei zu Ende zubringen.“

„Was redet Ihr da? Ich würde niemals ...“

Mit einer Handbewegung brachte Halan ihn zum Schweigen. „Euer Plan sah wie folgt aus: Ihr habt Euch die Waffe eines meiner Männer beschafft. Damit wolltet ihr Ammon und Farid gleichzeitig aus dem Weg schaffen, da Ihr so, als Vetter des Königs, der nächste Thronanwärter wäret. Natürlich nur, sofern Ismee keinen Jungen zur Welt bringt. Doch auch dann wäret ihr bis zu dessen Mündigkeit, als Vormund, der Regent des Landes. Und bis dahin hätte dem Jungen viel passieren können ... Euer Problem war, dass Ihr Euch zu viel Mut angesoffen habt. So wart ihr nicht in der Lage festzustellen, dass Farid noch am Leben war, geschweige denn, die Spuren zu verwischen. Anderenfalls wäre der Verdacht auf uns gefallen.“

Arko traute seinen Ohren kaum. Sein ungläubiger Blick suchte den Farids. Was er darin sah war keineswegs beruhigend. Doch noch wollte er nicht aufgeben. „Farid, sag ihnen endlich, dass das alles Unsinn ist. Wer immer das getan hat, ich war es nicht!“

Farid schüttelte nur langsam den Kopf. „Arko, wie konntest du nur? Bei allem, was wir gemeinsam erlebt und geteilt haben?“

„Farid!“ Arko sprang auf und wollte sich ihm nähern, wurde jedoch erneut brutal auf die Knie gezwungen.

„Lass es, Arko! Ich habe dich gesehen. Ich habe gesehen, wie du Ammon getötet hast. Und ich habe gespürt und gesehen, wie du denselben Zweizack in meinen Leib getrieben hast. Also hör auf mit deinen Lügen! Es wird dir nichts nützen. Nur im Gedenken an unsere langjährige Freundschaft bin ich bereit, dir einen offiziellen Prozess zu ermöglichen. Doch eines ist sicher: Am Ende wirst du für deine Taten büßen.“ Farid, den das Reden deutlich angestrengt hatte, schloss seine Augen. „Bringt ihn fort und macht alles für unsere Abreise fertig!“

Arko ließ sich willenlos zu seinem Käfig zurückbringen. Das alles hatte ihn noch mehr verwirrt, als er zuvor schon war. Was in Dreiteufelsnamen ging hier vor sich? Begann er verrückt zu werden? War er schlafgewandelt und hatte dabei die Anschläge auf seine besten Freunde begangen? Aber wie war er an diese Waffe gekommen? Das alles ergab keinen Sinn. Angestrengt dachte er darüber nach, ob ihn vielleicht jemand in König Halans Auftrag unter Rauschmittel gesetzt haben könnte und er sich deshalb an nichts mehr erinnerte. Doch zu einem derartigen Komplott hätte man ihm mit Sicherheit keine so verräterische Waffe untergeschoben. Auch das ergab keinen Sinn, egal wie man es drehte. Oder gehörte das auch zum Plan, um glaubhafter zu machen, dass Arko wiederum Halan die Schuld in die Schuhe schieben wollte? Wer auch immer dahinter steckte, er hatte ganze Arbeit geleistet.

Sich nähernde Schritte rissen ihn aus seinen Gedanken. „Danke Gott dafür, dass der Prinz so gnädig ist! Auf seinen Befehl hin sollst du bis zur Abreise in dein Zelt gebracht werden. In Ketten zwar, aber immerhin ist es dort deutlich bequemer.“ Eher widerwillig half man dem stark geschwächten, fiebernden Arko aus dem Käfig und schubste ihn in Richtung seines Zeltes. Ringsum herrschte reges Treiben. Alle waren damit beschäftigt, einzupacken.

„He, hat einer von euch den Vogelkäfig aufgelassen? Es fehlt ein Botenrabe“, rief jemand.

„Keine Ahnung“, antwortete ein anderer mürrisch. „Vielleicht hat ihn jemand gebraten. Wäre kein Wunder bei dem Fraß hier.“ Die umstehenden lachten beifällig. Alles schien wie immer zu sein, doch in Wirklichkeit war nichts mehr so wie noch vor ein paar Tagen.

Als sie das Zelt betraten, legte man Arko schwere Fußfesseln an und ließ ihn auf sein Lager legen. Zumindest das war eine Wohltat für seinen geplagten Leib.

'Die Ketten hätten sie sich sparen können', dachte er bitter. 'Ich wäre niemals in der Lage, allein zu fliehen.'

Schon das Ändern seiner Liegeposition brachte ihn an seine Leistungsgrenzen. Der Husten, der sich eingestellt hatte, wurde auch nicht besser.

'Wenn ich Glück habe, verrecke ich, bevor sie mir vor den Augen ganz Isfadahs den Kopf abhacken', dachte er resigniert.

Wenn ihm nicht sogar eine brutalere Hinrichtung drohen würde ...

Das Blutsiegel von Isfadah

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