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Sexuelle Selektion, Ehebruch und Emotionen

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Sexuelle Selektion hat beim Menschen auch zu physiologischen Anpassungen geführt. Um sich einer dauerhaften emotionalen Bindung zu vergewissern, sind Frauen ständig sexuell anziehend für ihre männlichen Partner geworden. Bei den übrigen Primaten sind die Weibchen nur während einer kurzen Periode sexuell begehrenswert. In der fruchtbaren Periode schwillt ihr Gesäß beispielsweise an und leuchtet grell rot. Es signalisiert den männlichen Schimpansen, Bonobos und Pavianen ihre Paarungsbereitschaft. Bei den Menschen ist die weibliche Ovulation verborgen, die sexuelle Aktivität ist nicht auf eine kurze Zeit begrenzt. So soll verhindert werden, dass Männer sich anderen Frauen zuwenden. Der Mann hat verglichen mit anderen Primaten nach dem Gorilla den kleinsten Spermienvorrat. Das relativ geringe Samenreservoir scheint auf eine monogame Lebensweise abgestimmt, zu der regelmäßiges Kopulieren gehört. Bei den polygamen Menschenaffen reagieren die Weibchen nur während der Brunst, dem sogenannten Östrus, auf die sexuelle Annäherung der Männchen. Da die Männchen sich dann oft mehrere Male mit verschiedenen Weibchen paaren, entsteht eine Spermienkonkurrenz: Das Männchen mit dem größten Vorrat hat gegenüber seinen Nebenbuhlern einen Vorteil. Es ergibt sich eine Art Selektionsdruck zugunsten eines größeren Ejakulats. Die Hoden von Schimpansen und Bonobos sind denn auch viel größer als die der männlichen Vertreter der Gattung Homo sapiens.

Bei den Menschen haben Frauen noch ein weiteres auffälliges Merkmal, nämlich permanente Brüste. Während bei den Weibchen der übrigen Primaten die Brüste nur zur Laktationszeit anschwellen, verdanken sich die weiblichen Brüste beim Menschen nicht der Aktivität von Milchdrüsen, sondern der Ablagerung von Fett- und Bindegewebe. Sie signalisieren wiederum dauernde Fruchtbarkeit. Permanente Brüste könnten darüber hinaus ein schlauer Trick sein, eine Schwangerschaft zu verbergen. Wüsste ein Mann, dass eine Frau schwanger ist, könnte er sein Interesse an ihr verlieren. In seinem etwas überholten Buch Der nackte Affe wagte sich der englische Zoologe Desmond Morris 1967 an eine andere Erklärung: Als der Mensch im Lauf seiner Evolution aufrecht zu gehen begann, wurde der bei Primaten übliche Coitus a tergo während der Paarung allmählich durch die Missionarsstellung verdrängt, bei der die Partner einander das Gesicht zuwenden. Und da nun das in der Affenwelt als starkes sexuelles Signal empfundene hochgereckte Hinterteil nicht mehr sichtbar war, entwickelten sich sozusagen als Ersatz dafür die vorgewölbten Brüste!

Die unterschiedlichen Fortpflanzungsstrategien bei Männern und Frauen haben nach Ansicht der Evolutionspsychologen auch zu mentalen Unterschieden geführt. Männer und Frauen haben nicht die gleichen Emotionen, vor allem was Liebe und Sexualität betrifft. Nehmen wir zum Beispiel die Eifersucht. Männer und Frauen werden aus unterschiedlichen Gründen eifersüchtig, da sie verschiedene Interessen verfolgen. Die natürliche Angst des Mannes ist es, dass er nicht in den eigenen Nachwuchs investiert, sondern in den eines Anderen, dass er es mit einem Kuckuckskind zu tun hat. (In mehreren europäischen Sprachen hat der Kuckuck mit seinem parasitären Brutverhalten seinen Namen dem betrogenen Ehemann gegeben. Im Englischen etwa heißt ein solcher cuckold.) Die Schreckensvision des Mannes ist, seine Partnerin könnte heimlich mit einem anderen Mann Sex haben und infolgedessen würde er unfreiwillig in fremde Gene investieren. Die Schreckensvision der Frau dagegen ist, der Partner könnte sich emotional an eine andere Frau binden und der versprochenen Investition nicht mehr nachkommen. Er reagiert heftig auf Anzeichen sexueller Untreue, sie auf Anzeichen emotionaler Untreue.

In verschiedenen Kulturen scheinen Frauen bereit, den Männern ihre sexuellen Eskapaden zu verzeihen, solange sie nur weiter für die Familie sorgen und die emotionale Bindung intakt bleibt. Solange der Mann nicht mit seiner – oft jüngeren – Geliebten durchbrennt, drückt die Frau schon mal ein Auge zu. Der Ehebruch der Frau hingegen gilt in allen Kulturen als verwerflich, da er die evolutionäre Aufgabe des Mannes sabotiert, seine Gene zu verbreiten. Eine Frau weiß zumindest, dass jedes Kind, das sie zur Welt bringt, immer fünfzig Prozent ihrer Gene besitzt.

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