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B. Strafantrag bei absoluten Strafantragsdelikten

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Für Nutzer des Onlinekurses: Das Thema wird im Kursfall „Strafantrag“ behandelt.

Der praktische Umgang mit Antragsdelikten wird in Klausuren bisweilen gezielt abgeprüft, weshalb Sie in Klausurakten absolute Strafantragsdelikte wie die Beleidigung oder den Hausfriedensbruch – zum Teil erkennbar umständlich eingebaut – finden.[15]

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Verbreitet wird zwischen den sog. absoluten und den sog. relativen Antragsdelikten unterschieden (zum Unterschied siehe Rn. 16). Gemeinsam ist beiden, dass sie in der Regel auch Privatklagedelikte darstellen, was für den § 376 StPO-Filter (siehe Rn. 115) im B-Gutachten bedeutsam ist. Aufbautechnisch ist zwischen den Antragsdelikten aber zu unterscheiden. Das Strafantragserfordernis bei absoluten Strafantragsdelikten sollte stets vor der Deliktsprüfung angesprochen werden.[16] Der Prüfungsstandort von relativen Antragsdelikten ist demgegenüber streitig (siehe Rn. 16).

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Unter einem Strafantrag ist der unbedingte Wille des Verletzten zu verstehen, dass die Strafverfolgung eingeleitet werden soll.[17] Davon zu unterscheiden ist die Strafanzeige, die lediglich die Mitteilung eines Lebenssachverhalts darstellt und von jedermann gestellt werden kann.[18]

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Die Abgrenzung zwischen Strafanzeige und Strafantrag kann auch in der Klausur bedeutsam werden, etwa dann, wenn Sie in der Klausurakte einen polizeilichen Vordruck mit der Überschrift „Strafanzeige“ finden, der vom Verletzten unterschrieben wurde. Es ist durch Auslegung der wahre Wille des Verletzten zu ermitteln: Verlangt er die Einleitung der Strafverfolgung?[19] Lassen Sie sich nicht von fälschlich gebrauchten Begriffen irritieren. In der Regel wird man darauf schließen dürfen, dass in der „Strafanzeige“ des Verletzten zugleich ein „Strafantrag“ enthalten ist, da dieser die Einleitung von Strafverfolgungsmaßnahmen begehrt. Dafür spricht auch, dass der Verletzte die „Strafanzeige“ unterschrieben hat und damit das Formerfordernis eines Strafantrags erfüllt.

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Antragsberechtigt ist im Grundsatz der Verletzte (zu den sonstigen Berechtigten siehe §§ 77 Abs. 1-4, 77a StGB). Er ist der Inhaber des Rechtsguts, das beeinträchtigt wurde. Die Verletzteneigenschaft kann in der Klausur zu problematisieren sein.

Beispiel (KG, Beschluss vom 3. August 2015 – (2) 161 Ss 160/15 (44/15)):

B wollte sich bei den Berliner Verkehrsbetrieben beschweren. Er suchte hierzu das auf dem Gelände des Bahnsteigs befindliche Aufsichtshäuschen auf. In dem Häuschen hielten sich zwei S-Bahn-Mitarbeiter auf. B versuchte sich gegen deren Willen Zugang zu verschaffen, was ihm teilweise gelang. Der alarmierte Sicherheitsdienst konnte B aus dem Aufsichtshäuschen herausziehen. Der Leiter des Bahnhofsmanagements der DB Station & Service AG, die das Aufsichtsgebäude der S-Bahn Berlin GmbH vermietet hatte, stellte gegen den Angeklagten form- und fristgerecht Strafantrag wegen Hausfriedensbruchs.

Ist der Strafantrag wirksam?

KG (a.a.O.): „Gemäß § 123 Abs. 2 StGB wird die Tat des Hausfriedensbruchs nur auf Antrag verfolgt. Antragsberechtigt ist gemäß § 77 Abs. 1 StGB der Verletzte der Straftat, im Falle des § 123 Abs. 1 StGB der Inhaber des durch den Hausfriedensbruch verletzten Hausrechts (…). Die DB Station & Service AG war im Tatzeitpunkt nicht Inhaberin des Hausrechts. Mit Abschluss des Mietvertrages hat sie das Hausrecht an die Mieterin – die S-Bahn Berlin GmbH – übertragen. Letztere hat keinen Strafantrag gestellt. Bei privaten Räumen ist Inhaber des Hausrechts stets der unmittelbare Besitzer, der nicht der Eigentümer zu sein braucht, solange er die Sachherrschaft rechtmäßig begründet hat (…). Bei vermieteten Räumen steht das Hausrecht grundsätzlich allein dem Mieter zu, und zwar auch gegenüber dem Vermieter (…). Er und nicht der Vermieter ist es, der andere vom Betreten der genannten Räumlichkeiten ausschließen kann. Der Vermieter darf ohne Erlaubnis des Mieters die vermieteten Räume grundsätzlich weder selbst betreten noch ist er befugt, anderen wirksam den Zutritt zu gestatten oder zu versagen. Umgekehrt steht es dem Mieter zu, einer anderen Person den Zutritt zu den gemieteten Räumen zu erlauben, und zwar auch gegen den Willen des Vermieters. Einschränkungen hinsichtlich der Alleinzuständigkeit des Mieters sind nur in Ausnahmefällen denkbar. So soll der Vermieter bei größeren Mietshäusern hinsichtlich der Gemeinschaftseinrichtungen (Treppenhaus, Aufzüge und Flure) in der Regel jedenfalls eine Mitberechtigung behalten (…). Nach diesen Grundsätzen stand das Hausrecht an den gemieteten Räumen des Aufsichtsgebäudes allein der S-Bahn Berlin GmbH zu.“

Der Strafantrag kann gem. § 158 Abs. 2 StPO schriftlich oder – bei Gericht oder der Staatsanwaltschaft (diese müssen nicht sachlich zuständig sein) – zu Protokoll angebracht werden, der Verletzte muss im Fall der Schriftlichkeit den Antrag also eigenhändig unterschreiben. Daraus folgt, dass der polizeiliche Vermerk über einen nur telefonisch gestellten Strafantrag mangels eigenhändiger Unterschrift formunwirksam ist.

Leicht zu übersehen ist es, wenn der Verletzte auf das Stellen eines Strafantrages z.B. gegenüber der Polizei verzichtet hat. Liegt ein solcher Verzicht vor, kann dieser nicht mehr zurückgenommen werden,[20] wenn er – wichtig! – gegenüber dem Gericht oder den in § 158 Abs. 1 StPO genannten Stellen (z.B. Staatsanwaltschaft oder Polizei) erklärt wurde. Gleiches gilt, wenn der Verletzte einen bereits eingelegten Strafantrag zurücknimmt. Gem. § 77d Abs. 1 S. 3 StGB kann kein neuer Strafantrag gestellt werden.

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Schließlich sollten Sie wissen, dass der Verletzte (beachte im Fall seines Todes § 77b Abs. 4 StGB) den Strafantrag innerhalb einer Dreimonatsfrist stellen muss (§ 77b StGB). Auch hier lauern Problemstellungen. Beispielsweise ist die Berechnung der absoluten Ausschlussfrist gem. § 77b StGB klausurrelevant. Ausschlussfrist bedeutet, dass die Frist (fernab der Regelung des § 77c StGB) weder verkürzt noch verlängert werden kann; auch ist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§§ 44 f. StPO) ausgeschlossen.[21] In § 77b Abs. 2 StGB wird der Beginn der Frist von der Kenntnis des Berechtigten von der Tat und der Person des Täters abhängig gemacht. In einem Examensfall war das deshalb problematisch, weil der Verletzte erst fünf Monate nach der Tat Kenntnis vom Namen des Beschuldigten erhielt und dann Strafantrag stellte. Für die Kenntnis gem. § 77b StGB ist es aber gerade nicht erforderlich, dass der Berechtigte den Namen des Täters kennt. Es ist ausreichend, dass er Angaben zur Person des Täters tätigen kann, die ihn individualisierbar machen.[22] Im Examensfall hätte der Verletzte den Täter direkt nach der Tat individualisieren können, sodass die Frist mit Ablauf des Tattages begann; sein erst fünf Monate später gestellter Strafantrag war verfristet.

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Hat der Verletzte bzw. sonstige Berechtigte eines absoluten Strafantragsdelikts keinen Strafantrag gestellt, liegt ein Strafverfolgungshindernis vor. Der hinreichende Tatverdacht ist aus Rechtsgründen zu verneinen. Für die Klausur bedeutet das, dass Sie nur einen Satz zu schreiben brauchen.

Formulierungsbeispiel:

„Mangels eines durch den Verletzten Johannes Oesterling wirksam gestellten, gem. § 194 Abs. 1 S. 1 StGB aber erforderlichen Strafantrags, besteht kein hinreichender Tatverdacht gem. § 185 StGB.“

Sofern dies in Ihrem Bundesland zulässig ist, markieren Sie sich im Gesetz die absoluten Strafantragsdelikte. Klausurrelevant sind z.B.:

Hausfriedensbruch, § 123 Abs. 2 StGB
Beleidigungsdelikte, §§ 185, 186, 187 StGB (dort § 194 Abs. 1 S. 1 StGB)
Haus- und Familiendiebstahl, § 247 StGB (gilt auch bei Betrug, § 263 Abs. 4 StGB!)
Unbefugter Gebrauch eines Fahrzeugs, § 248b Abs. 3 StGB
Vereiteln der Zwangsvollstreckung, § 288 Abs. 2 StGB
Pfandkehr, § 289 Abs. 3 StGB
Vollrausch, § 323a Abs. 3 StGB
Jagdwilderei, § 294 StGB
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