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Montag, 2. August 2018

Marseille

Die Sonne glitzerte auf den Wellen, als die Fähre langsam in den Hafen von Marseille einfuhr. Ein paar Möwen flogen kreischend über das Boot.

Samuel war froh, endlich wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Er hasste diese langen, umständlichen Reisen. Aber er hatte bewusst erneut die sichere Route gewählt. Jetzt musste er nur noch eine kurze Zeit die Zähne zusammenbeißen.

Es wäre wesentlich einfacher gewesen, von Kairo nach Barcelona zu fliegen. Aber er wollte nichts riskieren. Als Doktor Walter Smith hatte er mit seinem Aussehen, der grauen Kurzhaarperücke und dem Doktortitel zwar nichts zu befürchten, aber er wollte trotzdem auf Nummer sicher gehen. Diesmal durfte einfach nichts schief laufen. Deshalb hatte er wieder den umständlichen Weg nach Barcelona gewählt. Der Flug von Kairo nach Algier war eine Art Test gewesen. Und es hatte perfekt geklappt. Nun waren sie schon in Marseille und würden in der Nacht die umständliche Zugfahrt nach Barcelona antreten. Allein die Aussicht auf die paar Tage, die er in der Suite des Hotel Arts direkt am Strand von Barcelona gebucht hatte, machte die Strapazen der Reise für ihn einigermaßen erträglich. Selbst Torian hatte sich zurückgehalten und so verließ Samuel halbwegs erleichtert die Fähre.

Auf dem Weg bis in die Nähe des Quai des Belges, wo er sich ein Zimmer in einem Stundenhotel nehmen wollte, atmete er auf. Er fühlte sich, nach der 24-stündigen Fahrt auf dem Schiff, ganz langsam wieder wie ein Mensch. Und er war froh, die Weiterfahrt erst am nächsten Morgen antreten zu müssen. Alles war perfekt geplant. Das Stundenhotel hatte er vorher ausgesucht, weil man dort bar und im Voraus zahlen konnte, und so würde er keine Spuren hinterlassen.

*

Mit einem Schlag wurde Samuel wach. Es dauerte einen Moment, bis er langsam seine Gedanken sortieren konnte. Er war wohl eingeschlafen, als er sich nach dem Mittagessen im Hotelzimmer einen Moment auf das Bett gelegt hatte.

Es dämmerte bereits und ein Blick auf seine Uhr zeigte, dass es schon halb neun am Abend war. Er hatte Stunden geschlafen und trotzdem fühlte er sich erschöpft.

»Wir gehen jetzt mal eine Runde durchs Viertel«, bestimmte Torian, der schon hellwach war und sein Tonfall ließ erkennen, dass er keinen Widerspruch dulden würde.

Samuel versuchte es trotzdem. »Torian, es ist spät und ich hab Hunger. Lass uns Essen gehen.«

Es stimmte zwar, dass er Hunger hatte, aber der wahre Grund war ein anderer. Samuel spürte, dass Torian etwas geplant hatte und das gefiel ihm gar nicht. Er hatte Angst, seine Tarnung zu verlieren, jetzt, wo er so kurz vor dem Ziel war.

»Wir essen später.«

Torians Stimme klang wie Eis und Samuel wusste, dass er keine Chance hatte.

Er trat ans Fenster. Schwarz und drohend stand eine Gewitterfront am Horizont und der Wind jagte wütend die Wolkenfetzen über den Himmel, stob durch die Straßen, schmutzige Papierfetzen umherwirbelnd.

Bedrohlich düster wirkte die Straße, als Samuel das Hotel verließ. Eine dürre schwarze Katze sprang fauchend auf eine Mülltonne.

Samuel hatte nachgegeben. Er wusste, was jetzt kam, aber er war absolut machtlos gegen Torian. Und jedes Mal fragte er sich erneut, wie Torian die halb zerfallenen Häuser fand. Dann war klar, was passierte. Er hatte seine Aufgabe. Er, Samuel, war der attraktive, charmante Mann, dem das hübsche, junge Mädchen gerne folgte, auf dem Weg in ein vermeintliches Stundenhotel.

Blitze zuckten grell über der Stadt, als Torian sich zeigte. Das Mädchen hatte keine Chance.

Samuel hätte es nicht verhindern können. Und er hätte es auch nicht wollen. Zu sehr genoss er jeden Moment von dem, was Torian tat.

MEMORIAM - Auch deine Stunde schlägt

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