Читать книгу Mörder sind keine Engel: 7 Strand Krimis - Cedric Balmore, Alfred Bekker, Frank Rehfeld - Страница 11
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Der Gangster mit dem hübschen, schmalen Gesicht und den dunklen Augen ging leise pfeifend an Bount vorbei. Er schenkte Bount keinen Blick. Das war nicht überraschend. Battery Park wimmelte von neugierigen Besuchern, und Leute, die alte Hausfassaden bewunderten, gehörten hier gleichsam zum Inventar.
Bount folgte dem Gangster in sicherem Abstand. Es schien, als würden sich die glücklichen Zufälle dieser Stunde addieren. Der Gangster kletterte in einen 74er Plymouth, der nur fünfzig Meter vor Bounts Mercedes parkte. Bount hatte keine Mühe, die Beschattung seines Gegners mit dem Wagen fortzusetzen.
Die Fahrt ging stadtaufwärts bis zur 34ten Straße. Dort passierte es.
Plötzlich. Völlig unerwartet und mit tödlicher Präzision.
Der Plymouth explodierte.
Er löste sich auf in einen Feuerball, der Rauch, Metall und ein ohrenbetäubendes Krachen ausspuckte. Zerberstende Scheiben, aufeinanderprallende Wagen, schreiende Menschen und jähe Panik lieferten das Echo. Es war ein Stück Inferno im Verkehrsgewühl der großen, von unablässigen Qualen heimgesuchten Stadt.
In Sekundenschnelle war von dem Plymouth nur noch ein brennendes, qualmendes Kernstück vorhanden. Sein Fahrer war mitsamt dem Karosserieaufbau verschwunden, zerfetzt. zerbombt, von der gewaltigen Explosion buchstäblich ausgelöscht.
Auf dem Gehsteig wälzten sich Verletzte in ihrem Blut. Sie machten damit alles nur noch schlimmer, denn unter ihnen glänzten die scharfen, gezackten Scherben der Glassplitter, die aus zersprungenen Fenstern auf die Straße geregnet waren.
Ein Cop tauchte auf. Er rannte zur Fahrbahnmitte, stoppte dort und blies mit hochrotem Kopf und geblähten Backen in seine Trillerpfeife. Bount fand, dass der Cop auf erschreckende Weise den Eindruck machte, die Situation nicht meistern zu können.
Bount sprang aus dem Wagen.
Zwischen seinem silbergrauen Mercedes und dem brennenden Plymouth befand sich ein Pulk von fünf Wagen, drei davon hatten sich hoffnungslos ineinander verkeilt. Bount hatte zwar die Druckwelle der Explosion verspürt, aber weder er noch sein 450 SEL hatten auch nur eine Schramme abbekommen.
Obwohl es gut fünfhundert Augen und Ohrenzeugen der Katastrophe geben mochte, hastete Bount in einen Drugstore und verständigte telefonisch Polizei und Notarztwagen. Erfahrungsgemäß verließ sich in derlei Situationen einer auf den anderen, und die Neugierde der Zuschauer war fast immer größer als ihr Bedürfnis, sich durch einen Anruf um prickelndes Erleben zu bringen.
Bount rannte zurück zur Straße. Dort hatte die erste Erstarrung einer hektischen Aktivität Platz gemacht. Man kümmerte sich um die Verletzten, und einige Autofahrer versuchten mit ihren Handlöschgeräten, dem brennenden Wrack zu Leibe zu rücken.
Bount sah, dass es für ihn nichts mehr zu tun gab. Er machte kehrt, betrat erneut den Drugstore und rief Captain Rogers an. Bount berichtete, was er erlebt hatte, nannte die Nummer des explodierten Wagens und erfuhr, dass der Plymouth auf einen Mann namens Jeremy Winter zugelassen worden und nicht als gestohlen gemeldet worden war.
Bount notierte sich die Adresse des Mannes, bedankte sich bei dem Captain und versuchte dann, Jeremy Winter telefonisch zu erreichen. Das Freizeichen tutete ihm monoton entgegen. Winter meldete sich nicht.
Bount fragte sich, ob der Tote Jeremy Winter sein mochte. Er bezweifelte es. Gangster pflegen selbst bei kleineren Coups nicht mit dem eigenen Wagen zu fahren, und hier stand immerhin ein Mord zur Debatte.
Bount verließ den Drugstore. Inzwischen waren mehrere Polizei- und Ambulanzwagen eingetroffen. Die Cops sperrten die Unfallstelle ab und bemühten sich gleichzeitig darum, den Verkehrsstau aufzulösen.
Bount stieg in seinen Mercedes und brauchte fast eine halbe Stunde, um sich aus dem Stau zu lösen. Er fuhr zum Bankhaus Thorpe, Thorpe & Friggley und fand einen Parkplatz in dem für Kunden reservierten Teil der Tiefgarage. Kurz darauf saß er James Thorpe gegenüber, einem drahtig wirkenden Endvierziger mit eisblauen Augen und dunkelblauem Anzug, dessen Äußeres eine gesunde Mischung von Intellekt und Sportlichkeit signalisierte.
Bount legte dem Direktor schweigend das Foto der Toten vor. James Thorpe runzelte die Augenbrauen. „Das ist Jessica“, sagte er. „Was ist mit dem Bild?“
Bount berichtete, was geschehen war. Er beobachtete sein Gegenüber dabei scharf. James Thorpes Backenknochen traten deutlich hervor, es schien, als wollten sie die Haut sprengen, ansonsten gab es keinerlei Anzeichen für Trauer, Schock oder innere Erregung. Kein Zweifel: James Thorpe war ein Mann mit großer Selbstdisziplin, der sich fabelhaft in der Gewalt hatte.
„Ich verstehe das alles nicht“, sagte er.
„Vor wem war sie auf der Flucht, wer hat sie vergiftet – und warum?“, fragte Bount.
Die eiskalten Augen hielten Bounts Blick fest. „Finden Sie es für mich heraus“, sagte Thorpe. „Geld spielt keine Rolle. Ich muss wissen, was passiert ist.“
„Wann haben Sie Ihre Frau zuletzt gesehen und gesprochen?“, fragte Bount.
„Beim Frühstück. Sie war wie sonst. Nein, warten Sie. Sie war eher nervös, aber sie war bemüht, diese Nervosität zu überspielen. Ich stellte keine Fragen. Ich war damit beschäftigt, den Wirtschaftsteil der Zeitung zu lesen. Ich bin ein Morgenmuffel, wissen Sie.“
„Haben Sie diese Nervosität schon früher bemerkt – und wenn ja, wann zum ersten Male?“
„Ich will ganz ehrlich sein. Jessica und ich führten eine eher unterkühlte Ehe. Es gab niemals Streit, aber es gab auch keine himmelhochjauchzende Liebe, allenfalls eine nüchterne Harmonie. Jessica war schön, intelligent und charmant, es war ein Vergnügen, sie auf Gesellschaften zu erleben, sie wusste um ihre Rahmenfunktion und verstand es großartig, zu repräsentieren. Warum ich Ihnen das erzähle? Sie haben es gewiss schon erraten. Obwohl wir wie ein perfektes Ehepaar wirkten und auftraten, ging jeder seine eigenen Wege. Es gab deshalb keinerlei Gegnerschaft, nicht einmal eine Absprache – es war eine fast selbstverständliche Entwicklung, die keinem zu schaden schien.“
„Ich muss jetzt sehr direkte, persönliche Fragen stellen“, sagte Bount. „Hatte Ihre Frau einen Freund, oder gar mehrere?“
„Es mag seltsam klingen – aber ich bezweifle es“, meinte Thorpe. „Ich glaube, Jessica neigte zur Frigidität. Sie brauchte Männer nur, um sich in Szene zu setzen.“
„Wie gut war Jessica mit Leslie Harper befreundet?“, wollte Bount wissen.
„Oberflächlich. Warum?“
„Darauf komme ich später zurück“, wich Bount aus. Leslie Harper war seine Klientin. Er war nicht befugt, über sie zu sprechen. Bount fragte: „Wer hat den direkten Nutzen vom Tod Ihrer Frau?“
„Jessica besitzt eigenes Vermögen. Ich erbe es“, sagte Thorpe. „Also bin ich der Nutznießer. Ich hoffe, Sie wittern dahinter kein Tatmotiv. Meine Bankeinlage beträgt sieben Millionen Dollar, und mein Privatvermögen bewegt sich in ähnlichen Dimensionen. Ich verdiene glänzend und befinde mich nicht in finanziellen Schwierigkeiten. Außerdem“, fügte er mit mattem Lächeln hinzu, „bin ich knallhart im Verhandeln, aber stockkonservativ. Ich habe Jessica gemocht, ich bin zutiefst erschüttert über ihren Tod – auch wenn es für Sie nicht so aussehen mag.“
„Der Gangster, von dem ich Ihnen berichtete, hat offenbar unter anderem die Hausschlüssel aus der Tasche Ihrer Frau entwendet. Er ist damit in Ihr Haus eingedrungen. Beschäftigen Sie keine Dienstboten?“
„Doch, einen Butler und ein Mädchen. Der Butler wohnt im Haus, das Mädchen kommt stundenweise zu uns.“
„Rufen Sie den Butler an, bitte, schnell!“
„Er meldet sich nicht“, stellte Thorpe stirnrunzelnd fest.
„Kommen Sie“, sagte Bount.
Wenige Minuten später waren sie in Bounts Wagen zum Battery Park unterwegs. „Halten Sie es für möglich, dass Ihre Frau in schlechte Gesellschaft geraten ist?“, wollte Bount unterwegs wissen.
„Wir sahen uns morgens und abends“, sagte Thorpe. „Dazwischen lagen acht bis zehn Stunden, wo jeder das erledigte, was er für wichtig hielt. Bei mir war es die Arbeit, bei Jessica waren es die gesellschaftsorientierten Verrichtungen einer jungen Frau, die keine Geldsorgen kennt. Sie organisierte Bazare, konferierte mit der Schneiderin, besuchte kulturelle Veranstaltungen – und so weiter, und so weiter. Ob sie in schlechte Gesellschaft geraten ist, vermag ich nicht zu beurteilen. Ich halte es aber für wenig wahrscheinlieh. Jessica war in Stilfragen sehr eigen. Sie schätzte Klasse, sie bestand darauf. Wo, frage ich Sie, findet man in schlechter Gesellschaft Stil, wo Klasse? Nein, ich bin sicher, dass sie nichts dergleichen getan hat, schlechte Gesellschaft hätte nur ihren Abscheu wecken können.“
„Hat man Sie jemals erpresst?“
„Gut ein Dutzend Male. Es hing niemals mit Jessica zusammen und konnte in jedem Fall vom FBI zu Ungunsten der Erpresser erledigt werden.“
Als sie das Haus am Battery Park erreichten, fanden Sie in seinem Inneren den Butler vor, gefesselt und geknebelt. Nachdem sich der Butler einigermaßen erholt hatte, berichtete er von dem Fremden, dem er sich plötzlich im Hause gegenübergesehen hatte.
„Es war ein recht gutaussehender, tadellos gekleideter Mann, nicht älter als 30“, fuhr der Butler fort. „Als ich ihn zur Rede stellen wollte, richtete er eine Waffe auf mich und befahl mir, mich flach auf den Boden zu legen. Er fesselte und knebelte mich, danach hörte ich, wie er in den oberen Räumen herumstöberte. Er blieb etwa zwanzig Minuten, danach ging er.“
„Was hat er mitgenommen?“, wollte Thorpe wissen.
„Bedaure, Sir – das muss erst noch festgestellt werden“, erwiderte der Butler. „Ich kann nur sagen, dass er die meiste Zeit im Zimmer von Madame verbrachte. Ich habe Grund zu der Befürchtung, dass er es auf den Schmuck abgesehen hatte.“
Thorpe schüttelte den Kopf. „Unsinn. Die großen Stücke liegen im Banksafe. Das andere ist keine fünftausend Dollar wert.“
Sie gingen nach oben. Jessicas in Elfenbein und Mattgrün gehaltenes Zimmer war gründlich durchwühlt worden, der Inhalt von Schränken und Schubladen lag auf dem Boden. Thorpe sah sich ratlos in dem Durcheinander um. „Was hat der Kerl bloß gesucht?“, fragte er.
Bount ging zum Telefon. Er wählte die Nummer seines Offices. June meldete sich nicht. Sie war also noch immer unterwegs, um Leslie Harper zu beschatten.
„Sie übernehmen doch den Fall?“, erkundigte sich James Thorpe. „Geld spielt dabei keine Rolle!“
„Das“, sagte Bount, „höre ich gern. Ja, ich übernehme den Fall.“