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d) Objektive Zurechnung

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Der Verletzungserfolg bei K kann M dann zugerechnet werden, wenn dieser ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen hat, welches sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat.47 Durch das Drehen und Quetschen der Hand hat M ein solches Risiko geschaffen, was sich in den genannten Verletzungen bei K niedergeschlagen hat. Der Erfolg kann somit M objektiv zugerechnet werden.

Der objektive Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB ist folglich erfüllt.

§ 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB

Zu prüfen ist im Folgenden, ob auch der objektive Tatbestand der Erfolgsqualifikation § 226 StGB erfüllt ist. Es müsste also durch das Verhalten des M auch ein bleibender Schaden im Sinne des § 226 Abs. 1 StGB eingetreten sein. In Betracht kommt vorliegend, dass ein wichtiges Glied des Körpers des K dauernd nicht mehr gebraucht werden kann. Dass es sich bei Daumen und kleinem Finger um Glieder des Körpers des K handelt, also um nach außen tretende Körperteile, die durch Gelenke mit dem Körper verbunden sind,48 steht außer Frage.

Fraglich ist indes, ob man diese auch als wichtige Glieder im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB bezeichnen kann. Davon geht man dann aus, wenn die Glieder von besonderer Bedeutung für den Gesamtorganismus sind.49 Im vorliegenden Fall wird man diesbezüglich differenzieren müssen. Während die gesamte Hand, aber auch im Einzelnen Daumen und Zeigefinger für den Menschen eine besonders hohe Bedeutung haben, kann dies für den kleinen Finger nicht bejaht werden. Geht man davon aus, dass gerade das Greifen für den Gebrauch der Hand wesentlich ist, so ist diese Funktion bei Wegfall des Daumens deutlich mehr eingeschränkt als durch den Wegfall des kleinen Fingers. Somit kann der Daumen also als wichtiges Glied angesehen werden.

Es stellt sich aber noch die weitere Frage, ob der kleine Finger vorliegend gerade für K ein wichtiges Glied ist, da er infolge der Unbrauchbarkeit seinem Beruf als Bratschist nicht mehr nachgehen kann. Ob für die Frage des wichtigen Gliedes nach § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB auf individuelle Belange abgestellt werden kann oder nur auf die generelle Bedeutung für jeden Menschen, ist umstritten. Die Rechtsprechung tendiert zu einer differenzierenden Meinung. Anerkannt werden individuelle körperliche Vorbedingungen, wenn der Betroffene z. B. bereits vor der körperlichen Misshandlung nur noch zwei Finger hatte. Nicht jedoch werden individuelle soziale Bezüge herangezogen.50 Dass also K seinem Beruf nicht mehr nachgehen kann, hat für die Frage des wichtigen Gliedes keine Bedeutung. Der kleine Finger stellt mithin kein wichtiges Glied im Sinne des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB dar.

Klausurhinweis: Besonders wichtig im Rahmen einer Klausurbearbeitung ist eine gute Schwerpunktsetzung. Während vorliegend die Prüfung des § 223 Abs. 1 StGB sowohl objektiv als auch subjektiv keine Probleme aufwirft und deshalb recht kurz abgehandelt werden kann, liegt ein Schwerpunkt dieses Falles auf der Frage des wichtigen Gliedes. Hier sollte möglichst genau gearbeitet werden, was sich letztlich sehr positiv bei der Bewertung niederschlägt. Mit der Nennung der beruflichen Folgen macht der Klausurersteller deutlich, dass er dieses bekannte rechtliche Problem diskutiert haben möchte.

Durch die Versteifung des Daumens ist dieser laut Sachverhalt dauerhaft unbrauchbar geworden. Auch der objektive Tatbestand der Erfolgsqualifikation des § 226 Abs. 1 Nr. 2 StGB ist somit gegeben.

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