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Einleitung

Ein neuer Denkansatz

Was die Bibel für das erste Jahrtausend unserer Zeitrechnung gewesen sei, so meinen manche, sei für das zweite Charles Darwins Meisterwerk Über die Entstehung der Arten im Thier- und Pflanzenreich durch natürliche Züchtung (1859, die erste deutsche Ausgabe erschien unter dem genannten Titel im Jahr 1860). Wie dem auch sei, Tatsache ist, dass Darwin eine Umwälzung des Denkens in Gang setzte, die in der Geschichte der Wissenschaften ohne Beispiel ist. Mehr noch als Kopernikus, Galilei, Newton und Einstein hat Darwin das Bild, das wir von uns selbst und von der Welt haben, von Grund auf und unumkehrbar verändert.

Es kann kein Zweifel daran bestehen, dass die Evolutionstheorie ein Meilenstein ist – sie gehört zu den größten intellektuellen Leistungen in der Geschichte der Menschheit. Kennzeichnend für derartige wissenschaftliche Revolutionen ist es, dass sie zuvor isolierte Forschungsgebiete zusammenführen, dass sie zahlreiche neue Fragen aufwerfen und nicht zuletzt die Welt in ein neues, schärferes Licht tauchen. All dies trifft auch – und in zunehmendem Maße – auf die Evolutionstheorie zu. Denn Darwins bahnbrechende Entdeckung hat einen völlig neuen Denkansatz begründet, dessen zahlreiche Implikationen wir gerade erst zu verstehen beginnen. Die wichtigste ist vielleicht die, dass wir die Evolution des Lebens und die Entstehung des Menschen ohne Bezug auf das Übernatürliche erklären können.

Darwin stellte das seinerzeit herrschende Weltbild auf den Kopf. Mehr als zweitausend Jahre lang war man der festen Überzeugung, ein höheres Wesen habe alles Leben auf der Erde erschaffen. Ließen Bau und Komplexität der Gliedmaßen, der Sinnesorgane oder des Nervensystems nicht einzig den Schluss zu, dass ein Schöpfer am Werk gewesen war, ein göttlicher Handwerker? Dieser Auffassung liegt das sogenannte Design-Argument (argument from design) zugrunde: Jedes komplexe Ding setzt einen intelligenten Designer voraus. Nun hat dieses Argument auf den ersten Blick durchaus einiges für sich. Komplexe und funktionale Dinge entstehen ja oft nicht mir nichts, dir nichts oder ohne Zweck und Ziel. Artefakte wie Uhren, Computer oder Jumbojets wurden von Ingenieuren, Designern und anderen schlauen Köpfen erdacht und hergestellt. Sie verraten Intelligenz. Um wieviel mehr müsste dies für lebende Organismen gelten, da das erstbeste Insekt um vieles komplexer ist als der modernste Computer oder der Spaceshuttle. Kurz, wenn man die Funktionalität und Komplexität der Lebewesen studiert, kann man sich schwerlich des Eindrucks erwehren, jemand habe all dies zielbewusst entworfen. Es gab daher auch lange keinen Grund, die Schöpfung anzuweifeln. Über zwei Jahrtausende lang sah man überall einen göttlichen Ingenieur am Werk.

Erst Darwin hat uns eine wissenschaftliche Erklärung für die wunderliche Vielfalt und Zweckmäßigkeit des Lebens gegeben. Nicht aus dem „Höheren“ ist das Leben hervorgegangen, sondern aus dem „Niederen“: Alle Organismen unseres Planeten stammen von organischen Molekülen und primitiven Einzellern ab, die vor ca. vier Milliarden Jahren im Ozean entstanden. Auf genetischer Ebene sind die verschiedenartigsten Organismen eng miteinander verwandt. Kontrollgene, die beim Menschen die Embryonalentwicklung steuern, finden sich etwa auch bei allen anderen Wirbeltieren und sogar bei Insekten. In genetischer Hinsicht unterscheidet sich der Mensch nur geringfügig von seinen engen Verwandten, dem Schimpansen und dem Bonobo. Der wissenschaftliche Beweis für den gemeinsamen Ursprung und die Evolution des Lebens ist überwältigend. Der blinde Mechanismus, den Darwin entdeckte, die natürliche Selektion, ist offensichtlich in der Lage, das intelligente Design zu simulieren.

Die Umwälzung, die Darwins Gedanke bedeutete, ist ein treffendes Beispiel für das, was der amerikanische Wissenschaftstheoretiker Thomas Kuhn einen „Paradigmenwechsel“ nannte. Kuhn zufolge hat es im Lauf der Geschichte immer wieder wissenschaftliche Revolutionen gegeben, die das eine Paradigma oder Weltbild durch ein anderes ersetzten. Ein klassisches Beispiel ist die Kopernikanische Wende vom geozentrischen hin zum heliozentrischen Weltbild. Zur Bestürzung seiner Zeitgenossen behauptete Kopernikus, nicht die Erde, sondern die Sonne stehe im Mittelpunkt des Universums.

Nach einem Paradigmenwechsel, so Kuhn, finden sich Forscher in einer anderen Welt wieder: Die Tatsachen erscheinen plötzlich in einem völlig anderen Licht. Mit wissenschaftlichen Revolutionen verändern sich nicht nur die Theorien, sondern auch das allgemeine Weltbild und die wissenschaftliche Praxis. Dies gilt auch für Darwins Evolutionstheorie.

Evolutionär denken

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