Читать книгу Renaissance 2.0 - Christian Jesch - Страница 18
Kapitel 17
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Tandra war gerade im Kontor unterwegs, als ihr Comtab sich meldete. Es war einer der Renegaten, der in der Auswertung arbeitete und mit den Unterlagen aus der geheimen Bibliothek im Schloss von Ake ḿ beschäftigt war. Der junge Mann war ganz aufgeregt und forderte sie auf so schnell, wie möglich zu ihm zu kommen. Tandra versicherte dem Mann , gleich nach ihren Erledigungen bei ihm vorstellig zu werden. Nachdem sie das Gespräch beendet hatte, beeilte sich die junge Frau, die von Kaziir erhalten A ufgaben zu erledigen, um sich dann in Windeseile in die Dechiffrierabteilung zu begeben. Der junge Renegat war immer noch ganz aufgedreht und stürmte auf Tandra zu, kaum dass sie den Raum betreten hatte.
"Das Material, was Sie da mitgebracht haben, Frau Suprimemajorin, ist einfach großartig. Es enthält sämtliche Standorte der sogenannten Sturmbringer und Sturmredner, also alle Aufenthaltsorte der Mutanten aus den staatlichen Heilanstalten. Endlich haben wir sie gefunden und können sie einsammeln."
"Nun bleiben Sie mal ganz ruhig. Erst einmal müssen wir die Mutanten vor der Liga und ihrer Armee finden und dann müssen wir auch noch zuerst herausfinden, ob die Metamenschen uns überhaupt unterstützen wollen. Das wird noch ein hartes Stück Arbeit. Aber es ist zunächst schon mal gut, dass wir die Dokumente entziffern konnten. Ich werde die Unterlagen an die Suprimegeneralin weiterreichen, die dann entscheiden wird, was wir machen werden." Tandra nahm die Speicherkarte und steckte sie in eine ihrer Taschen. Erneut bedankte sie sich bei dem Kadetten für die hervorragende Arbeit, bevor sie die Abteilung wieder verließ. Neugierig auf die Daten, ging die Suprimemajorin in ihr Büro, wo sie den Datenträger in ihren TabletTop steckte und dessen Inhalt aufrief. Insgesamt waren zweiundsechzig Areale angezeigt, die über das gesamte Land verteilt waren. Die Unterlagen trennten sie nach Sturmbringern, den Extremisten, wie sie in den Dokumenten genannt wurden, und den Sturmrednern auf. Die junge Renegatin verbrachte die nächsten Stunden damit, alle Texte der geheimen Bibliothek gründlichst durchzulesen und sich Notizen zu machen. Dann packte sie alles zusammen, entnahm die Speicherkarte und begab sich zu ihrer Lebenspartnerin, die sie bereits in ihrem gemeinsamen Appartement erwartete.
"Ich habe gute Neuigkeiten", rief sie fröhlich beim Betreten der Wohnung. Kaziir stand gerade in der Küche, um sich etwas zum Essen zu machen, als Tandra um die Ecke stürmte und ihr einen überschwänglichen Kuss gab. "Hmmm. Was wird das Leckeres?"
"Das ist Curryreis mit gegrilltem Hühnerfleisch. Willst du auch etwas?"
"Das kling zu schmackhaft, um nein zu sagen. Danke dir." Kaziir drehte sich leicht, um ihrer Freundin lächelnd hinterherzuschauen, die sich bereits einen Platz am Esstisch ausgesucht hatte und jetzt darauf wartete, gefüttert zu werden.
"Was hast du denn für tolle Neuigkeiten?", griff die Suprimegeneralin den anfänglichen Satz von Tandra auf.
"Die Dechiffrierabteilung hat endlich alle Unterlagen aus der geheimen Schlossbibliothek entschlüsselt und du wirst es nicht für möglich halten, was der Inhalt der Dokumente ist." Sie machte eine kurze, dramatische Pause. "Es sind die Standorte der Sturmbringer und -redner."
"Wie viele sind es?"
"Zweiundsechzig. Das müssen tausende von Mutanten sein. Unglaublich, oder etwa nicht?"
"Das ist wirklich unglaublich. Aber es bestätigt auch die Theorie, die wir schon zuvor hatten, dass Ake ḿ wohl eine Hochburg der Sturmredner war. Wir werden also eine Großzahl an Renegaten losschicken müssen, damit die Kontakt zu den Mutanten aufnehmen und diese sich hoffentlich in unseren Reihen integrieren werden. Auch, wenn ich befürchte, wir werden nicht die Einzigen sein, die bei den Sturmrednern vor der Haustür stehen werden. Von den Sturmbringern mal ganz zu schweigen."
"Wir werden der Liga mit Sicherheit nicht aus dem Weg gehen können. Unsere einzige Hoffnung besteht darin, vor ihnen bei den Basen und Anlagen zu sein. Andernfalls befürchte ich hohe Verluste unsererseits."
"Dem stimme ich vollkommen zu. Wenn ich nicht auf die Unterlagen von Riém warten müsste, um die Renegaten zu koordinieren, würde ich die Mission mit dir zusammen angehen. So muss ich aber hier abwarten ."
"Und, wenn ich die Suche nach den Mutanten koordiniere, während du deine Arbeit hier machst ?", schlug Tandra vor. "Ich wäre der einzige Schutz der Renegaten gegen die Liga oder deren Armee."
"Und wie willst du die irren Mutanten von Ysana aufhalten?", wollte Kaziir nachdenklich wissen.
"So, wie ich es schon einmal in Nuh åven gemacht habe. Erinnerst du dich noch, wie ich die Hand auf den Boden gelegt habe und dann alle Personen, die diesen berühr t en, altern ließ? Oder warst du da nicht bei?", überlegte sie. "Ich weiß es schon gar nicht mehr."
"Ich glaube nicht, dass ich dabei war. Aber kann schon sein. Jedenfalls, wenn du das wirklich so einrichten kannst, mit deiner Fähigkeit, wäre es vielleicht wirklich angebracht, wenn du die Renegaten begleitest ."
"Dann sind wir uns also einig? Ich suche die Mutanten und du regelst alles hier im Kontor ."
"Ich denk, das wird das Beste sein. wir haben ja noch Elric, der dich begleiten kann. Der wird sich mit Sicherheit freuen, wenn er mal wieder einige Zeit in den Dædlænds verbringen kann und nicht in Ç apitis ."
" Das kann ich mir gut vorstellen ", bestätigte Tandra ihre Lebensgefährtin in ihrem Vorschlag , während sie ihr dabei zuschaute, wie Kaziir das Essen auf zwei Tellern heranbrachte. Nachdem die beiden fertig waren mit dem Essen fertig waren , setzten sie sich zusammen an Kaziirs TabletTop und betrachteten gemeinsam die neu erworbenen Daten aus der Bibliothek.
"Die sind ja wirklich über das gesamte Land verteilt", stellte Kaziir fest. "Hast du schon einen Plan, wie du vorgehen willst?"
"Ich denke, ich werde mich in erster Linie auf die Standorte der Sturmredner beschränken. Könnte mir vorstellen, die sind umgänglicher, als jene Sturmbringer. Die werden in den Dokumenten als Extremisten bezeichnet, welche scheinbar genau dasselbe wollen, wie Ysana. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie uns folgen werden. Auf der anderen Seite wäre es wichtig, vor der Liga bei diesen Mutanten anzukommen, damit die keinen Nachschub für ihre Terrorherrschaft bekommen. Nur stoppen können wir die Sturmbringer auch nicht, wenn die es nicht wollen. Und ein Militär, das sie vernichten kann, steht uns ebenfalls nicht zur Verfügung. Das ist schon eine verflixte Sache. Jetzt haben wir alle Unterlagen, die wir benötigen und können doch nur wenig tun."
"Nun, wir wissen zumindest, wo die extremen Mutanten untergebracht sind. Wir postieren Renegaten dort zur Beobach tung und warte n einfach ab. Und eine Armee benötigen wir nicht, wie du vorhin selber ausgeführt hast."
"Was meinst du?", fragte Tandra mit gerunzelter Stirn nach.
"Du hast mir doch vor einigen Minuten von deinem Trick in Nuh åven erzählt. Wenn die Renegaten uns berichten, dass die Liga oder ihre Armee im Anflug ist, kannst du dich doch dort hinbegeben und sie empfangen." Die junge Spezialrenegatin dachte einen Moment darüber nach, was ihre Partnerin gesagt hatte. Im Prinzip hatte sie recht. Ihre Fähigkeit, Dinge schnell altern zu lassen, machte sie zu einer Art Superwaffe. Natürlich kostete diese Anwendung ihrer Fertigkeit die junge Frau viel Kraft und Energie, die sich besonders an der Anzahl der Gegner maß. Aber vielleicht fand sie ja auch unter den Sturmbringern weitere Mutanten, die dasselbe konnten. Die müssten Tandra dann unterstützen. Was gäbe sie jetzt nicht für einige dieser Neuronen-Netze, welche Jachwey weiterentwickelt hatte ? Mit denen konnte sich eine trainierte Person an jede gewünschte Quelle im Metanetzwerk anschließen.
"Was hast du vor?" , ertönte plötzlich die Stimme in ihrem Kopf.
"Was meinst du?", fragte Tandra erschrocken zurück.
"Ich habe damit nur sagen wollen…"
"Entschuldige, Schatz. Dich meinte ich gerade nicht", unterbrach sie ihre Gefährtin.
"Mit wem sprichst du dann?"
"Jachwey hat sich gerade bei mir gemeldet", erklärte die Renegatin schnell.
"Oh, dann grüße ihn schön von mir", erwiderte Kaziir, bevor sie sich aufmachte, den Tisch abzuräumen und Tandra allein zu lassen.
"Entschuldigen Sie, Jachwey. Ich musste Kaziir nur gerade erklären, warum ich Selbstgespräche führe. Also noch einmal. Wie darf ich Ihre Frage verstehen?"
"Sie haben gerade an die von mir entwickelten Neuronen-Netze gedacht und dass Sie diese zum Einsatz bringen wollen."
"Das war nur so ein Gedankenspiel."
"Das ist auch besser so. Wir haben hier ganz schön zu kämpfen mit diesen künstlichen Mutanten. Von Tag zu Tag werden es mehr, die versuchen, sich an den Quellen zu verankern. Die zirka zweihundert Netze, welche die ProTeq erobert hat, konnte ich zurückverfolgen. Ich habe nur keine Ahnung, wo sich die Anlage befindet, in der sie eingesetzt werden. Es tauchen aber auch immer wieder neue auf. Vermutlich ist irgendjemand dabei, sie weiterhin zu produzieren. Doch dazu kann ich noch nichts sagen."
"Das bedeutet, es gibt mittlerweile wie viele künstliche Mutanten?"
"Schwer abzuschätzen, aber ich würde mal sagen, dass es mindestens fünf- bis sechshundert sind. Tendenz steigend."
"Wenn Sie die Neuronen-Netze lokalisieren, können wir eine Einheit Renegaten dort hinschicken und zum Einsatz bringen. Wir benötigen nur detaillierte Angaben."
"Wo sollen wir Renegaten einsetzen?", kam die Frage aus der Küche.
"Jachwey hat mir gerade berichtet, dass die Anzahl von künstlichen Mutanten im Metanetzwerk sprunghaft angestiegen ist. Er vermutet, das irgendjemand irgendwo weitere Neuronen-Netze herstellen lässt. Ich habe ihm gesagt, wenn er uns den genauen Standort nennen kann, senden wir eine Einheit dort hin. Oder was meinst du dazu?"
"Das könnten wir machen. Ich muss aber erst genauere Informationen über alles haben, bevor ich unsere Leute einer Gefahr aussetze."
"Klingt für mich sehr vernünftig" , ertönte Jachweys Stimme in Tandras Kopf.
"Sie haben Kaziir gehört? Wie das?"
"Alles was durch ihren Kopf geht, kommt auch bei mir an. Also auch die Stimme von der Suprimekommandantin."
"Suprimegeneralin", korrigierte Tandra reflexartig.
"Suprimegeneralin?" , wiederholte Jachwey respektvoll. "Übermitteln Sie ihr meine Glückwünsche."
"Jachwey gratuliert dir zum Aufstieg bei den Renegaten", gab Tandra an Kaziir weiter.
"Da gibt es nicht wirklich etwas zu gratulieren", seufzte die se auf dem Weg von der Küche zurück ins Wohnzimmer. "Das bedeutet nur noch mehr Verantwortung und Stress."
"Ich bin mir sicher, dass sie das schaffen wird. Ich habe noch nie eine fähigere Führungsperson kennengelernt, als Kaziir." Tandra übermittelte die Lobpreisung von Jachwey an ihre Lebensgefährtin, die darauf ein müdes Lächeln hervorbrachte. Wenn der nur wüsste, was diese Position bedeutete.
"Hören Sie, Jachwey. Wo Sie gerade in meinen Kopf sind, könnten Sie uns einen Gefallen tun. Wir müssen dringend wissen, wo sich Jikav aufhält. Kurz nachdem wir in dem Dorf von Riém eingetroffen sind, ist er von dort verschwunden."
"Ist mir bekannt" , unterbrach der Gottkaiser Tandras Gedanken. "Ich hatte das letzte Mal in de n Dædlænds mit ihm Kontakt. Wo er sich zurzeit aufhält, weiß ich jedoch nicht. Aber ich werde mich mal umhören und Bescheid geben, wenn ich etwas habe. Im Übrigen muss ich sie noch warnen. Die Sturmredner, die Sie aufsuchen wollen, sind nicht mehr die Jugendlichen, die man einst aus den Anstalten befreit hat. Sie haben über Jahre zurückgezogen gelebt und haben sich verändert. Ich werde Sie bei Ihrer Mission so gut wie möglich unterstützen. Auch bei Ihren Einsätzen gegen die Liga. Dabei fällt mir gerade etwas ein. Ich habe schon lange nichts mehr von Ysana gehört. Sie ist auch schon seit einigen Tagen nicht mehr im Metanetzwerk gewesen. Haben Sie dafür eine Erklärung?"
"Die habe ich. Ysana und ihr Bruder sind tot. Ich war so frei und habe die Gelegenheit genutzt. Ich weiß nur leider nicht, was ich dadurch freigesetzt habe. Ysana hatte da zwei Mutanten in ihrem engeren Kreis, die wohl ihre Pläne teilten. Sie sind beide aber nicht so starke Metamenschen, wie es Ysana war. Wenn ich mich noch richtig an die Namen erinner, dann hießen sie Marah und Ambisi. Vielleicht sollten Sie mal nach denen im Metanetzwerk Ausschau halten."
" Das werde ich machen. Vielen Dank für den Hinweis. Ich melde mich wieder, wenn ich neue Informationen habe."