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Ein Bischof als Finanzminister
ОглавлениеRegensburg, das war damals ein ausgeplündertes, verrottetes Bistum, das niemand haben wollte. Alberts Vorgänger, ein gewisser Graf von Pietengau, hatte die Diözese mit skrupelloser Machtpolitik, Krieg und Mord zugrunde gerichtet. Ein Bettelmönch als neuer Bischof, als Reichsfürst – in einer auf Geld und Pomp versessenen Kirche mochte das durchaus als Signal zur Umkehr verstanden werden.
Ohne jeden Prunk zog er zu Fuß in seine Bischofsstadt ein. Er fand die Vorratsspeicher leer, dafür Schulden in astronomischer Höhe. „Nahrung für ihn und sein Gesinde gab es nicht“, berichtet ein Chronist schaudernd, „auch kein Futter für die Pferde. Es war nichts vorhanden, was auch nur den Wert von einem Ei gehabt hätte.“
Albert, das Multitalent, wurde auch mit dieser Herausforderung fertig. Der Naturforscher und Theologe verwandelte sich in einen Finanzminister. Er traf geschickte Maßnahmen zur Haushaltssanierung; binnen eines Jahres war das Bistum tatsächlich schuldenfrei. Die Menschen dankten es ihm nicht. Die einfachen Leute zeigten sich enttäuscht von dem Hungerleider auf dem Bischofsthron, der ihnen das Schauspiel der Prachtentfaltung vorenthielt und auf alle Zeichen seiner Würde verzichtete.
Bisher hatte man im Gefolge des Bischofs prunkvoll aufgeputzte Rösser bewundern können. Albert aber pflegte zu Fuß durch seine Diözese zu marschieren. Ein Esel trug die Gewänder für den Gottesdienst. Unangemeldet tauchte er zur Visitation auf, leitete eine Klosterreform ein, suchte sich qualifizierte Laien zur Verwaltung der Bistumsfinanzen.
Von seinen Predigten aber zeigten sich die Menschen fasziniert. Albert fing das ausgesprochen geschickt an: Er ließ seine wichtigsten Sätze von Malern zusammen mit eingängigen Illustrationen auf Holztafeln übertragen, die dann in den Kirchen aufgestellt wurden. Diese sogenannten Alberti-Tafeln fanden bis nach Westfalen und Österreich Verbreitung; heute können sie in Museen bewundert werden. Die Merksprüche des Bischofs wollen deutlich machen, worauf es beim Christsein wirklich ankommt:
Verurteile niemand, das ist Gott wohlgefälliger, denn dass du dein Blut vergießest sieben Stunden am Tag.“ „Wer ein hartes Wort geduldig erträgt in der Liebe unseres Herrn, das ist Gott wohlgefälliger, denn dass er zerschlüge auf seinem Rücken so viel Besen, als auf einem ganzen Acker gewachsen sind.“
„Geh selber zu Gott, das ist dir nützer, denn dass du all die Heiligen und alle die Engel hinsendest, die im Himmel sind.“
Zwei Jahre nach seiner Bischofsweihe gab Albert das Amt zurück. Das Reformprogramm war eingeleitet, ein guter Nachfolger stand bereit. Der Wandertrieb erfasste ihn wieder. Wir finden ihn in Augsburg, Würzburg, Frankfurt, Köln, im Elsass, in Brandenburg, in Basel und Antwerpen. Er weihte Kirchen ein, erstellte Gutachten, schrieb Bücher, betätigte sich als Schiedsrichter: Alberts Name steht unter rund hundert Friedensschlüssen aus jener Zeit. Damals hatte er schon die achtzig überschritten.
Erst in Alberts allerletzten Lebensjahren setzte ein rapider Verfallsprozess ein. Die Sehkraft ließ nach, Arthrose und Gicht plagten den alten Mann. Eine Legende deutet den körperlichen Verfall auf zarte Weise als Berührung Gottes: Während einer Vorlesung verließ den greisen Lehrer plötzlich sein Gedächtnis, und er musste abbrechen. Die Zuhörer waren bestürzt. Nach einer Weile fasste sich Albertus und erzählte seinen „lieben Brüdern“, vor vielen Jahren sei ihm die Gottesmutter erschienen und habe ihm prophezeit, Gott werde durch seine Wissenschaft die ganze Kirche erleuchten. Damit er aber nicht dem Hochmut verfalle, werde Gott vor seinem Tod alle Weisheit von ihm nehmen und ihm die Einfalt eines Kindes wiedergeben.
Am 15. November 1280, im gesegneten Alter von über achtzig Jahren, starb Albert der Große einen friedlichen Tod, im Sessel sitzend, umringt und getröstet von seinen Mitbrüdern.