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3.12Extrembeispiel für Handel ohne konkreten Trading-Ansatz: 2 Tage im September 2007

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DER AKTIONÄR: Herr Stork, gab es bei Ihren Handelsaktivitäten in der Bank immer einen Handelsansatz, der strikt eigehalten wurde?

Stork: Im Team der sogenannten Block-Trader – das waren jene Händler, die für große institutionelle Kunden auf Anfrage verbindliche Geld- und Briefkurse stellen mussten – gab es klare Maßregeln, wer wie zu behandeln war. Die Kunden waren in Gruppen eingeteilt, je höher das „Ranking“ eines Kunden, desto besser waren die Preise, die er bekam. Diese Liste wurde circa zweimal im Jahr überprüft und angepasst. Wir errechneten im Trading sogenannte „Loss Ratios“, es wurde also gemessen, wie viel von der Kommission, die der Kunde der Bank bezahlt hatte, im Trading durch das Verarbeiten der Short- oder Long-Positionen wieder verloren wurde. Das war natürlich ein permanenter Streitpunkt. Oft verkauften Kunden Blöcke gleicher Größe an verschiedene Banken, und so kamen natürlich starke Kursbewegungen in den Märkten zustande. Der Ansatz war, möglichst viel Kommission zu „erhalten“ und möglichst wenig Geld im Block-Trading zu verlieren. Um diese vorhersehbaren Trading-Verluste aufzufangen, bauten wir eine „Backbook“-Trader-Gruppe auf, die damals noch völlig legal bestimmte Positionen, die wir von Kunden erhalten hatten, auf sogenannte Eigenhandelsbücher nahmen. Mit diesen Positionen wurde dann auf fallende oder steigende Kurse spekuliert und Geld verdient. In einem guten Jahr war es so, dass die Backbook-Trader mehr Trading-Gewinne auf den Büchern hatten als die Block-Trader Verluste, und wir so in der Lage waren, zusätzlich 100 Prozent der Kommission einzufahren.

DER AKTIONÄR: Das klingt ja eigentlich gut durchdacht, hat das immer so funktioniert?

Stork: Nein, natürlich gab es Ausnahmesituationen. Man kann sich heute kaum noch vorstellen, wie hektisch es auf einem Trading Floor zuging, und Entscheidungen mussten oft in Sekundenbruchteilen getroffen werden. Ich erinnere mich an eine der schlimmsten Wochen in der Trading-Abteilung im September 2007. Im Zuge der sich anbahnenden Finanzkrise hoben Kunden der Bank Northern Rock in England massiv Geld ab. Bereits am Wochenende standen die Menschen in London in Schlangen vor den Geldautomaten, um ihr Geld „zu retten“. Das alles verhieß nichts Gutes, und so war es auch. Wir mussten am Montag bereits vor Börsenstart für einen Kunden, der einen größeren Block verkaufen wollte, einen Preis für Northern-Rock-Aktien geben. Nachdem die Aktie bereits am Freitag 30 Prozent eingebrochen war, konnten wir nur grob schätzen, wo sie starten würde. Wir nahmen damals einen signifikanten Abschlag für unseren Kaufkurs, die Aktie verlor aber an diesem Tag weitere circa 30 Prozent und wir mit dem Trade einen siebenstelligen Betrag. Damit aber nicht genug. Die Backbook-Trader waren aufgrund der Umstände extrem negativ für den Markt eingestellt und hatten massive Short-Positionen vor allem in den Finanzwerten auf den Büchern und setzten so auf fallende Kurse. Diese Positionierung war aufgrund des negativen Sentiments im Finanzsektor sicher gerechtfertigt. Allerdings machte Ben Bernanke, der damalige Chef der Notenbank Fed, den Händlern einen Strich durch die Rechnung: Er senkte am Dienstag, dem 18. September, die Zinsen in den USA um 50 Basispunkte, und die Märkte dankten es ihm mit steigenden Kursen. Die Aktienmärkte schlossen circa 1,5 Prozent im Plus. Ich bekam damals jeden Abend einen Anruf und wurde über das Gesamtergebnis der Abteilung informiert. Den Anruf an diesem Dienstag erhielt ich ausgerechnet bei einem Abendessen mit meinem damaligen Chef, und die Nachrichten waren nicht gut: Am Montag schon einen schlimmen Tag gehabt und am Dienstag dann noch einmal einen obendrauf gesetzt. Aber so ist Börse: Du kannst alle deine Risikolimite einhalten und trotzdem aufgrund eines Events, das so noch nie da gewesen ist, eiskalt erwischt werden. Diese Eventualität muss bei allen Maßnahmen immer irgendwo im Hinterkopf abgespeichert sein.

Rohstoff-Trading mit System

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