Читать книгу Renaissance 2.0 - Christian Jesch - Страница 19
Kapitel 18
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Jikav war jetzt schon seit einigen Stunden in dem zirka fünf mal sechs Meter großem Raum untergebracht, ohne dass sich jemand um ihn kümmerte. Interessanterweise handelte es sich nicht, wie er aufgrund seiner Festnahme geglaubt hatte, um eine Zell e , trotzdem war die Tür von außen versperrt. Dieser Umstand störte ihn aber nicht im Geringsten. Er hatte es nicht anders erwartet und offengestanden, war es ihm auch völlig egal. Viel mehr beschäftigten sich seine Gedanken damit, was die Kommandantin gesagt hatte. Aufgrund Ihrer Herkunft, waren die Worte der Frau gewesen. Sie konnte ihm also genau sagen, woher er stammte, wer seine Eltern waren und vermutlich auch, wie es dazu kam, dass er diese nicht kannte. Sein Geist arbeitete bereits auf Hochtouren, um sich einen Plan zu überlegen, wie er sich die Kommandantin gefügig machen konnte. Er musste einfach mehr über sie erfahren, damit sie von ihm manipuliert werden konnte. Natürlich würde er in dieser Hinsicht seine Aktiv-Empathie verstärkt einsetzen. Was seinen Charme anging, den konnte er wohl nicht über der Frau ausschütten. Schon gar nicht in dem derzeitigen Zustand, in dem er sich befand. Zudem war sie auch einige Jahre älter als Jikav, was ihm vermutlich sowieso zum Nachteil gereichen würde. Oder aber auch nicht, überdachte de r Junge seine erste Einschätzung mit einem breiten G rinsen noch einmal. Der Posten hier schien ziemlich einsam zu sein. Warum sollte da eine sehr gut aussehende Frau, nicht auch ein gesteigertes Interesse an einem jungen Mann haben, wenn er sie an die schönste Sache der Welt erinnert e , welche sie an diesem öden Ort wahrscheinlich am wenigsten bis überhaupt nicht bekam . Wenn er erst einmal ihr streng gebundenes Haar öffnete und der Frau deutlich machte, was für eine Schönheit im Innersten schlummerte, könnte Jikav sie vielleicht für sich einnehmen, um sie dann zu gebrauchen, wie er es für nötig hielt. Der Plan gefiel dem Jungen und er grinste noch breiter, als zuvor. Zusammen mit seiner Fähigkeit sollte es ein L eichtes sein, diesen umzusetzen. Doch vorher musste er noch herausbekommen, wie stark die Besetzung der Station war. Er musste mehr über die anderen herausfinden. Vor alle über diejenigen, mit denen die Kommandantin eng zusammenarbeitete, denn die durften unter gar keinen Umständen mitbekommen, was vor sich ging. Dazu musste er aber erst einmal aus diesem Zimmer und auch auf Dauer freien Zugang zur Außenwelt haben. Was hatte sie nochmal gesagt? Vielleicht können wir ja Ihr Interesse wecken und Sie arbeiten für uns. Mein Interesse ist bereits geweckt, dachte Jikav. Nur nicht in der Form, wie ihr es gerne hättet.
Fast im selben Moment öffnete sich die Tür und die Kommandantin betrat den Raum. Sie machte keine Anstalten, Höflichkeiten auszutauschen, sondern setzte sich sofort in einen der St ü hle, welche um einen kleinen Tisch verteilt waren. Mit einer eindeutigen und nachhaltigen Handbewegung forderte sie den Junge auf, es ihr gleichzutun. Der zögerte einen Augenblick, bevor er sich auf die Frau zubewegte und sich ihr gegenüber setzte.
"So", eröffnete diese das Gespräch. " Mein Name ist Buuk. Dann erzähl jetzt mal was von dir."
"Ich denke, S ie wissen bereits alles über mich."
"Das stimmt. Wir wissen, dass du geboren wurdest, dann verschwunden bist und schließlich in Nuh åven wieder auftauchtest. Alles, was dazwischen liegt ist für uns völlig unbekannt."
"Ich verstehe nicht", antwortete Jikav verwundert.
"Wir habe Unterlagen über deine Herkunft. Wer du bist, wo du geboren wurdest, wer deine Eltern sind. Doch dann warst du plötzlich von der Bildfläche verschwunden. Wir gehen aufgrund deines Altes nicht davon aus, dass du selbstständig entschieden hast, wegzulaufen. Eher nehmen wir an, dass man dich entführt hat. Nur wissen wir nicht wer, warum und wohin. Und das möchte ich jetzt von dir wissen."
"Dann haben wir ein gemeinsames Interesse. Ich habe nämlich nicht die geringste Ahnung. Was meine Kindheit ein ein Großteil meiner Jugend angeht, habe ich einen totalen Gedächtnisverlust. Lediglich einige Al p träume deuten Ereignisse aus dieser Zeit an. Aber bei denen kann ich mir auch nicht wirklich sicher sein, ob sie die Dinge richtig darstellen."
"Erzähle mir mal davon. Vielleicht kann ich ein wenig Gewissheit in diese Erinnerungen bringen."
"Ich habe wohl zusammen mit einer Frau und ihrer Tochter gelebt. Keine Ahnung, ob das meine Mutter war. Ihr Gesicht ist in den Träumen nie zu sehen. Das Mädchen habe ich immer Tan genannt. Dann gibt es da den Traum, wo Regierungsbeamte die Frau aufsuchen und scheinbar festnehmen wollen. Das vermute ich aber auch nur. Die Frau flieht schließlich mithilfe ihrer Tochter und ich laufe dann auch mit dem Mädchen zusammen weg." Jikav blickte der Kommandantin in die Augen. Die schwieg zunächst und überdachte das eben Gehörte, während sie versuchte, sich einen Reim zu machen. Eine Frau, die verhaftet werden sollte. Das traf auf tausende von Menschen zu unter der Regierung von Mår-quell. Zumindest, nachdem sich ihre politische Einstellung so vollkommen gewandelt hatte.
"Gibt es einen Namen zu der Frau ? Ich meine, hat diese Tochter sie jemals angesprochen?"
"Nein. Aber ich glaube mich daran zu erinnern, dass sie als Abgeordnete bezeichnet wurde. Oder hatten die Regierungsbeamten sie mit Namen genannt ?" Der Junge dachte kurz nach. "Ich weiß es nicht mehr."
"Als Abgeordnete, sagst du? Das schränkt zwar die Anzahl der potenziellen Personen ein, trotzdem sind es immer noch ein paar Hundert, die verhaftet wurden. Wenn sie wirklich entkommen ist, dann würde das die Suche erleichtern. Denn entkommen sind nur die wenigsten. Ich werde das später einmal durch das System laufen lassen. Eventuell finde ich etwas heraus. Du hast von mehreren Träumen gesprochen. Was war da noch?" Jikav überlegte einige Zeit. Den Traum, wo er mit Tan und den Renegaten das Gebäude sprengt, wollte er besser für sich behalten. Allein schon deswegen, weil das Mädchen dabei ums Leben gekommen war, wenn dem wirklich so gewesen ist.
"Dann gibt es da noch den Traum, wo zwei Uniformierte die Frau darüber informieren, dass ihr Mann im Krieg gefallen ist. Irgendwie so, jedenfalls. Ich erinnere mich aber auch, dass eine der beiden Personen ziemlich angewidert war und im Verlauf des Gespräches etwas wie desertieren gesagt hat. Keine Ahnung. Die Sequenz ist ein wenig psychedelisch, unwirklich in meinen Gedächtnis. Als Letztes gibt es dann noch den, wo ich in einer staatlichen Heilanstalt mir einen Film ansehen muss, in dem die Eltern von Mutantenkindern an den Pranger gestellt werden und der dann mit einer Riesen Explosion endet."
"Das muss dann wohl die Befreiungsaktion dieser Durchgeknallten in der Anstalt Ç apitis gewesen sein."
"Sie wissen davon?", erkundigte er sich überaus interessiert. "Dazu fehlen mir nämlich noch so einige Informationen."
"Viel kann ich dir auch nicht sagen. Lediglich, dass sich eine Gruppe damals bildete , die es sich zur Aufgabe gemacht hatte , mutierte Kinder und Jugendliche aus den landesweiten Heilanstalten zu befreien und zu verstecken. Sie nannten sich , wenn ich mich recht erinnere, Sturmbringer. "
"Das habe ich im Laufe der Z eit auch in Erfahrung gebracht. Mehr haben Sie nicht?"
"Nein. Was würde S ie denn noch interessieren?"
"Wer hinter diesen Sturmbringern steckt und wo sie jetzt zu finden sind. War das Mädchen, das ich unter dem Namen Tan kannte, auch bei diesem Ausbruch dabei?"
"Wo sich diese Gruppe jetzt noch aufhält, kann ich nicht sagen. Aber ich kann in den Unterlagen nachsehen, ob es eine Tan in der Anstalt gegeben hat."
"Das würde mich sehr interessieren."
"Was weißt du noch aus deinem Leben?"
"Ich habe lange Zeit in den Straßen der Hauptstadt gelebt, bevor ich dann nach dem Abschuss eines Hovers, in dem ich gesessen habe, wohl Monate lang durch die Dædlænds geirrt bin, bis ich schließlich in Nuh åven eintraf. Allerdings kann ich mich an die Zeit in den Dædlænds überhaupt nicht erinnern. Das war wie in einem Delirium. Ich habe auch lange gebraucht, bis ich mich wieder gefangen hatte . Ich weiß aber noch sehr genau, dass ich dort mehrfach von der ProTeq beobachtet und dann auch aufgegriffen wurde."
"Das stimmt. Leider haben die Renegaten den Transporter überfallen, in dem du zur Zentrale gebracht werden sollten. Da waren Sie uns dann ein weiteres Mal entwischt. Aber, nun gut." Buuk machte Anstalten aufzustehen.
"Warum wollten Sie mich den unbedingt in die Hände bekommen?", fragte Jikav, bevor die Kommandantin sich vollständig erhoben hatte.
"Wie schon gesagt, deine Herkunft ist für uns von besonderem Interesse." Sie machte einige Schritte auf die Tür zu, als Jikav die Frau davon abhielt.
"Und ich darf Ihnen keine Fragen über diesen Ort stellen?" Buuk blieb stehen, drehte sich um und lächelte ihn an. "Sie haben gesagt, ich werde hier sterben, also können sie mir doch ruhig etwas darüber erzählen. Außerdem meinten Sie noch, ich könnte vielleicht von Nutzen sein."
"Heißt das, du würdest für uns arbeiten wollen?", erkundigte sich die Kommandantin.
"Möglicherweise. Wenn ich mehr über diesen Standort weiß, kann ich darüber auch eine Entscheidung treffen. Also, was ist das hier für eine geheime Basis? Bereitet sich die ProTeq hier darauf vor, die Welt zu erobern ?" Buuk machte einige Schritte auf den Jungen zu, stockte erneut, um sich dann wieder hinzusetzen.
"Du ziehst es also wirklich in Betracht, für den Geheimdienst zu arbeiten?"
"Wie gesagt, wenn ich mehr erfahren habe, kann ich mich auch besser entscheiden."
"Na gut. Wie du schon sagtest, die Basis wirst du nie wieder lebend verlassen, es sei denn, du würdest für uns arbeiten und wir können uns deiner sicher sein. Dann erzähle ich dir mal was über Danvor. Genau betrachtet wird die gesamte ProTeq von hier aus geleitet. Allein die Firmenleitung steht noch über uns. Aber, was auch immer es für Projekte gibt, alles wird von hier vorbereitet und auch ausgeführt. Wie zum Beispiel die Regierungsübernahme vor einigen Tagen. Auch, wenn uns da eine kleine Unachtsamkeit unterlaufen ist, die wir jetzt korrigieren müssen. Aber da sind wir schon tatkräftig dabei. Du könntest bei uns eine verkürzte Ausbildung zum Agenten machen und dich über die Jahre bewähren. Ich kann dich zunächst bei unseren Projekten hier auf der Anlage einsetzen."
"Was sind das für Projekte?", fragte Jikav interessiert nach.
"Entwicklung neuer Waffen und Überwachungstechnologien. Verhöre ausländischer Personen, die wir im In- und Ausland abgegriffen haben. Aufbau und Ausbildung eines Psi-Batallions. Erkundung territorialer Gegebenheiten zur Übernahme eines Landes. Das sind so die hauptsächlichsten Tätigkeiten, denen wir zurzeit nachgehen."
"Ausbildung und Aufbau eines Psi-Batallions?", wiederholte Jikav überrascht.
"Ja. Wir haben eine neue Technik erhalten, die aus normalen Menschen Mutanten macht. Wir nennen sie Pseudomutanten."
"Sie reden von den N eurone n - N etz en , die Jachwey weiterentwickelt hat." Buuk riss erstaunt die Augen auf.
"Woher weißt du von der Technik?"
"Bis vor wenigen Tagen war ich noch in Ake ḿ und habe versucht herauszufinden, was dort vor sich geht."
"Warum das?", fragte die Kommandantin jetzt sichtlich verwirrt.
"Ich hatte einen Auftrag", antwortet Jikav kurz.
"Von wem?", drängte die Frau nun.
"Und woher haben sie die Baupläne für die Netze? Oder wie sind sie daran gekommen?"
"Jetzt lenke nicht ab. Wer gab dir den Auftrag in Ake ḿ ?"
" Und wer gab Ihnen die Baupläne? Hören Sie, Buuk. Wir können dieses Spielchen den ganzen lieben langen Tag machen und wissen, dass keiner von uns dem anderen seine Frage beantworten wird. Also lassen S ie es einfach. Sie müssen auch nicht jedes Detail über mich wissen. Sein Sie lieber froh darüber, dass Sie mein Interesse geweckt haben. Ich kann Ihnen verdammt nützlich sein, besonders, da Sie nicht wissen, was ich alles weiß. Also, wollen sie meine Hilfe in Ihrem Pfadfinderverein oder nicht?"