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Kapitel 15

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"Sie werden in dem Bereich nicht das Geringste finden, was bewohnt ist", erläuterte der Mann Femm die Karte. "Ab hier ist alles ödes, totes Land. Weiter hinten finden Sie dann nur noch Wüste. Ich glaube, ganz früher einmal, gab es dort einige Ansiedelungen. Doch die sind schon längst verlassen und zerfallen. Was auch immer Sie dort zu finden hoffen, Sie werden es nicht entdecken."

"Offengestanden suche ich dort auch nicht nach etwas. Ich habe nur beobachtet, wie ein Patrouillenhover Kurs auf diesen Teil des Landes genommen hat", erklärte sich die Magus.

"Ein Patrouillenhover?", wiederholte der Mann. "Das kann ich mir noch weniger vorstellen. Die Basen der ProTeq befinden sich in ganz anderen Bereichen. Das kann ich Ihnen versichern."

"Warum sind Sie sich da so sicher?" Der Mann lächelte sie vielsagend und verschmitzt an. Ein leichtes Funkeln erschien in seinen Augen, während er sich herumdrehte und aus einem Regal einen weiteren Plan holte.

"Das ist eine der seltenen Karten, auf der alle Basen, Standorte, Unterkünfte und so weiter der ProTeq verzeichnet sind. Fragen Sie nicht, wo ich diese herbekommen habe. Das könnte ich nicht beantworten." Femm nahm sich die Karte zur Hand und verglich diese mit der anderen, die auf dem Tisch lag. Der Mann hatte recht. Im Südwesten, also in dem Bereich, auf den der Hover zusteuerte, waren tatsächlich keine Orte vermerkt, die vom Militär oder der Sicherheit der ProTeq verwendet wurden. Und trotzdem. Femm wusste nur zu gut, wenn man etwas verstecken wollte, dann tat man dies am besten an einem Ort, der nach Tod und Verderben roch. Ein Ort, an dem Monster ihr Unwesen trieben oder gerüchteweise die Menschen sofort tot umfielen, sollten sie auch nur einen Fuß auf das Land setzen.

"Darf ich mir die Karte hier auf mein Comtab übertragen?", fragte die junge Magus. "In meiner Navigation gibt es diesen Bereich des Landes nämlich nicht."

"Das können sie gerne. Ich verstehe nur nicht, was Sie damit wollen."

"Ich benötige sie zur Orientierung."

"Das heißt, sie wollen wirklich dort hingehen? Aber warum?"

"Ich glaube nicht daran, dass der Hover ein Täuschungsmanöver geflogen ist. Warum sollte er auch? Deswegen bin ich der Meinung, dass der Transporter wirklich in diesem Gebiet herunterkommen wird. Und ich will wissen, was es dort gibt."

"Dann kann ich Ihnen nur viel Glück wünschen. Aber, haben sie sich denn schon überlegt, wie sie den Patrouillenhover wiederfinden wollen? Das ist ein riesiges Gebiet, dass sie da durchsuchen wollen."

"Ich muss zugeben, das ist wirklich ein Problem für mich. Das Einzige, was ich machen kann, ist einfach geradeaus der Linie zu folgen, die das Flugzeug eingeschlagen hat und das Beste hoffen. Ich danke Ihnen vielmals für Ihre Hilfe." Mit diesen Worten wendete sich Femm zum Gehen, um das Haus des Mannes sowie den Ort zu verlassen.

An der Stadtgrenze angekommen musste sie sich erneut zurechtfinden. Sie überdachte die letzte Position des Hovers und in welche Richtung er unterwegs war. Nachdem sie sich halbwegs sicher war, öffnete Femm ein weiteres Portal und sprang mehrere Kilometer. Genaugenommen konnte der Transporter noch nicht allzu weit sein. Sie hatte etwas mehr als zwei Stunden bei den freundlichen Dorfbewohnern verbracht. Die Verätzungen waren, dank der Medikation, bereits wieder am Verheilen und schmerzten nur noch wenig. Wenn sie endlich etwas mehr Ruhe hatte, würde sie sich die Wunden noch einmal genauer ansehen und eventuell mit ihrem Wissen über die Elemente und diverser Pflanzen die Heilung weiter vorantreiben.

Der erste Sprung brachte die Magus auf eine weite Ebene, die noch relativ grün und gar nicht öde aussah. Sie drehte sich um und nutzte ihre Kunde über die Luft dazu, die Töne aus der Richtung, aus der die junge Frau portiert war, zu verstärken und nach dem eindeutigen Wummern eines Hovers zu lauschen. Das, was sie jedoch hörte, waren vereinzelte Vögel, nicht mehr. Erneut machte sie eine halbe Drehung und wiederholte den Vorgang. Dieses Mal konnte sie das gesuchte Geräusch aus der Luft filtern. Indem sie den Kopf langsam hin und her bewegte, versuchte Femm die Richtung so genau wie möglich zu bestimmen. Erst, als sich die Magus sicher war, portierte sie weitere fünf Kilometer. Ein erneutes Mal bemühte sie ihre Kunde über die Luft. Jetzt lag das Geräusch hinter ihr und kam langsam näher. Die Frau wartete. Nach einigen Minuten erreichte das schwarze Luftfahrzeug sie und flog über ihren Kopf hinweg. Es hielt immer noch denselben Kurs. Während sie dem Hover nachblickte, fiel ihr plötzlich unterbewusst etwas auf. Irritiert schaute sich die Frau um und versuchte zu begreifen, was ihr aufgefallen war. Dann bemerkte Femm, den Grund. In einiger Entfernung befand sich eine der Siedlungen, von denen der Kartograf aus dem Dorf berichtet hatte und die schon seit langem verlassen waren sowie nach und nach verrotteten. Nur war an dieser Ansiedlung etwas anders.

Nachdem Femm aus dem Portal getreten war, machte sie noch einige weitere Schritte auf das erste Steingebäude zu, um dann wie vom Donner gerührt stehenzubleiben. Aus dieser kurzen Distanz wurde ihr endlich klar, was ihre Aufmerksamkeit erregt hatte. Das Haus war abgebrannt. Alle Gebäude, die hier standen, waren niedergebrannt. Konsterniert machte Femm sich auf den Weg, die kleine Ortschaft zu betreten. Überall waren vom Feuer geborstene Mauern der Häuser zu sehen, verbrannte Holzbalken, ausgebrannte Fahrzeuge und – Leichen. Verkohlte und vermoderte Leichen. Frauen, Männer, Kinder. Verstört und ängstlich betrachtete sich Femm die Umgebung. Was war hier nur passiert? War der Brand aus Versehen ausgebrochen? Aber, warum lagen dann so viele Tote auf den Straßen? Warum hatte sie niemand beerdigt? Hier musste sich etwas andere ereignet haben. Immer tiefer drang sie in die Siedlung ein. Die Magus konnte nicht sagen, wie lange sie schon durch diese Hölle wanderte, als sie unerwartet ein Geräusch hörte, das sie erschreckte. Die Frau ging in den Angriffsmodus über und spannte ihre Muskeln an. Gleichzeitig aktivierte sie alle Sinne, die vier Elemente zu nutzen, wenn dies nötig war, um sich zu verteidigen. Schließlich erkannte die Magus eine Bewegung vor sich. Ein Hund oder war es ein Wolf, rannte die Straße entlang. Als er die Frau sah, blieb er kurz stehen. Das Tier schien unsicher zu sein. Ungewöhnlich, dachte Femm. Außergewöhnlich war auch seine Statur. Es schien ihm an nichts zu mangeln. Der Körperbau war kräftig und gut genährt. Dann ein weiteres Geräusch. Das Tier blickte in die Richtung, aus der es zuvor kam und trotte dann in diese zurück. Schließlich blieb es erneut stehen und schaute scheinbar etwas entgegen.

Femm war mehr als überrascht, was danach geschah. Ein Mädchen, ein paar Jahre jünger als sie selbst, schätzte die Magus, trat hinter dem verbrannten Gebäude an der Ecke hervor und kraulte dem Tier den Schädel. Nachdem das Kind den Kopf gehoben hatte, entdeckte es Femm, die immer noch unbeweglich an derselben Stelle stand. Sie riss überrascht sie Augen auf, machte aber keine Anstalten, wegzulaufen.

"Hallo!", rief Femm. "Wie kommst du hierher?"

"Und wie kommst du hierher?", antwortete das Mädchen. Langsam näherten sich die beiden an.

"Mein Name ist Femm", eröffnete die Magus das Gespräch erneut.

"Ich bin Grinn."

"Was machst du hier?"

"Ich habe hier schon immer gelebt", berichtete Grinn fröhlich.

"Aber…", sagte Die Magus und wies dabei mit offenen, nach oben gedrehten Handflächen auf die Umgebung hin.

"Ach das", erwiderte das Mädchen lakonisch. "Das ist schon lange her."

"Dann kannst du mir sagen, was hier passiert ist?"

"Ja, natürlich. Vor einigen Jahren kamen einige Männer und Frauen in Uniformen und verlangten von uns, dass wir den Ort verlassen. Die Bewohner weigerten sich, weil wir hier alle unsere Felder hatten. Da brannten sie das Dorf nieder."

"Und…?", erneut stockte Femm. Wie konnte das Kind nur so unbeteiligt diese Geschichte erzählen, während die verkohlten Überreste der Bewohner hier noch immer um sie herum lagen? "Leben deine Eltern noch hier?"

"Nein. Die sind bei der Säuberung mit ums Leben gekommen."

"Und das sagst du so einfach, als wäre nichts gewesen?"

"Am Anfang war es schwierig, darüber hinwegzukommen. Dann, im Laufe der Zeit wurde es immer leichter. Jetzt ist es für mich einfach nur Geschichte. Was soll ich auch schon groß machen?" Femm war immer noch wie vor den Kopf geschlagen. Dieses Kind hatte mitbekommen, wie ihre Familie umgebracht wurde und doch schien ihr das nichts auszumachen. "Ich weiß, was du jetzt denkst. Aber sei mal ehrlich, was nützt es mir trauernd in den Überresten unseres Hauses zu sitzen? Das ist alles schon länger her. Die Zeit geht weiter und ich muss mich darum kümmern, zu überleben."

"Wann ist das Ganze denn passiert?", erkundigte sich Femm jetzt neugierig.

"Ich bin mir nicht sicher. Ich glaube aber, dass es jetzt schon drei, vielleicht auch vier Jahre zurückliegt."

"Und weißt du auch, warum alle das Dorf verlassen sollten?"

"Das haben die Männer und Frauen nicht gesagt. Erst recht nicht, als sie in der Nacht kamen und alles niederbrannten." Femm konnte es einfach nicht glauben, was sie da hörte. Auf der anderen Seite unterstützte dies ihr Theorie, dass man am besten dort etwas versteckt, wo die Menschen glauben, der Tod würde an diesem Ort leben. Jemand hatte hier mit aller Macht ganze Arbeit geleistet, um diesen Teil des Landes als unheimlich und todbringend zu etablieren. Obwohl sie als Magus die meiste Zeit im Kloster lebte, waren ihr die Vorgänge in der Außenwelt nicht vollkommen entgangen. Und erst recht nicht, nachdem sie auf Arazeel angesetzt worden war. Für sie gab es nur eine Gruppe, die derartige Taten vollbringen würde. Auch, wenn sie es gerne der Regierung von Mår-quell angehängt hätte, konnte nur die ProTeq dafür verantwortlich sein. Das wiederum bedeutete, dass diese überdimensionierte Firma hier etwas Beträchtliches zu verstecken hatte. Und die Flugrichtung des Patrouillenhover bestätigte die Vermutung.

"Sag mal, ist dir hier in der Gegend schon einmal etwas Ungewöhnliches aufgefallen. Bist du hier eventuell auf größere Gebäudekomplexe gestoßen?"

"Dazu kann ich nichts sagen. Ich begebe mich meistens nicht allzu weit von dem Dorf weg. Nur, wenn wir jagen", erklärte Grinn und streichelte erneut den Kopf des Tieres.

"Sind dir denn zumindest schon einmal diese Patrouillenhover aufgefallen, wie der eine, der vorhin an deinem Dorf vorbeigezogen ist?"

"Du meinst diese großen, schwarzen Flugobjekte? Ja, da kommt manchmal einer. Sind aber immer nur sehr wenige. Keine Ahnung, wo die hin wollen."

"In beide Richtungen?", hakte Femm nach.

"Ich glaube schon. Ich mache mich immer dünn, wenn ich sie höre. Muss ja keiner wissen, dass ich hier lebe."

"Ich würde dich ja gerne einladen, mich zu begleiten, aber ich bin auf einer Mission."

"Oh, nein danke. Ich werde hier nicht so schnell weggehen. Das ist meine Heimat. Freiwillig gehe ich nirgendwo anders hin."

"Kannst du mir vielleicht noch irgendetwas über diese Region hier erzählen? Etwas, das mir hilft, wenn ich mich hier bewege?"

"Nicht wirklich. Ist eigentlich ziemlich langweilig hier. Ich hoffe für dich, du hast genügend Lebensmittel dabei. Hier gibt es nur wenig Wild oder Obst, das man jagen und essen kann."

"Danke. Damit habe ich keine Probleme. Aber ich habe da so eine Idee. Wo ist dein Haus?" Das Mädchen schritt voran und brachte die Magus zu einem halbwegs intaktem Gebäude, in dem sie lebte. Hinten war eine Grünfläche, die Femm mit ihren Erd- und Wasserfähigkeiten zu einem Garten mit Obst und Gemüse umwandelte. Grinn war begeistert.

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