Читать книгу Fleeing from the Führer - Charmian Brinson - Страница 17
|47|Holland
ОглавлениеIm deutsch besetzten Holland wurden Juden, Flüchtlinge wie Einheimische, auf ähnliche Art zusammengetrieben und interniert, bevor sie in die Vernichtungslager im Osten deportiert wurden. Die größten Lager, die während des Zweiten Weltkriegs in Betrieb waren, befanden sich in Vught und Westerbork und dienten hauptsächlich als Durchgangslager zur Deportation von Juden und Sinti und Roma, wobei das Regime in Vught brutaler als das in Westerbork war. Westerbork war von der holländischen Regierung vor der deutschen Besatzung als Flüchtlingslager zur Aufnahme von Geflohenen aus Nazideutschland errichtet worden, wurde jedoch von den deutschen Obrigkeiten im Juli 1942 als Durchgangslager weitergeführt. Während ihres Aufenthaltes verfügten die Internierten über ein recht gut organisiertes gemeinschaftliches und kulturelles Leben mit einer Schule, einem Krankenhaus und Unterhaltungsprogramm. Trotz häufiger Probleme mit der Wasserversorgung und den sanitären Einrichtungen waren die Lebensbedingungen oft wesentlich erträglicher als in anderen Durchgangslagern. Zwischen Juli 1942 und September 1944 wurden jedoch regelmäßig Gefangene in wöchentlichen Transporten nach Auschwitz geschafft. Verschiedenen Schätzungen zufolge wurden insgesamt 102.000 Menschen aus Westerbork deportiert.15
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Abb. 23a + b
|49|Die wohl bekanntesten Häftlinge in Westerbork waren ohne Zweifel Anne Frank und ihre Familie, die dort ein paar Wochen verbrachten, nachdem die Existenz ihres geheimen Hinterhausverstecks den Behörden verraten worden war. Die Familie verließ Westerbork im September 1944 mit einem der letzten Transporte nach Auschwitz. Eine andere berühmte Internierte war Etty Hillersum, deren 40 Jahre nach ihrem Tod veröffentlichte Tagebücher einen eindrucksvollen Einblick in das Lagerleben gewähren.16 Sie wurde von Juli 1942 bis September 1943 in Westerbork festgehalten und daraufhin ebenfalls nach Auschwitz deportiert.
Abb. 23a zeigt die Rückseite eines Umschlags von Fritz und Franzi Laufer in Westerbork, datiert 14. Oktober 1943, an ihre Eltern in Wien. In dem Brief (Abb. 23b) beschreiben sie das Leben im Lager, in dem Franzi als Krankenschwester arbeitete, und berichten von ihren beiden kleinen Kindern, Gerd und Edith:
Westerbork 12.X/43
beantw am 8/XI 43
Liebe Mama u. l. Papa!
Euren l. Brief vom 20.9. u. vom 2.10. mit den Dokumenten mit vielem Dank erhalten. Leider kann ich nichts damit anfangen, da mir die ungar. Staatsangehörigkeit meiner Großeltern nichts hilft. Lieber Papa Du schreibst gar nicht ob Du Dich erholt hast, aber ich hoffe doch, daß es der Fall ist. Gerti ist ein großer Strolch und läuft schon weit weg, so daß wir immer froh sind, wenn er beim Essen da ist. Überhaupt hat er so seine eigenen Ausdrücke. Gurke und Wurst heißt wegen dem gleichen Aussehen gleich u. zwar J-ja. Uns geht es gut u. wir sind alle gesund. Liebe Mama hoffentlich bekommt Ihr jetzt im Winter leichtere Arbeit. Was sagt überhaupt der Arzt, daß Ihr mit 63 Jahren noch arbeitet?! Nun seid alle herzlichst gegrüßt u. geküßt von Eurem Euch innig liebenden Sohn Fritz
Liebe Eltern!
Ich bin auch sehr müde, wenn ich abends nach Hause komme, da ich den ganzen Tag auf den Beinen bin. Die Arbeit macht mir aber viel Freude; Ich arbeite als Pflegerin u. Gerti hat eine Hausgehilfin. Sonst geht es uns gut u. wir hoffen von Euch das selbe. Edith ist eine richtige Puppe geworden u. alle Pflegerinnen sind verrückt mit ihr. Jetzt ist sie schon bald ein Jahr u. wiegt 9 kg, ist aber sehr klein. Nun herzl. Gr. u. K. Franzi u. Kinder.
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Abb. 24a + b
Der Umschlag trägt den runden Stempel des deutschen Zensors. Brief und Umschlag zeigen Schmierstreifen der zur Sichtbarmachung geheimer Nachrichten verwendeten Chemikalien. Die Eltern beantworteten den Brief am 8. November 1943. Laut der zentralen Datenbank der Namen der Shoah-Opfer wurde die Familie Laufer im September 1944 in einem der letzten Transporte – wie die Franks – aus dem holländischen Lager nach Theresienstadt deportiert, von wo aus sie nach Auschwitz transportiert wurden, wo alle vier Familienmitglieder starben.
Abb. 24a, b zeigen eine Postkarte von H. Jures in Westerbork, datiert 2. November 1943, kurz nach dem Brief der Familie Laufer, die laut Poststempel aus der nahegelegenen Stadt Assen verschickt wurde. Die kurze auf Deutsch geschriebene Nachricht auf der Rückseite enthält nur die Empfangsbestätigung eines Päckchens. Leider war nicht mehr über diesen Internierten herauszufinden.