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3.2Extrembeispiel für systematisches Trading: LTCM und seine Folgen

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Der Vorläufer des LTCM-Desasters war eigentlich die Russlandkrise, die 1998 zur Zahlungsunfähigkeit des russischen Staates führte. Ein der Öffentlichkeit fast gänzlich unbekannter Hedgefonds namens Long-Term Capital Management (LTCM) hatte sich im großen Stil verspekuliert und konnte nur noch durch das Eingreifen der Notenbanken und Kredite namhafter Investmentbanken gerettet werden. Doch der Reihe nach.

Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde 1991 ein weitreichendes Reformprogramm beschlossen, was in den Nachfolgestaaten zu einer radikalen und schnellen Privatisierung von Unternehmensanteilen führte. Wurden 1991 nur etwas über fünf Prozent des Bruttoinlandsprodukts von privaten Unternehmen erbracht, waren es im Jahr 1998 bereits 70 Prozent. Allerdings waren die makroökonomischen Rahmenbedingungen nicht für eine Privatisierung in diesem Ausmaß geeignet, darüber hinaus fehlten staatliche Kontrollen bei der Kreditvergabe. Gleichzeitig konnten Unternehmen ihre Preise selbst festsetzen, der Kreditbedarf war enorm, und so kam es zur Hyperinflation. Ab 1995 versuchte die russische Politik, die Lage zu stabilisieren, allerdings verschärfte die Asienkrise 1997 die Situation. Die Schwellenländer wurden einer Neubewertung durch die internationalen Ratingagenturen unterzogen, wodurch es zu massiven Kapitalabflüssen aus den Bond- und Aktienmärkten kam. Am 17. August 1998 kam es dann zu der längst überfällig gewordenen Neubewertung des Russischen Rubel, der in der Folge um bis zu 60 Prozent einbrach, was die Zahlungsunfähigkeit Russlands einläutete. Im Sog dieser Entwicklungen geriet auch der Hedgefonds LTCM an den Rand des Abgrunds. Der Fonds war 1994 gegründet und mit circa 1,3 Milliarden US-Dollar kapitalisiert worden. Eine Leichtigkeit für das damalige Management-Team, das Geld einzusammeln, befanden sich doch unter den Partnern so prominente Namen wie John W. Meriwether, ehemaliger Star-Trader bei Salomon Brothers, Harvard-Professor Eric Rosenfeld, David Mullins, ehemaliger Vizepräsident der Fed, sowie Myron S. Scholes und Robert C. Merton, die im Jahr 1997 den Nobelpreis für ihre Beiträge zur Optionspreisbewertung erhalten hatten. Der Ruf der beteiligten Herrschaften war so makellos, dass einige Banken sogar auf die für diese Geschäfte notwendig zu hinterlegende Sicherheitsleistung (Margin) verzichteten.

Der Hedgefonds LTCM setzte mit Unsummen an Kapital und Fremdkapital auf das Funktionieren der „effizienten“ Kapitalmärkte. Kleinste „Unstimmigkeiten“ in Preisen wurden in den Märkten systematisch anhand von Modellen aufgespürt, und es wurde darauf gewettet, dass sich diese Preisdifferenzen im Laufe der Zeit wieder angleichen würden und LTCM aus dieser Angleichung aufgrund der enorm großen Positionen Gewinne machen würde. Der Hebel des Fonds war gewaltig: Zeitweise standen jedem investierten US-Dollar Eigenkapital 60 oder mehr US-Dollar Fremdkapital gegenüber. Die Strategie schien zunächst aufzugehen. Schon im ersten Jahr erzielte LTCM einen Gewinn von über 28 Prozent, der in den darauffolgenden Jahren auf zeitweise über 40 Prozent sprang. Doch schon 1997 wurde das Geschäft für den Fonds schwieriger, immer mehr Marktteilnehmer kopierten das Geschäftsmodell, unter anderem auch unsere Bank, die verzweifelte Versuche unternahm, um im vermeintlich profitablen Geschäft mit den exotischen Derivaten einen Teil vom Kuchen abzubekommen. Die Margen wurden kleiner, und durch die Abwertung des Russischen Rubel am 17. August 1998 kam es zum großen Knall: Über Nacht wurden sämtliche „Ramschanleihen“ komplett wertlos, die Liquidität im Markt verschwand und die Spreads zwischen Geld (Ankauf) und Brief (Verkauf) wurden so breit gestellt, dass ein Panzer durchfahren konnte. Die Volatilität explodierte. Nur dank eines kurzfristig initiierten Treffens der größten Notenbanken der Welt und der wichtigsten Banken der Wall Street konnte am 23. September 1998 ein 3,8 Milliarden US-Dollar großes Rettungspaket geschnürt werden. Die beteiligten Rettungsbanken waren auch die größten Gläubiger des Fonds, sodass sie mit dem erworbenen 90-Prozent-Anteil de facto ihr eigenes Geld zurückkauften.


Quelle: GenesisFT

ABBILDUNG 3.1 | RTS_DAX_CHART 1998

Kursverlauf des DAX-Futures während der Russlandkrise und des LTCM-Desasters

DER AKTIONÄR: Herr Stork, wie haben Sie die turbulenten Monate während der Russlandkrise und das ganze Chaos um den Hedgefonds LTCM erlebt?

Stork: Die Russlandkrise und die Geschichte um LTCM im Jahr 1998 beschäftigten die Märkte weltweit noch Monate. Die Volatilität blieb hoch, es dauerte lange, bis die Liquidität in den „exotischen Derivaten“ zurückkehrte. Aber auch einfache Optionsgeschäfte unter Marketmakern waren schwierig umzusetzen, und die Prämien waren extrem hoch. Abschreibungen mussten erfolgen, und so erlebten auch wir, wie ein Handelsdesk für exotische Derivate geschlossen wurde, da es in diesem Jahr einen siebenstelligen Betrag in den Sand gesetzt hatte. Ich hatte das „Vergnügen“, bei den Aufräumarbeiten dabei zu sein. In dieser Zeit fanden wir in den Büchern im Wochentakt neue „Überraschungen“. Es dauerte damals sechs Monate, um die größten Positionen glattzustellen. Ich kann mich auch noch erinnern, dass wir von der Arroganz und Überheblichkeit der bekanntesten Partner von LTCM gegenüber dem Markt überrascht waren. Der Markt hat immer recht, und das kann man eigentlich nur mit Demut zur Kenntnis nehmen. Ich habe Jahre später, ich glaube, es war 2008, einmal an einem Frühstück mit Myron Scholes teilgenommen. Er war äußerst sympathisch und betrieb damals mit einem ehemaligen Partner von LTCM einen neuen Hedgefonds namens Platinum Grove Asset Management. Die Firma hatte wieder mehrere Milliarden unter Management. Wir sprachen damals auch über LTCM. Er war nach wie vor überzeugt, dass theoretische Modelle im Handel erfolgreich sein können, dass man die Händler aber auch davon abweichen lassen sollte. Man solle nicht vorhersagen, sondern reagieren und sich auf einige „Sweet Spots“ konzentrieren und nicht überall tätig sein. Er verglich den Handel damals mit einer Farm, auf der Jäger nichts verloren haben. Auch meinte er, dass Korrelationen nicht ewig funktionieren können: Man deckt einen Tisch für zwölf Personen. Solange nur zwölf kommen, ist alles gut. Aber wehe, jeder dritte Gast bringt einen Freund mit, dann wird es eng.

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