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Im Ehebett ging es „nicht ganz gut“
ОглавлениеSei’s drum. Der Kurfürst mag nicht der menschenverachtende Popanz gewesen sein, den man zu Lebzeiten und auch noch später aus ihm machte – für die taufrische Italienerin kam die Ehe mit dem abgetakelten Lebemann einem Fegfeuer gleich. „Was schickt der Herr aus Mailand?“, sangen die Münchner. Maria Leopoldines Vater war der Erzherzog von Modena in der Lombardei, ein Sohn der Kaiserin Maria Theresia, er residierte in Mailand und hatte dort das berühmte Teatro della Scala gebaut. Eheschließungen in diesen Kreisen hatten wenig mit Liebe zu tun, dafür umso mehr mit Politik.
Maria Leopoldine, ein aufgewecktes, manchmal wildes Kind, verbrachte eine glückliche Jugend am Mailänder Hof, musste aber früh begreifen, dass ihr junges Leben Manövriermasse in der Hand des Habsburgerclans war.
Ich ward in einer Zeit erzogen, wo man dachte, dass die Damen und besonders die Prinzessinnen nicht viel Bildung nötig hätten (…), und man vernachlässigte das Wichtigste, unser Herz und unseren Geist zu bilden. Bestimmt, Opfer des Herkommens der Politik der Höfe zu werden, verfügte man über unsere Persönlichkeit und fand es sehr bequem, über kleine sehr willige Dummköpfe zu verfügen, die unfähig waren, den Zwang zu empfinden, den man auf ihre Persönlichkeit ausübte, und folglich keinen Widerstand dagegen leisteten.“
„Gottlob, dass er schon so alt ist!“, hatte sie erleichtert ausgerufen, als sie ihren künftigen Ehemann zum ersten Mal auf einem Aquarell erblickte. Nun war die Mailänderin also Karl Theodors Gemahlin geworden, und es kam, wie es kommen musste. Worüber man in München alsbald leise tuschelte oder auch laut lachte, das formulierte der österreichische Gesandte Graf Lehrbach in seinen Berichten an den Wiener Hof mit vornehmer Zurückhaltung: Man spreche davon, „dass es im Ehebett nicht ganz gut gehe“.
Es konnte ja auch nicht gut gehen. Auf der einen Seite das quirlige, springlebendige, unverschämt junge Mädchen mit dem Temperament einer Italienerin, der Neugier einer Philosophin und den Umgangsformen eines ungebärdigen Teenagers; wenn sie aufgeregt sei, verfalle sie in einen entzückenden alpenländischen Dialekt, erzählte man sich. Klassisch schön ist sie nach den erhaltenen Porträts nicht gewesen, aber schwarze Glutaugen, eine gerade Nase, tadellos weiße Zähne und dichte dunkle Haare verliehen ihr einen eigenartigen Reiz.
Auf der anderen Seite der Kurfürst, immer noch eine attraktive Erscheinung von „kräftiger Leibesbeschaffenheit“, wie Graf Lehrbach nach Wien schrieb, aber nach einem zügellosen Lebenswandel und mehreren Schlaganfällen in seiner Gesundheit merklich beeinträchtigt. Seiner blutjungen Gattin hatte er anfangs generös zugestanden, Hauptsache, sie schenke ihm einen Thronerben, er werde nicht danach fragen, wer der Vater sei. Aber als Maria Leopoldine Gebrauch von dem freundlichen Angebot zu machen begann und sich mit hübschen Männern ihres Alters umgab, war er seine Großvaterrolle schnell wieder leid. Er machte ihr lächerliche Vorschriften, ließ jeden ihrer Schritte überwachen, doch sie trickste seine Spione aus.
Italienische Militärs hatten die besten Chancen. Aber auch dem Hofmusiker Franz Eck schenkte sie ihre Gunst. Und dem Oberstsilberkämmerer Graf von Tauffkirchen. Und dem Kämmerer Graf Carl von Arco. Und wohl auch dem Kardinal della Genga, der für seine Frauengeschichten bekannt war und auch noch später, als er zum Papst gewählt worden war, mit Maria Leopoldine korrespondierte.
Die Münchner Gesellschaft schockierte die Kurfürstin mit den skurrilsten Ideen: Glucksend vor Vergnügen informierte sie die Gäste an der Hoftafel darüber, dass sie gerade Katzen- oder Fledermausfleisch gegessen hätten. In selbstinszenierten Komödien schlüpfte sie in die Rolle antiker Göttinnen.