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Wettkampf der Männchen

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Bei vielen Tierarten unterscheiden sich Männchen und Weibchen in ihrem Erscheinungsbild. Man spricht in diesem Zusammenhang von „Geschlechtsdimorphismus“: Die Geschlechter haben verschiedene Formen. In seinem 1871 erschienenen Werk Die Abstammung des Menschen und die Auslese in bezug auf das Geschlecht unterschied Darwin zwischen primären und sekundären Geschlechtsmerkmalen. Zu den primären Merkmalen zählte Darwin nicht nur die Geschlechtsorgane, sondern etwa auch den Beutel der Beutelsäuger und die Milchdrüsen der Säugetiere. Die primären Unterschiede zwischen den Geschlechtern haben alle unmittelbar mit der Fortpflanzung zu tun. Darwin interessierte sich jedoch mehr für die sekundären Geschlechtsmerkmale. Er vermutete, dass deren unterschiedliche Ausprägung bei Männchen und Weibchen indirekt zum Fortpflanzungserfolg beitragen. Dies gilt auch für das Geweih der Hirsche und für den Pfauenschwanz. Andere Beispiele sind die stark vergrößerte Schere der männlichen Winkerkrabben, der bizarre Oberkiefer des Hirschkäfers und das bunte Gefieder männlicher Paradiesvögel.

Auch bei Primaten (Affen, Menschenaffen und Menschen) kommt Geschlechtsdimorphismus in Bezug auf die sekundären Merkmale häufig vor. Ein gutes Beispiel sind die dominanten Männchen der Mandrille, einer in Westafrika heimischen Pavianart. Ihre Gesichter leuchten in allen Farben des Regenbogens, während die Gesichter der Weibchen ganz unauffälig sind. Manchmal unterscheiden sich die Geschlechter nicht so sehr in der Färbung oder Gestalt, sondern in Größe und Gewicht. So ist bei den Gorillas der Alphamann, das „Silberrückenmännchen“, viel größer als die Weibchen und dreimal so schwer. Auch bei Meeressäugetieren wie dem Walross und der Elefantenrobbe erreicht das Weibchen nur die Hälfte der Länge, aber noch nicht einmal ein Drittel des Gewichts des Männchens.

Geschlechtsdimorphismus kann sich auch im Verhalten der Tiere äußern, wie dem Gesang und der Balz vieler männlicher Vögel oder ihren (ritualisierten) Kämpfen. Auf dem Vogelzug fliegen die Männchen den Weibchen voraus oder bauen kunstvolle Nester usw. Diese sekundären Geschlechtsmerkmale haben, wie gesagt, keinen direkten Überlebenswert, schließlich kommen die Weibchen ohne sie auch ganz gut zurecht. Weshalb also haben sich diese auffälligen Unterschiede zwischen den Geschlechtern entwickelt? Im zweiten Teil der Abstammung des Menschen, der sich mit diesem rätselhaften Phänomen befasst, deutete Darwin die sekundären Geschlechtsmerkmale als Resultat einer gesonderten evolutionären Kraft neben der natürlichen Selektion: die sexuelle Selektion. Er verstand darunter „den Vorteil, den bestimmte Individuen gegenüber anderen des gleichen Geschlechts und der gleichen Spezies ausschließlich im Hinblick auf die Fortpflanzung besitzen“ (2. Teil, 8. Kapitel).

Darwin stieß mit seiner Theorie der sexuellen Selektion auf wenig Verständnis, es sollte bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts dauern, bis man erkannte, dass er Recht hatte und seiner Zeit weit voraus gewesen war.

Konkurrenz ist ein wichtiger Teil des Evolutionsprozesses. Dabei geht es nicht nur um Nahrung, Behausungen oder Reviere, sondern auch um die Mitglieder des anderen Geschlechts. Der Kampf zwischen Männchen um Paarungspartner ist die elementarste Form der sexuellen Selektion. Bei vielen Arten gelingt es nur wenigen Männchen, sich fortzupflanzen. Am heftigsten ist die Konkurrenz (male contest) bei den polygamen Arten, bei denen sich die Männchen mit möglichst vielen Weibchen zu paaren suchen, sie führt zu einem ausgeprägten Dimorphismus zwischen den Geschlechtern. Durch den Selektionsdruck wurden die Männchen nicht nur immer größer und schwerer, sondern entwickelten auch ein ganzes Arsenal an Waffen, von Geweihen und Hörnern bis zu Stoßzähnen und Scheren.

Um auf das Beispiel des Hirsches zurückzukommen: Das größte Männchen mit dem imposantesten Geweih wird sich den größten Harem zulegen, alle Hirschkühe befruchten und seine vorteilhaften Eigenschaften an seine männlichen Nachkommen weitergeben. Allerdings dauert seine Dominanz in der Regel nur ein Jahr, das fortwährende Kopulieren und der Kampf mit seinen Rivalen schwächen ihn derart, dass er oft buchstäblich vor Erschöpfung stirbt. In evolutionärer Hinsicht war er jedoch ausgesprochen erfolgreich, seine Gene haben sich reichlich im Genpool ausgebreitet, und damit hat er seine Aufgabe erfüllt. Im nächsten Jahr wird wieder ein neuer Kampf um die Hirschkühe entbrennen und ein neuer Platzhirsch das Rudel anführen. Doch auch die Weibchen, die dem Treiben von der Seitenlinie aus zuschauen, kommen nicht zu kurz. Sie können jedes Jahr sicher sein, dass sie vom stärksten Männchen mit den besten Genen befruchtet werden.

Bei monogamen Arten ist der Dimorphismus zwischen den Geschlechtern im Allgemeinen sehr viel geringer, da die Männchen weniger um die Gunst der Weibchen kämpfen müssen. Zu ihnen gehören viele Mitglieder der Krähenfamilie oder anderer Vogelarten wie der Albatross, aber auch den Menschen kann man zur monogamen Art zählen. Was Größe und Gewicht betrifft, unterscheiden sich daher Männer nicht sehr von Frauen. Doch wie wir noch sehen werden, spielt auch beim Menschen die sexuelle Selektion eine Rolle.

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