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Eine Zweiundzwanzigjährige macht Geschichte

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Doch noch viel mehr staunten die Münchner über ihre Entschlossenheit, als den Kurfürsten nach vier Jahren Ehe am 12. Februar 1799 ein letzter, diesmal tödlicher Schlaganfall ereilte – am Spieltisch, passenderweise. Außerordentlich geschickt machte Karl Theodors scheinbar so verspielt-naive zweiundzwanzigjährige Witwe in diesen schicksalhaften Tagen die komplette politische Strategie des Wiener Hofes zunichte!

Denn natürlich stand die Wiener Verwandtschaft Gewehr bei Fuß, als die Nachricht durchsickerte, der Kurfürst liege im Sterben, es gebe kein Testament und er könne in seinem Zustand auch keines mehr diktieren. Höchste Zeit, zu handeln! Der österreichische Gesandte Graf Seilern hastete in die Münchner Residenz, bei sich hatte er einen Sonderbotschafter des Kaisers, den Grafen Colloredo – und, wichtiger noch, den ominösen Tauschvertrag „Bayern gegen die österreichischen Niederlande“. Es würde ein Leichtes sein, den sprachgelähmten Kurfürsten zur Unterschrift zu bewegen, sollte er noch einmal aus dem Todeskampf erwachen.

Doch die ausgefuchsten Diplomaten hatten nicht mit der Renitenz von Maria Leopoldine gerechnet. Jetzt endlich wollte einmal sie das Gesetz des Handelns bestimmen. Die Kurfürstin pflanzte sich an der Tür zu Karl Theodors Krankenzimmer auf und verwehrte den entgeisterten Sendboten des Kaisers den Zutritt. Kaum war die Wiener Delegation unverrichteter Dinge abgezogen, schickte sie eine Depesche an den Herzog von Zweibrücken, Max Joseph; die Zweibrückener Seitenlinie der Wittelsbacher erhob ja ebenfalls Anspruch auf das Münchner Erbe. Maria Leopoldine verstand sich offensichtlich prächtig mit dem Herzog; in fliegender Hast schrieb sie ihm:


Im wichtigsten Augenblick meines Lebens wende ich mich an Sie; der Kurfürst ist in der Agonie. Der Kurier, der Ihnen diese Nachricht überbringen soll, ist in Eile; mir bleibt nur die Zeit, mich Ihnen zu empfehlen, da Sie mein einziger Rückhalt sind (…). Jetzt bin ich Ihre Untertanin und stolz darauf. (…) Ich erwarte Sie mit Ungeduld und werde mich nach Ihren Befehlen richten.“

Vier Tage später war Karl Theodor tot. Die kaiserlichen Gesandten witterten noch eine letzte Chance, den habsburgischen Einfluss in Bayern zu zementieren: Sie fragten Maria Leopoldine mehrmals eindringlich, ob sie ein Kind vom verstorbenen Kurfürsten erwarte – was sie sichtlich genervt verneinte. Dem Wiener Kaiserhof war damit jedes Recht entzogen, sich – unter dem Vorwand der Fürsorge – weiter in die bayerischen Belange einzumischen. Maria Leopoldine hatte sich endgültig von ihrer Familie emanzipiert – und Geschichte gemacht.


Es gelang ihr in der Schicksalsstunde Bayerns, eine Schlüsselstellung einzunehmen, die Einverleibung des Kurfürstentums in das Habsburgerreich zu verhindern und einer neuen wittelsbachischen Dynastie den Weg zur kampflosen Übernahme der staatlichen Gewalt in Bayern zu ebnen. Diese Leistung lässt sich in einem Jahrhundert, das vier Erbfolgekriege gesehen hat, nicht hoch genug einschätzen.“

Sylvia Krauss-Meyl, Historikerin und Archivrätin in München

Jetzt regierte also wieder ein Pfälzer in München, Max Joseph aus Zweibrücken, der jedoch im Unterschied zu Karl Theodor volkstümlich und beliebt war. 1806 wurde er König von Napoleons Gnaden. Maria Leopoldine hielt sich vom politischen Trubel der Hauptstadt fern, sorgte aber nach wie vor für kleine bis größere Skandale.

Bayerische Charakterköpfe

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