Читать книгу Evolutionär denken - Chris Buskes - Страница 28
Nature versus Nurture
ОглавлениеDie Frage, ob menschliches Verhalten und menschliche Psyche durch die Evolution geformt wurden, war lange Zeit sehr umstritten. Bis vor Kurzem war diese Annahme in den Sozialwissenschaften, wie der Psychologie, der Anthropologie und der Soziologie, mit einem regelrechten Tabu belegt. Nach gängiger Lehrmeinung wird der Mensch weitgehend durch Erziehung, soziales Milieu und Kultur geformt und spielen biologische und evolutionäre Einflüsse keine nennenswerte Rolle. Der moderne Mensch habe sich von seinen biologischen Wurzeln gelöst. Wir kommen als unbeschriebene Blätter zur Welt, auf denen dann Erziehung und Kultur ihre Spuren hinterlassen. Die These, auch biologische Faktoren könnten eine Rolle spielen, galt als Spiel mit dem Feuer und klang verdächtig nach einem biologischen Determinismus, demzufolge der Mensch gänzlich durch seine biologische Ausstattung bestimmt wird. Teilweise war diese Abwehrhaltung eine Reaktion auf die Verbrechen derer, die sich auf die Eugenik und die Rassentheorien des 20. Jahrhunderts berufen hatten. Nach dem Zweiten Weltkrieg verfielen die Sozialwissenschaften daher in das andere Extrem und vertraten einen reinen Kulturdeterminismus: Menschliches Verhalten ist „formbar“ und die Gesellschaft ist „machbar“. Wenn wir unsere Kinder nur gut erziehen und ausbilden, kann die Gesellschaft im Prinzip jede gewünschte Form annehmen. Die Sozialwissenschaften versicherten sich so ihrer Autonomie, indem sie biologische Erklärungsmodelle für menschliches Verhalten von vornherein ausschlossen.
Als daher der amerikanische Biologe Edward O. Wilson 1975 diese Sichtweise für zu eng befand und sich für das Studium des menschlichen Sozialverhaltens auf genetischer und evolutionsbiologischer Grundlage aussprach, war die Ablehnung einhellig. Für viele war Wilson ein Sexist und Rassist, der die Biologie missbrauchte, um die Ungleichheit zwischen den Menschen zu rechtfertigen. Sein Plädoyer für eine Soziobiologie, eine Synthese aus sozialer und biologischer Wissenschaft, fiel nicht auf fruchtbaren Boden.
Erst in den Achtzigerjahren des vorigen Jahrhunderts kam es zu einem Umdenken, man sah ein, dass das „sozialwissenschaftliche Standardmodell“ einseitig die Umwelteinflüsse (Erziehung, Bildung) betonte. Beide Aspekte, die Erbanlagen und die Umwelt, müssen in die Erforschung menschlichen Verhaltens einbezogen werden. Natur und Kultur sind untrennbar miteinander verbunden. Im fünften Kapitel gehen wir ausführlicher auf die Erkenntnisse der Soziobiologie und der Evolutionspsychologie ein. An dieser Stelle lüften wir nur einen Zipfel des Schleiers und werfen einen Blick auf die Rolle, die die sexuelle Selektion für die Entwicklung des Menschen spielt.