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Dienstag, 31. Juli 2018

Kairo

Auf der Polizeistation ging es zu wie auf einem überfüllten Flughafenterminal.

Eigentlich hätte Kommissar Kamal-ad-din längst Feierabend gehabt, aber es war ihm wichtig, vor Ort zu sein, wenn viel los war. Er war schließlich der Chef und er hatte es ungern, wenn er nicht über sämtliche Geschehnisse informiert war. An Tagen wie heute war es dringend vonnöten, sich ständig einen Überblick über die Ereignisse zu verschaffen.

Heute herrschte ein Höllenlärm, der Raum war überfüllt mit Prostituierten, Betrunkenen und Männern in zerlumpten Kleidern und es roch nach Schweiß, Urin und Alkohol. In einer Ecke saß ein dunkelhäutiger Junge mit großen braunen Augen und Stupsnase, die dunklen Haare wirr zerzaust. Ein Polizist schleifte einen Betrunkenen herein, der sich im Eingang übergab.

»Wenn ihr meine Mädchen verhaftet, dann gebt es wenigstens zu. Es sind alles Legale«, tobte ein bulliger Typ, der mit dem weißen offenen Hemd und den Goldketten die perfekte Karikatur eines Zuhälters war.

»Sie sind nicht hier, deine Nutten. Wie oft soll ich es dir denn noch sagen. Geh auf ein anderes Revier und frag dort.« Yasin ad-Tawil schien kurz vor dem Ausrasten. Kommissar Kamal-ad-din war mit ein paar Schritten bei ihm, packte den Zuhälter an der Schulter und sagte drohend: »Lass uns jetzt in Ruhe mit deinen Nutten. Sie werden die Nase voll gehabt haben von dir ...«

»Sie haben es gut bei mir!«, brüllte der Bullige und befreite seine Schulter mit einer groben Bewegung aus dem Griff des Kommissars.

»... sagte der Schakal, als er die Ente fraß«, ergänzte der Kommissar. »Also raus jetzt. Du stiehlst uns unsere Zeit. Wir können uns nicht um jede Nutte kümmern, die abhaut.«

Laut fluchend verließ der Mann das Revier.

Kommissar Kamal-ad-din sah sich um und sein Blick fiel auf den Jungen. Er mochte etwa elf Jahre alt sein und diese Umgebung war definitiv nicht der richtige Platz für ihn. Aber das war dem Kommissar egal. Seiner Erfahrung nach brachten diese Slumkinder manchmal interessante Geschichten mit. Er konnte noch ein paar Erfolge für seinen Aufstieg brauchen. Und wenn sich die Angelegenheit des Jungen als nicht erfolgversprechend erwies, konnte er die Geschichte ja schnell abhaken.

Er bahnte sich den Weg hinüber zu dem Jungen.

»So, wer bist denn du?«. Seine Stimme schwang drohend durch den Raum.

»Mo«, sagte der Junge schüchtern.

»Was möchtest du denn hier, Mo?« Der Kommissar bemühte sich, seiner Stimme einen freundlichen Ton zu verleihen, was ähnlich anmutete, als würde ein Bullterrier versuchen, zu singen.

Der Junge setzte sich aufrecht hin und sah den Kommissar an. »Ich wollte sagen, dass ich weiß, wer Mama Neilah getötet hat.«

Oh nein. Wer um Gottes Willen soll denn Mama Neilah sein?, schoß es Kommissar Kamal-ad-din durch den Kopf. Er hatte überhaupt keine Lust auf gedankliche Puzzlespiele. »Wer ist Mama Neilah und wie heißt der, der das getan hat?«, versuchte er auf den Punkt zu kommen.

»Sie war meine Mutter und wie der Mann heißt, das weiß ich nicht.«

»Dann weißt du, wo wir ihn finden?«

»Nein!« Der Junge schüttelte den Kopf. »Deshalb bin ich ja da. Ihr sollt ihn doch suchen.« – »Aber ich weiß, wie er aussieht«, fügte er dann noch schnell hinzu.

»Jetzt sag mir doch mal zuerst, wo du wohnst und wer auf dich aufpasst.«

»Ich wohne bei Mama Neilah.«

»Und seit wann ist sie tot?«

»Sie ist ...« Die Augen des Jungen liefen über und er schluchzte »... ge ... gestern Abend«.

Der Kommissar war genervt. Das Gespräch dauerte ihm schon viel zu lange.

»Dann bist du jetzt alleine?«

Mo nickte und wischte sich mit dem Handrücken die Tränen aus dem Gesicht.

»Und wer passt auf dich auf?«

»Ich kann alleine auf mich aufpassen«, schniefte der Junge.

»Hast du gesehen, wie der Mann deine Mama Neilah getötet hat?«

Mo schüttelte den Kopf. »Aber ich weiß sicher, dass es der Mann war.«

Der Kommissar stellte fest, dass es eine völlig uninteressante Geschichte für ihn war. Der Tod irgendeiner Slumfrau, und ein Täter, der von einem Kind verdächtigt wurde, damit konnte er keine Ehre beim Ministerium einlegen.

Er winkte Yasin ad-Tawil zu. Es war ein Fall für ihn. Der kannte sich mit Straßenkindern aus. »Yasin! Kümmere dich um den hier!«, rief er dem Kollegen zu. Yasin kannte das richtige Kinderheim und würde den Jungen dorthin schleppen. Es gab einen kleinen Obolus für die Polizei, denn diese Kinder konnten gut verkauft werden. Es vermisste sie sowieso keiner. »Er braucht eine Unterkunft«, fügte er hämisch hinzu und ergänzte in Gedanken: ... und ich kann endlich nach Hause gehen.

MEMORIAM - Auch deine Stunde schlägt

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