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„Der Typ hat eine Menge Geld gefordert“

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Über den Grund, weshalb Oliver R. beim Bundeskriminalamt nicht in Erscheinung treten wollte, kann nur gemutmaßt werden.

Über die finanziellen und politischen Absichten von M. und Oliver R. sagte Holzer in einem Interview vom 27.5.2020 gegenüber „oe24“:

„Der Anwalt ist damals bei mir aufgetaucht und hat gesagt: Vor den Landtagswahlen 2015 müsst ihr mit euren Ermittlungen gegen Strache fertig sein.‘ Der Typ hat dann eine Menge Geld vom Innenministerium gefordert – aber er hat uns nicht sagen wollen, von wem er das angebliche Belastungsmaterial hatte.“11

Nachdem sich Oliver R. dem Vernehmen nach nicht mit den in Aussicht gestellten 70.000 Euro zufrieden geben will, betritt ein weiterer Spieler der ÖVP die Bühne. Daniel Kapp, der in der PR-Branche als Mastermind für „spezielle Einsätze“ der ÖVP gilt, unternimmt einen weiteren Anlauf, die Vorwürfe gegen Strache an die Öffentlichkeit zu bringen. Seine Destination ist die SPÖ. Kurz vor der Wiener Landtagswahl im Jahr 2015 kontaktiert Kapp deren PR-Berater Rudi Fußi und erzählt ihm vom Material gegen Strache: von den Fotos von Geldtaschen, den beim Friseur entwendeten Haaren, aber auch von regelmäßigen Besuchen Straches bei einer Esoterikern vor wichtigen Entscheidungen. Der ÖVP-Mann Kapp fragt also bei der SPÖ an, ob sie sich hier nicht beteiligen wolle.

Fußi informiert daraufhin den damaligen SPÖ-Bundesgeschäftsführer Georg Niedermühlbichler. Dieser, 2015 auch Wahlkampfmanager der Wiener SPÖ, sagte dem „Standard“ im September 2019, dass es damals Gerüchte über belastendes Material über Strache gegeben habe. „Gesehen habe ich die Bilder aber nie“, meinte er.12

Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass auch bei den NEOS wegen einer finanziellen Beteiligung angeklopft wurde. Das behauptete Rudi Fußi in seiner Zeugeneinvernahme gegenüber der Polizei. Bestätigt wurde die Aussage von NEOS-Generalsekretär Nick Donig Ende Mai 2019 gegenüber der Zeitung „Welt am Sonntag“. Der Partei, so Donig, seien belastende, verwackelte Bilder und SMS-Chatverläufe von Strache zum Kauf angeboten worden. Die NEOS hätten aber abgelehnt. Donig bestätigte auf eine Anfrage des „Standard“ im September 2019, dass Anwalt Ramin M. in Verkaufsgespräche involviert gewesen sei.13

Brisant: Ein anonymer Informant, wie ihn der „Standard“ bezeichnete, sagte der Zeitung, dass sich die Verhandlungsgespräche 2015 bereits „konkret um das Spesenthema“ von Heinz-Christian Strache gedreht hätten. Um jene Spesen also, die nach der „Ibiza-Affäre“ zum endgültigen Bruch zwischen der FPÖ und ihrem früheren Parteichef führten. Heikel ist die Sache deshalb, weil es hier um einen Betrugsverdacht ging, den man – wer auch immer davon wusste – den Behörden verschwieg.

Dennoch, der perfide Plan, Heinz-Christian Strache ans Messer zu liefern, scheiterte vorerst.

In den Monaten nach diesen Geschehnissen, vor allem im Sommer 2015, sollte sich die politische Landschaft in Österreich nachhaltig verändern. Durch die Flüchtlingswelle und die verfehlte Asylpolitik der österreichischen Bundesregierung gerieten die ehemaligen Großparteien SPÖ und ÖVP zunehmend unter Druck. Im Oktober 2015 errang die FPÖ bei der Landtags- und Gemeinderatswahl in Wien mit knapp 31 Prozent einen deutlichen Wahlsieg.

Ein halbes Jahr später, bei der Bundespräsidentschaftswahl 2016, erreichte keiner der Kandidaten von SPÖ oder ÖVP die Stichwahl. Norbert Hofer, Kandidat der Freiheitlichen, erhielt 35 Prozent und mit Abstand die meisten Stimmen. Während die FPÖ in Umfragen mittlerweile stärkste Partei in Österreich war, hatten Rot und Schwarz zusammen keine Mehrheit. Nervosität und Angst beim politischen Establishment, auch auf internationaler Ebene, waren die Folge.

Es musste daher etwas Neues her, etwas Größeres, um Strache zur Strecke zu bringen, nachdem alle vorherigen Versuche gescheitert waren.

Der mit M. schon länger bekannte Detektiv und mutmaßliche Drahtzieher des „Ibiza-Videos“, Julian Hessenthaler, sagte in diesem Zusammenhang vor dem Untersuchungsausschuss jedenfalls, dass das Video nicht notwendig gewesen wäre, hätte es schon davor Ermittlungen und eine Anklage gegen Strache gegeben.

Hessenthaler war 2015 Geschäftsführer der „Konsic GmbH“. Diese Firma „beschäftigt sich“, so die damalige Eigendarstellung auf der Homepage, über die „Zur Zeit“ berichtete, „mit der Aufklärung von Straftaten für Unternehmen.“ Bei „operativen Ermittlungen“ komme es zum „Einsatz von verdeckten Ermittlerteams“, zur „Beweismittelgewinnung“ und zu „juristische[r] Begleitung“. Interessant sind auch die beispielhaft genannten Auftraggeber (Stand April 2017): „Zu den Klienten gehören renommierte internationale Konzerne, sowie BKA, BMI und Regierungen innerhalb Europas.“14

Gerüchte wollen nicht verstummen, dass die „Konsic GmbH“ zumindest einmal auch mit österreichischen Behörden kooperiert haben soll. „Der Standard“ schreibt dazu am 7. August 2019:

„Die Hinweise auf eine frühere Zusammenarbeit zwischen einem der am Ibiza-Video beteiligten Detektive und den österreichischen Behörden verdichten sich. Dabei soll es um eine Operation namens „Projekt Mezzo“ im Bereich des Tabakschmuggels gehen. Der internationale Tabakkonzern Philip Morris soll eine Detektei mit Ermittlungen beauftragt haben, dabei kam es zur Kooperation mit der Finanzpolizei und dem Bundeskriminalamt“.15

Der Tabakkonzern bestätigte dem „Standard“, eine Operation mit diesem Namen zu kennen. Es stimme auch, dass es im Zeitraum der Operation zum Aufgriff „großer Mengen illegaler Zigaretten durch die Zollbehörden kam“. Unterlagen zu dem Projekt lägen jedoch nicht mehr vor, weil die zuständigen Mitarbeiter den Konzern verlassen hätten. Deshalb könne man nicht sagen, ob der durch den Ibiza-Clip in die Schlagzeilen geratene Detektiv Julian Hessenthaler daran beteiligt gewesen wäre.

Beim Innenministerium, so der „Standard“, gebe man sich dazu bedeckt: Laufende Ermittlungen wolle man dort nicht kommentieren, auch die Existenz eines „Projekt Mezzo“ werde nicht kommentiert.16

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