Читать книгу MEMORIAM - Auch deine Stunde schlägt - Caroline Stein - Страница 17
ОглавлениеMallorca, Palma
Der sanfte Wind, der vom Meer her kam, ließ die grünen Blätter der Platanen auf dem Passeig del Borne im Wind rauschen und brachte wenigstens ein klein wenig Erfrischung in die drückende Hitze des Tages. Es herrschte trotz der hochsommerlichen Temperaturen ein reges Treiben. Unzählige Touristen schoben sich durch die engen Gassen der Altstadt, drängten sich auf den Plätzen und ließen die Cafés und Restaurants aus allen Nähten platzen.
Sophies Flip Flops klapperten wie die Kastagnetten der spanischen Tänzerinnen, als sie die Treppen der Costa de la Seu hinuntersprang. Die Sonne stand im Zenit und Sophie stellte fest, dass sie wieder einmal zu spät kommen würde. Aber das tat ihrer guten Stimmung keinen Abbruch. Pünktlichkeit war außerhalb der Arbeit so gar nicht ihre Stärke. Sie war unter der Woche immer an Zeitvorgaben gebunden und wehrte sich dagegen, diesen Druck mit in die Freizeit zu nehmen. Jetzt hatte sie bis Mittwoch Urlaub und Ramon war die drei Tage bei ihr in Palma.
Entspannt ließ sie sich durch die Straße treiben und genoss den Augenblick, denn sie liebte diese heißen Sommertage, an denen die Luft über den Dächern von Palma flimmerte und die Menschen durch die Stadt flanierten, sommergelaunt und mit Eistüten in der Hand. Mit jedem Atemzug sog sie es in sich auf, das pulsierende Leben: Pärchen, die Selfies am Brunnen de la Reina machten, Motorräder, die am Passeig del Borne vorbeiknatterten, lachende junge Mädchen zwischen alten Mallorquinern, deren wettergegerbte Haut von einem Leben vor dem Tourismus erzählte, einem harten Leben in dem sie als Fischer aufs Meer gefahren oder unter der glühenden Sonne Mallorcas ihre Äcker bestellt hatten und als Freizeit bedeutete, am Sonntag vor dem Haus zusammenzusitzen und sich Geschichten zu erzählen. Die Zeitspanne fühlte sich an wie eine Ewigkeit und war doch nur weniger als 50 Jahre. Sophie faszinierten diese Kontraste und die vielen Geschichten, die sich mit den unzähligen Menschen durch die sonnenheiße Stadt bewegten.
Vor dem C’an Joan de S’Aigo hielt sie einen Moment inne und sog tief die Luft ein. Dieses Treffen mit dem Professor Mateo Ramirez lag Sophie schon die ganze Zeit im Magen. Sie hatte nicht die geringste Lust verspürt, einem wildfremden Menschen von dem Traum zu erzählen, den sie vor sechs Jahren in einer Art Trance gehabt hatte, aber nachdem sie zugestimmt hatte, konnte sie jetzt keinen Rückzieher mehr machen. Zudem hatte Ramon extra deshalb zwei Tage frei genommen und war für ein verlängertes Wochenende nach Palma gekommen.
Sie gab sich einen Ruck und betrat das Café.
Wie immer beherrschten im C’an Joan das anmutige Klappern von Geschirr, das ausgelassene Lachen und Plaudern der vielen Mallorquiner und der Duft von frischen Ensaimadas und Kaffee den Raum, der einen sofort um hundert Jahre in die Vergangenheit versetzte, wenn man ihn betrat.
Sophie entdeckte Ramon und den Professor an der Rückwand unter dem großen Rahmen mit dem stimmungsvollen Gemälde von La Fortratada. Sie steuerte den roten Marmortisch an und nickte Juan, dem Ober, im Vorbeigehen zu.
»Encantada«, begrüßte sie den Professor, bevor sie sich auf einen der Samtsessel fallen ließ. Sie hatte sich den Mann viel älter vorgestellt und eher so, wie einen englischen Butler. Aber er wirkte trotz seiner strengen Miene lässig, und so fiel ihr der Smalltalk, mit dem sie sich an das eigentliche Thema herantasteten, leicht. Bald war aber an den kürzer werdenden Antworten des Professors spürbar, dass er danach fieberte, auf das eigentliche Thema des Treffens zu kommen, und deshalb war sie nicht überrascht, als er sich nach wenigen Minuten zu ihr vorbeugte und zum Punkt kam.
»Ihr Freund sagte mir, dass Sie einen Traum hatten, der sich später als reales Geschehen der Vergangenheit herausgestellt hat.«
Sophie nickte.
»Erzählen Sie mir davon.«
Sophie neigte den Kopf ein wenig zur Seite, wie immer, wenn sie überlegte. »Sie beschäftigen sich mit der genetischen Erklärung für diesen Traum, den ich hatte?«, stellte sie dann die Gegenfrage.
Mateo überlegte einen Moment, was er der jungen Frau preisgeben konnte. Er wollte so viel wie möglich von ihr erfahren, aber ohne das Wesentliche von seiner Forschung zu offenbaren. »Ich bin dabei, wissenschaftliche Erklärungen für dieses Phänomen zu finden«, begann er und wog bedächtig jedes Wort ab. »Allerdings habe ich bisher nur Probanten gehabt, die solche Träume während einer Hypnose hatten. Und das war anscheinend bei Ihnen nicht der Fall.«
Sophie schüttelte den Kopf. »Nein, wir glauben, dass der Traum durch den Tee aus einer alten afrikanischen Wurzel ausgelöst wurde.« Sie sah zu Ramon und ein leichtes Lächeln huschte über ihre Lippen. »Ich habe ihn getrunken und bin dann eingeschlafen. Kurz vorher habe ich in einem Bericht über die Eroberung der Insel Mallorca geblättert und dann auch von dieser Zeit geträumt. Ich kam mit Jakob dem Ersten von Aragon auf die Insel Mallorca und war als Komtur der Templer bei der Eroberung dabei. Alles was ich geträumt habe, hat sich hinterher als historisch korrekt erwiesen, obwohl ich kaum Ahnung von der Geschichte der Insel hatte. Und dann hat sich herausgestellt, dass ich tatsächlich einen Vorfahren habe, der bei der Eroberung Mallorcas als Templer dabei war.« Sophie brach ab. Sie hatte nicht sagen wollen, dass dieser Templer sich als Vorfahr ihres leiblichen Vaters erwiesen hatte, der, kaum dass sie ihn gefunden hatte, gestorben war. Das alles klang für fremde Ohren völlig verrückt. »Wenn ich das irgendjemandem erzähle, dann wird er denken, ich bin total durchgeknallt«, hatte sie zu Ramon gesagt.
Aber der Professor schien sie nicht im Mindesten für »durchgeknallt« zu halten. Er nickte mit konzentriertem Blick und zusammengezogenen Augenbrauen. »Würden Sie diese Wurzel noch einmal zu sich nehmen? Natürlich nur unter Betreuung Ihres Freundes und in Gegenwart von Personen Ihres Vertrauens«, setzte er schnell hinzu, als er sah, wie ihre Augen sich vor Schreck weiteten.
Sophie zögerte einen Moment. »Ich weiß nicht«, gab sie zu. »Warum halten Sie das alles nicht für eine verrückte Phantasie?« Sophie wusste, dass sich ihr Vergangenheitstraum tatsächlich einmal so ereignet hatte. Aber wenn sie schon hier war, dann wollte sie wenigstens wissen, ob es irgendeine wissenschaftliche Erklärung gab, weshalb sie im Traum eine Geschichte erlebt hatte, die vor 700 Jahren geschehen waren.
Mateo nickte. »Sie wissen ja, dass die DNA unser Aussehen bestimmt und was aus uns wird. Jeder von uns hat rund zweihundert verschiedene Zelltypen. Alle Zellen haben das gleiche Erbgut, aber zum Beispiel ist eine Herzzelle völlig anders als eine Nierenzelle. Das liegt daran, dass in jedem Zelltyp andere Gene aktiv sind. Die Zelle selbst bestimmt, welche Gene aktiv sind und welche sozusagen ›abgeschaltet‹ werden. Mit der Hilfe von ... nun ich nenne es mal ›Markern‹, kann die Zelle zulassen oder blockieren, dass konkrete Informationen abgerufen werden, die sich auf den Genen, also im Erbgut, befinden. Zusätzlich ist die DNA um spezielle Proteine gewickelt. Je enger die Wickelung an einer Stelle, desto schwerer ist es für Enzyme, die Informationen abzulesen. Bestimmte Stoffe können die Intensität dieser Wickelung beeinflussen. Zellen können sich also dadurch auch verändern, weil die Enzyme zusätzliche oder andere Informationen ablesen. Dieses ganze System solcher Proteine und Marker ist sozusagen die zweite Ebene des genetischen Codes. Man nennt ihn Epigenom. Die Marker auf dem DNA-Strang und die Enge der Wickelung verändern nicht die Gene, sondern bestimmen nur, welche Informationen die DNA preisgeben darf. Die Modifikationen können zwar leicht wieder rückgängig gemacht, aber auch an die nächsten Generationen weitergegeben werden, wenn sie in den Keimzellen festgelegt sind. Das Ganze nennt sich Epigenetik, und ist die Genetik, die außerhalb von Veränderungen in der DNA-Struktur liegt. Diese epigenetischen Mechanismen haben mehr Einfluss auf uns, als wir ahnen und sind unter anderem auch abhängig von Umwelteinflüssen. «
Mateo machte eine Pause und nahm einen Schluck Café con leche.
»Heißt das, dass bestimmte Stoffe, die wir zu uns nehmen, dafür verantwortlich sind, dass man sich zum Beispiel an etwas erinnert?«
»Nun ja,« Mateo lächelte nachsichtig. »Das ist eine sehr allgemeine Aussage, die Sie da machen. Man kann sagen, dass zum Beispiel unsere Ernährung entscheidend beeinflusst, ob bestimmte Gene an- oder abgeschaltet werden und wie eng die DNA um spezielle Proteine gewickelt wird. In verschiedenen Versuchen mit Mäusen konnte man nachweisen, dass auch Erfahrungen vererbbar sind. Das heißt, dass die Bereiche der DNA, die für diese Erfahrungen zuständig sind, so markiert werden, dass sie sich aufwickeln, dadurch ablesbar sind und in Zellstrukturen umgesetzt werden. Aber das Ganze ist um vieles komplexer, als ich es dargestellt habe und zum großen Teil noch unerforscht. Deshalb kann ich Ihnen Ihre Frage nicht beantworten. Aber wenn Sie sich bereiterklären, mit mir diesen Versuch zu starten, könnten Sie dazu beitragen, ein wenig mehr Licht in diese Dunkelheit zu bringen.«
Mateo war froh, dass er Sophie nicht näher erklären musste, was genau er erforschte. Immer noch fürchtete er, ein Konkurrent könne vor ihm die bahnbrechende Entdeckung veröffentlichen.
»Was genau werden Sie testen?« Sophie war sich immer noch nicht sicher, ob sie sich auf die Sache einlassen wollte.
»Ich würde bei Ihnen Hautzellen und Blut aus der Fingerspitze entnehmen. Einmal vor und einmal nachdem Sie den Tee getrunken haben, und einmal zusätzlich, während Sie schlafen. Anhand der Veränderungen in den Zellen kann man sehen, welche Bereiche der DNA für Erinnerungen zuständig sind, die vererbt wurden und ob die Substanz, die Sie da eingenommen haben, tatsächlich Bereiche der DNA zum Lesen freigibt.«
Diesmal hatte Mateo mehr gesagt, als er eigentlich wollte. Es ärgerte ihn, aber er brauchte Sophie. Wenn sich das als wahr erwies, was sie gesagt hatte, dann war das für ihn der Durchbruch zum Weltruhm.
Sophie überlegte kurz. »Wenn Sie einverstanden sind, diese Untersuchung hier in Palma zu machen, dann bin ich dabei.«
Mateo glaubte, jeder müsse seinen Herzschlag hören. Er hatte Mühe, die in ihm aufsprudelnde Euphorie zu unterdrücken. »Dann freue ich mich auf unsere Zusammenarbeit.« Er reichte ihr die Hand. »Wenn es Ihnen Recht ist, dann würde ich gerne gleich einen Tag festlegen.«
Sophie sah Ramon fragend an. »Morgen? Da bist du noch hier.«
Ramon nickte und Sophie wandte sich Mateo Ramirez zu. Der sah zufrieden aus. »Ja das ist ideal. Ich wohne im Hotel Can Alomar gleich ...«
»... vorne am Passeig del Borne«, ergänzte Sophie.
»Sie sagen es.«
Sophie biss sich auf die Unterlippe. Sie hörte den unterdrückten Unmut in der Stimme des Wissenschaftlers. Andere zu ergänzen war eine ihrer Unarten, die sie sich partout nicht abgewöhnen konnte, obwohl sie sich bemühte.
»So gegen zehn Uhr morgen früh? Und Sie können selbstverständlich noch jemanden mitbringen, wenn Sie sich sicherer fühlen.« Ramirez hatte seinen sachlichen Unterton wiedergefunden.
*
»Lass uns doch noch einen Sprung ins 49 gehen.«, bat Sophie, als sie das C’an Joan verließen. In ihrer Stimme schwang Nachdenklichkeit. Sie schwieg auf dem Weg dorthin. Ramon kannte diese Stimmung und ließ sie ihren Gedanken nachhängen.
Das 49 hieß eigentlich 49steps, war eine Bar in Form eines Schiffes und lag direkt am Hafen.
»Was stört dich?« Ramon unterbrach ihr gedankenverlorenes Schweigen. Er wusste, Sophie würde sonst noch stundenlang wortlos grübeln.
Sie lehnte sich auf dem Loungesofa zurück und ließ den Blick über die vielen Boote schweifen, die sich hell im tiefblauen Wasser des Hafens spiegelten. Schneeweiße Möwen kreisten kreischend, wartend auf Reste, die sie ergattern konnten und leise plätschernd schlugen kleine Wellen an den Rand der Mole. In der Ferne sah man das Schloss Bellver und die Hügel, über die sich die Ausläufer der Stadt erstreckten.
»Ich hab ein ungutes Gefühl. Keine Ahnung wieso. Der Mann ist irgendwie seltsam.«
»Sophie, der Mann ist ein anerkannter Wissenschaftler.«
»Ich wusste genau, dass du das nicht verstehst.« Sie schüttelte unwirsch den Kopf.
»Das hat doch nichts mit ›verstehen‹ zu tun. Ich akzeptiere, dass du ein ungutes Gefühl hast, aber rein sachlich gesehen ist Mateo Ramirez ein bekannter Wissenschaftler, der in der Genforschung zusammen mit lauter Koryphäen zusammenarbeitet.«
Der Ober brachte die Drinks. Hohe Gläser mit frischem Orangensaft, in denen die Eiswürfel leise klimperten. Sophie nahm einen großen Schluck und versuchte, ihre Gefühle in Worte zu fassen. »Es ist nicht Mateo Ramirez selber, sondern eigentlich die Wissenschaft, die er vertritt. Mir macht die Dimension dieser gesamten DNA Wissenschaft einfach Angst und ich weiß nicht, ob ich daran beteiligt sein will, diese Forschung noch weiter voranzutreiben. Man kann damit so viel Missbrauch treiben. Wer weiß, was die Menschheit mit diesem Wissen anstellt.«
»Sophie, aber dann musst du jeden Fortschritt und alle Forschungen unterbinden. Denn die Menschheit steht seit ihrem Bestehen immer wieder vor dieser Frage. Als die Eisenbahn gebaut wurde, hat man sich auch gefragt, ob der Mensch dieses Tempo aushalten kann oder daran zugrunde geht.«
»Ja schon, aber findest du nicht, dass es einen kleinen Unterschied gibt zwischen Zugfahren und dem Eingriff in die Erbmasse der Menschheit?«
»Natürlich. Das war jetzt ein hinkender Vergleich. Ich wollte damit nur ausdrücken, dass jede Entwicklung auch Bedenken mit sich bringt und dass es immer Menschen gibt, die Gutes mit einer Erfindung anstellen und andere, die es zum Bösen nutzen. Nimm nur mal Pierre und Marie Curie als Beispiel. Die Röntgenstrahlen haben in der Medizin unzählige Menschenleben gerettet und schlimmes Leid verhindert, aber in Hiroshima unendlich viel Schmerz, Trauer, Leid und Tausenden den Tod gebracht. Du wirst niemals beeinflussen können, dass die Menschheit eine Erfindung nur zum Guten gebraucht. Es gibt eben auch die, die gute Dinge zum Bösen nutzen.«
»Das weiß ich ja, aber der Eingriff in eine Erbsubstanz ist etwas, das die Menschheit nicht nur von Grund auf verändern kann, sondern auch Tür und Tor zum Missbrauch öffnet. Du brauchst nicht viel Ausrüstung und Wissen dazu. Du kannst Viren manipulieren, und zwar quasi am Küchentisch. Was denkst du, was das für Auswirkungen haben wird?«
Ramon nahm einen Schluck von seinem Orangensaft und sah in die Ferne, wo das Tramuntanagebirge in der Hitze des Sommertags flimmerte wie eine Fata morgana. Die Welt sah so friedlich aus, aber Sophie hatte recht. Das war sie nicht immer. »Das stimmt«, erwiderte er dann. »Aber was denkst du, was es andererseits für Auswirkungen hat, wenn man Menschen gegen Krebs impfen kann, oder verhindert, dass Babys mit Erbkrankheiten oder Missbildungen geboren werden? Oder wenn man bei Virusinfektionen wie Aids, Hepatitis und vielen anderen eine Möglichkeit findet, Menschen zu heilen. Denn das ist mit dieser Genschere CRISPR/Cas9, mit der die Forscher arbeiten, absolut möglich.«
»Natürlich, das sehe ich auch. Aber wer verhindert, dass es in Zukunft nur noch genmanipulierte Lebensmittel geben wird und veränderte Bakterien und Viren, die tödliche Seuchen bringen? Und wer sorgt dafür, dass nicht nur noch Designerbabys geboren werden, weil die Eltern sich aussuchen können, wie ihr Kind genau aussieht und welche Fähigkeiten es haben wird? Denn das ist es ja doch, was man in Zukunft damit machen wird, oder? Wenn man in China jetzt schon offiziell an Embryonen forscht, dann kannst du sicher sein, dass es inoffiziell woanders auch schon gemacht wird.«
»Das wird definitiv irgendwann möglich sein, aber bis dahin haben die Forscher noch jede Menge Arbeit und wir Juristen auch. Es wird Gesetze geben, die Missbrauch eindämmen, aber wie seit Anbeginn der Menschheit wird es auch Menschen geben, die den Fortschritt, wie heute die Gentechnik, missbrauchen. Das kann man nicht verhindern.«
»Ich möchte jedenfalls bei dieser Forschung nicht ein Baustein sein, der dazu beiträgt, dass die Menschheit von einem völlig veränderten Erbgut überrollt wird, dass man Versuche mit Babys macht und Viren manipuliert, die dann nicht mehr kontrollierbar sein werden.«
Ramon nahm ihre Hände. »Sophie«, sagte er und sah sie zärtlich an. »Du bist einfach eine Idealistin und ein Gutmensch, aber manchmal siehst du die Dinge vielleicht zu extrem. Ich verstehe genau, was du sagen willst. Aber schau, wenn du den Termin mit Mateo absagst, dann wird das für die Genforschung nichts, aber auch gar nichts ändern. Mateo Ramirez wird trotzdem weiterforschen und bestimmt einen anderen Weg finden, die Vererbung von Erlebnissen der Vorfahren zu beweisen. Aber für dich und ihn wird es etwas ändern. Menschlich wird es etwas ändern, weil ER enttäuscht sein wird, und DU wirst nie erfahren, was es mit deinem Traum auf sich hatte.«
Sophie nickte und schwieg.
»Egal wie du dich entscheidest, Sophie, zwischen uns ändert das nichts. Aber vielleicht für dich. Du hast die einmalige Chance, ein Teil der guten Forschung zu werden und etwas zu erleben, was andere niemals erleben können.«
Sophie nickte. »Das stimmt, Ramon. Ich glaube, ich hab einfach Angst davor, wieder in eine Vergangenheit einzutauchen, weil ich nicht weiß, ob es so gut läuft, wie das letzte Mal.«
»Das verstehe ich, Sophie, aber andererseits kannst du etwas über dich und deine Ahnen erfahren, was du sonst niemals wissen würdest. Und noch dazu bekommst du den wissenschaftlichen Beweis, dass es wahr ist.«
»Das habe ich so noch gar nicht gesehen«. Sophie musste lachen.
»Du bist doch die Historikerin hier. Du sagst doch immer, dass man die Vergangenheit von Menschen kennen muss, wenn man sie wirklich kennen will und dass man eine Welt und ihre Länder nur verstehen kann, wenn man auch ihre Geschichte kennt. Jetzt hast du die Chance ganz viel über dich und die Welt zu erfahren.«
Sophie umarmte Ramon impulsiv und küsste ihn.
»Danke! Du hast recht. Ich werde Mateo nicht absagen.«
Sie saßen im 49steps, bis die Sonne unterging, und redeten und lachten. Und die Welt sah so friedlich aus.