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2 Sexuelle Selektion

Die Doppelhelix

Mit der Synthese der Evolutionsforschung Ende der Dreißigerjahre war die Entwicklung keineswegs abgeschlossen. Im Gegenteil, die Evolutionsbiologie sollte in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts einer der wichtigsten Pfeiler der modernen Naturwissenschaften werden. Darwin ist aktueller denn je. Von großer Bedeutung waren ohne Frage die Entdeckungen der Molekularbiologie, die Erforschung der materiellen Grundlage des Lebens. Auch dies stellte einen Bruch mit der Vergangenheit dar. Noch in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts war mancher Wissenschaftler und Philosoph Anhänger des sogenannten Vitalismus, demzufolge sich die lebende Natur wesentlich von der unbelebten unterscheidet. Grundlage allen Lebens sei eine mysteriöse, unstoffliche „Lebenskraft“. Die Molekularbiologie zeigte, dass eine solche Annahme überflüssig war. Das Leben ist materiell erklärbar, es sind keine mysteriösen, unstofflichen Substanzen oder Prozesse nötig, um das Wesen des Lebens zu erklären.

1953 entdeckten der Engländer Francis Crick und der Amerikaner James Watson die Molekülstruktur der DNA, die Doppelhelix (Abb. 2.1). 1962 erhielten beide für diese Leistung den Nobelpreis. Alles Leben auf der Erde ist aufgebaut aus zwei Zucker-Phosphat-Strängen, die, um eine gemeinsame Achse gewunden, eine Doppelspirale bilden. Die Bausteine der Stränge bestehen aus vier organischen Basen, nämlich Adenin (A), Cytosin (C), Guanin (G) und Thymin (T). Sie sind komplementär, Adenin und Thymin bzw. Guanin und Cytosin bilden ein Paar. Über Wasserstoffbrücken zwischen den Basenpaaren sind die Stränge miteinander verbunden. Durch die Reihenfolge der Basen in der DNA wird die Erbinformation, der Bauplan der Organismen, festgelegt.

Die Entdeckung der Doppelhelix wies aufs Neue auf einen gemeinsamen Ursprung des Lebens auf unserem Planeten hin. Alle Organismen bestehen aus den gleichen elementaren Bausteinen. Die Molekularbiologie ermöglichte es überdies, Vermutungen über die stammesgeschichtliche Entwicklung zu überprüfen. Die evolutionäre Geschichte lässt sich mithilfe der sogenannten „molekularen Uhr“ rekonstruieren. Die Geschwindigkeit, mit der zufällige Mutationen auftreten, ist oft sehr konstant, dies gilt vor allem für Mutationen in der Mitochondrien-DNA. (Mitochondrien dienen der Atmung und dem Stoffwechsel der Zelle; diese Organellen kommen in allen tierischen und pflanzlichen Zellen vor. Die Mitochondrien-DNA wird ausschließlich über die Mutter vererbt, im Gegensatz zur DNA des Zellkerns, der von beiden Eltern stammt.) Die Regelmäßigkeit, mit der Mutationen in den Zellorganellen auftreten, erlaubt es, den genetischen Weg zurückzuverfolgen und den ungefähren Zeitpunkt zu bestimmen, an dem Arten sich aufspalteten. Je kleiner die Unterschiede zwischen den Organellen-DNA zweier Spezies, desto rezenter haben sich ihre Abstammungslinien getrennt. Zwischen Menschen und Schimpansen beträgt der genetische Unterschied beispielsweise nur einige Prozent, zwischen Menschen und Taufliegen beträchtlich mehr. Falls die molekulare Uhr auch in der Vergangenheit mit konstanter Geschwindigkeit lief, was wahrscheinlich ist, dann lässt sich berechnen, dass der gemeinsame Vorfahr von Mensch und Schimpanse vor etwa sechs Millionen Jahren gelebt haben muss. Die Entwicklungslinien, die zum Menschen und zur Taufliege führen sollten, verzweigten sich hingegen schon vor etlichen Hundert Millionen Jahren.


Schematische Darstellung der DNA-Struktur.

A = Adenin, T = Thymin, C = Cytosin, G = Guanin

Abb. 2.1: Die Doppelhelix

Vor dem Zeitalter der Molekularbiologie und der modernen Genetik waren Biologen zur Bestimmung des Verwandtschaftsverhältnisses der Organismen auf die Untersuchung morphologischer Merkmale angewiesen. Doch körperliche Merkmale sagen nicht alles. Die morphologischen Unterschiede zwischen einer dänischen Dogge und einem Dackel sind augenfällig, doch eine DNA-Analyse zeigt, dass sie beide zur selben Art, Canis familiaris, gehören und ihre geringen genetischen Unterschiede auf künstliche Selektion in moderner Zeit zurückzuführen sind. Die molekulare Struktur ist ein relativ zuverlässiges Instrument, um Hypothesen über die Verwandtschaft und die Entwicklungsgeschichte der Arten zu überprüfen.

Übrigens hat die Molekularbiologie auch deutlich gemacht, dass die Genetik viel komplizierter ist, als die erste Generation der Neodarwinisten vermutete. So verhält es sich beispielsweise nicht so, dass die phänotypischen Merkmale eines Organismus durch einzelne Gene isoliert kodiert werden. Ein einzelnes Gen korreliert selten mit einem bestimmten Körpermerkmal. Vielmehr haben wir es mit einer Hierarchie von Genen und Genkomplexen und mit vielfältigen Wechselwirkungen zu tun. Auf der anderen Seite kann ein einzelnes Gen mehrere voneinander unabhängige phänotypische Merkmale beeinflussen. Man spricht dann von „Pleiotropie“. Der zugrunde liegende genetische Bauplan ist somit nicht allein ausschlaggebend für die äußere Gestalt eines Organismus. Umweltfaktoren spielen sicherlich eine ebenso große Rolle. Zwei genetisch identische Organismen können sich je nach den äußeren Bedingungen ganz unterschiedlich entwickeln. Der Phänotyp eines Lebewesens hat eine gewisse Variationsbreite, eine Tatsache, die Biologen mit dem Begriff „phänotypische Plastizität“ andeuten.

Evolutionär denken

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