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„An diesem Volksstamm kannst zerschellen …!“ Ein Vorwort

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„An diesem Volksstamm kannst zerschellen …!“, klagt der ausgeschmierte Tod im „Brandner Kaspar“ über die Bayern, und der muss es wissen. Denn wer kennt die Menschen besser als der Knochenmann, der um das Schicksal jedes einzelnen weiß?

(Er sagt es übrigens nicht in Franz von Kobells 1871 in den „Fliegenden Blättern“ erschienener hintersinniger Geschichte, sondern erst in der Bühnenbearbeitung von Kobells Ururgroßneffen Kurt Wilhelm für das Münchner Residenztheater 1975. Da ist der Himmel schon fest in bajuwarischer Hand und die Pforte für Preußen verschlossen; „sonst war’s ja koa Paradies mehr“.)

Der Stoßseufzer des „Boanlkramers“, wie man den Sensenmann hierzulande lange Zeit plastisch genannt hat („Boanl“ sind Gebeine), könnte zu der irrigen Meinung führen, nur Sturschädel und unbelehrbare Trotzköpfe könnten richtige Bayern sein: Paradeexemplare wie Franz Josef Strauß oder Ruth Drexel, der aufmüpfige Lohnkutscher Franz Xaver Krenkl („Wer ko, der ko!“) oder der politisch unflexible Herzog Tassilo am Beginn der weißblauen Geschichte.

Nun gehören zum bajuwarischen Charakter tatsächlich immer schon das Misstrauen gegen jede Art von Obrigkeit, ein Hang zur Rebellion und ein Hauch von Anarchie. Kraftmenschen, die sich den Schneid nicht abkaufen ließen und sich nicht vor der Macht duckten, hat man hier stets geschätzt – ob es sich nun um den listigen Dorfpfarrer Johann Nepomuk Kleber handelte, der die Nazis mit hinterfotziger Ironie der Lächerlichkeit preisgab, oder um den schneidigen Wilderer Georg Jennerwein, der sich auf das uralte Gewohnheitsrecht der armen Leute berief.

Aber Kraftmensch, Selbstdenker, Charakterkopf – das ist ein Begriff mit vielen Facetten. Schon der „Charakter“ ist doppeldeutig: Ist die ganz besondere Eigenart eines Menschen gemeint, sein Naturell, seine Persönlichkeit? Oder heißt „Charakter“, dass jemand Rückgrat besitzt, Format, Standhaftigkeit, Integrität?

Charakterköpfe müssen keine Helden sein. Auch vordergründig Gescheiterte, tapfer Leidende, verzweifelt sich aus dem Leben Stehlende gehören dazu wie Elly Maldaque, Emerenz Meier, Lena Christ. Leise Rebellen, die ihre Schwäche und Melancholie nicht selten in Kraft verwandeln und uns heute noch inspirieren. Auch versponnene Romantiker wie Ludwig II., der lieber Schlösser bauen als Kriege führen, lieber von Schönheit träumen als intrigante Machtpolitik für eine Dynastie machen wollte.

Und der Autor, ist er überhaupt ein echter Bajuware? Ein Oberpfälzer mit böhmischen Wurzeln bin ich. Biografien von Franzosen und Italienern habe ich geschrieben, von US-amerikanischen Gewerkschafterinnen und jüdischen Talmudgelehrten. Aber am liebsten schreibe ich über meine bayerischen Landsleute.

Einige Gründe dafür finden Sie in diesen Lebensgeschichten.

Regensburg, im Sommer 2021

Christian Feldmann

Bayerische Charakterköpfe

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