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Kapitel 5
ОглавлениеDie Reifen drehten durch, als Kaleb über den Schotterweg förmlich zurück auf die Landstraße flog. Auf dem Rückweg hatte er es genauso eilig wie auf dem Hinweg – wen auch immer er verfolgte, momentan war ihm dieser zumindest noch einen Schritt voraus und den galt es aufzuholen.
Viele Frauen mochten zwar auf seine engen Jean stehen, in denen sein durchtrainierter Hintern gut zur Geltung kam, aber enge Jeans haben in der Regel auch enge Hosentaschen und aus denen beim Fahren das Handy herauszuholen, war schwierig. Endlich hatte er es geschafft.
„Hey Claudi!“
„Wer wagt es?“ Die Stimme klang nicht nur verschlafen, sondern auch ein wenig gereizt.
„Wir haben kurz vor sechs, also wer um alles in der Welt ist so wahnsinnig mich zu wecken?“
„Hier ist Kaleb – ich brauche deine Hilfe“.
„Meine Hilfe?! Du, Altes, entschuldige, wenn ich das so sage, Arschloch. Du meldest dich fast anderthalb Jahre nicht bei mir und dann morgens um kurz vor sechs und fragst, ob ich dir helfen kann?“
„Es ist echt dringend!“
„Dass es dringend ist, glaub ich dir. Was ist denn los?“
Diese Frage klang eher ironisch oder fast schon sarkastisch. Der Unterton war gewollt und schwang ganz bewusst und unüberhörbar mit.
„Wirst du von irgendeiner Frau steckbrieflich gesucht oder hat jemand eine Schlägertruppe auf dich angesetzt?“
Kaleb ahnte, dass es wohl kein so langes Telefongespräch werden würde.
„Falls das so ist, sag mir, wo du bist. Dann komm ich und helfe den Jungs. Vielleicht lassen sie mich auch mal zuschlagen.“
Danach war die Leitung tot und bestimmt nicht durch ein Funkloch.
Kaleb starrte auf die Straße. Die Nacht neigte sich langsam ihrem Ende und er konnte sehen, wie die Häuser langsam in die Farben der aufgehenden Sonne getaucht wurden. Zwischen den Violett- und Rottönen sah er auch die Dachspitze des Verlagshauses, in dem die Redaktion war, in der er arbeitete. Bis dorthin bräuchte er, da er über die Umgehungsstraße fahren könnte, mit dem Auto von hier aus nur einige Minuten.
Während der Fahrt hatte er allerdings beschlossen, nirgends hinzufahren, wo er sich in den letzten Tagen oder Monaten aufgehalten hatte. Deshalb schieden seine Wohnung und das Verlagshaus als mögliche Ziele aus. Er wollte auch niemanden aufsuchen, zu dem er in letzter Zeit Kontakt hatte. Es war einfach zu gefährlich. Er wusste noch nicht sicher, wer sein Gegner war, aber eine schlimme Vorahnung machte sich langsam breit.
Claudi hingegen wäre eine Ausnahme gewesen. Das Intermezzo mit ihr lag nun schon über ein Jahr zurück und war auch eher ein um ein paar Tage verlängerter One-Night-Stand gewesen. An manchen Tagen hasste Kaleb sich dafür selbst, denn seine ganze Liebe galt völlig und ungeteilt Kati, trotzdem konnte er diesen Seitensprung auch nicht als Versehen bezeichnen. Es war eine Verkettung unglücklicher Umstände. Kati war für zwei Wochen auf einem Lehrgang und er war auf diesem Wahnsinnskonzert von Pink und danach war es eben passiert. Claudi dachte, es könnte wirklich etwas werden, aber ihre Beziehung hatte vier Tage gehalten, danach hatte er Claudi erklärt, dass sie sich auseinander gelebt hätten, was sie ziemlich verärgerte. Damals hatte er noch gedacht, dies sei wohl eine dieser unüberwindbaren Hürden zwischen Männern und Frauen und nicht allein auf die Sache mit dem X- und Y-Chromosom zurückzuführen. Bei Frauen waren alle Dinge direkt auf einer völlig unerreichbaren und für ihn unverständlichen Gefühlsebene. Sie weinen schreien, werfen mit Gegenständen um sich und rufen Sätze wie: „Vor Männern wie dir hat mich meine Mutter gewarnt!“ oder „Mach dich dahin, wo der Pfeffer wächst!“
Ganz nüchtern betrachtet gab er ihr heute in einigen Punkten recht. Im Rückblick betrachtet war es wirklich schwer, nach vier Tagen von „Auseinanderleben“ zu sprechen. Aber das Theater, das Claudi damals veranstaltet hatte, war auch ein wenig überzogen und wirklich broadwayreif gewesen. Sie hatte sich fast so aufgeführt, als ob sie jahrelang verheiratet gewesen wären, fünf gemeinsame Kinder und ein Haus gehabt hätten und das war ja nun auch nicht der Fall gewesen.
Selbst wenn sie ihm nun nach so langer Zeit und dem etwas unglücklichen Auseinandergehen, heute Morgen gesagt hätte, dass er kommen könnte, dann hätte er ihr immer noch erklären müssen, dass er nicht auf der Suche nach einem langen klärenden Gespräch war oder es um eine Entschuldigung ging, sondern dass er lediglich ihren PC bräuchte, damit er seine E-Mails abfragen konnte.