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Fall 1

Sachverhalt

Casanova (C) macht seinem Namen alle Ehre und verführt die Ehefrau seines alten Freundes Salvatore (S). S ist natürlich wütend und stellt C zur Rede, wird von diesem aber nur ausgelacht. In seiner dadurch noch gesteigerten Wut schlägt er C mit der Faust mitten ins Gesicht. Dieser erleidet hierdurch einen Nasenbeinbruch, der nach einigen Wochen folgenlos ausheilt. Durch die notwendige ärztliche Behandlung verpasst C allerdings seinen Urlaubsflieger. Am Abend erfährt er entsetzt aus der Tagesschau, dass genau das Flugzeug, in dem er sitzen sollte, bei der Landung mit einem anderen Flugzeug zusammen gestoßen ist und sich bei diesem Zusammenstoß alle Insassen massive Verletzungen zugezogen haben.

Aufgabe

Prüfen Sie gutachterlich die Strafbarkeit des S.

Etwaig erforderliche Strafanträge sind gestellt.

Lösungsskizze

Strafbarkeit des S nach § 223 Abs. 1 StGB?

I. Tatbestand

1. Objektiver Tatbestand

a) Handlung (+)

b) Erfolg

aa) Körperliche Misshandlung (+)

bb) Gesundheitsschädigung (+)

c) Kausalität (+)

d) Objektive Zurechnung (+)

2. Subjektiver Tatbestand: Vorsatz (+)

II. Rechtswidrigkeit (+)

III. Schuld (+)

Ergebnis: Strafbarkeit nach § 223 Abs. 1 StGB (+)

Ausformulierte Lösung

S könnte sich wegen Körperverletzung gemäß § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht haben, indem er C mit der Faust ins Gesicht geschlagen hat.

Klausurhinweis: Jede strafrechtliche gutachterliche Prüfung beginnt mit einem Obersatz. Dieser enthält die geprüfte Person, deren Tathandlung sowie die mögliche, nunmehr zu prüfende Strafbarkeit in Worten und mit Paragraph.

I. Tatbestand

Hierfür müsste er tatbestandsmäßig gehandelt haben.

Klausurhinweis: An dieser Stelle wird aus didaktischen Gründen möglichst strukturiert aufgebaut. In den weiteren Fällen werden zunehmend unproblematische Prüfungspunkte zusammengefasst, was sprachlich gefälliger ist, vor allem aber auch Zeit spart, also unbedingt auch in der Klausurbearbeitung geschehen sollte.

1. Objektiver Tatbestand

Er müsste also den objektiven Tatbestand erfüllt haben.

a) Handlung

Zunächst müsste S gehandelt haben. Unter einer Handlung versteht man jedes auf einem Willensentschluss beruhende menschliche Verhalten.1 Im vorliegenden Fall hat S willensgesteuert C mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Er hat also gehandelt.

Klausurhinweis: Zu Übungszwecken wird hier der Gutachtenstil in seinen Schritten Obersatz (=Hypothese), Definition, Subsumtion und Ergebnis genau beachtet. Mit zunehmender Erfahrung sollte bei derart unproblematischen Prüfungspunkten der Urteilsstil angewandt werden. Dieser Grundsatz findet auch bei den weiteren Fällen Anwendung.

Klausurhinweis: Nicht immer wird die Handlung als eigener Prüfungspunkt behandelt. Teilweise werden Handlung und Erfolg gemeinsam festgestellt, zuweilen wird die Handlung, wenn sie unproblematisch vorliegt, gar nicht in der Prüfung erwähnt.

b) Erfolg

Es müsste nun auch der Erfolg des § 223 Abs. 1 StGB eingetreten sein. Eine Körperverletzung ist dann gegeben, wenn es zu einer körperlichen Misshandlung oder einer Gesundheitsschädigung gekommen ist.

aa) Körperliche Misshandlung

Körperliche Misshandlung ist jede üble, unangemessene Behandlung, durch die das körperliche Wohlbefinden oder die körperliche Unversehrtheit nicht ganz unerheblich beeinträchtigt wird.2 Durch seinen Faustschlag hat S den C unangemessen behandelt und dessen körperliches Wohlbefinden sowie dessen körperliche Unversehrtheit durch den Nasenbeinbruch erheblich beeinträchtigt, so dass eine körperliche Misshandlung anzunehmen ist.

bb) Gesundheitsschädigung

Es könnte zugleich aber auch eine Gesundheitsschädigung eingetreten sein. Darunter versteht man das Hervorrufen oder Steigern eines pathologischen Zustandes.3 Einen solchen krankhaften, also pathologischen Zustand kann man mit dem Nasenbeinbruch vorliegend annehmen, so dass die Gesundheitsschädigung gegeben ist.

Klausurhinweis: Zwar würde bereits eine Alternative der Körperverletzung als Erfolg genügen. Im Sinne einer umfassenden gutachterlichen Prüfung sollten jedoch beide Möglichkeiten angesprochen und beurteilt werden, ggf. auch in einem gemeinsamen Prüfungspunkt.

c) Kausalität

Ferner müsste der eingetretene Erfolg kausal auf der Handlung beruhen, die Handlung müsste also ursächlich für den Erfolg gewesen sein. Nach der Äquivalenztheorie ist jede Handlung kausal für den Erfolg, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele („conditio-sine-qua-non“-Formel).4 Zunächst ist nach dem Sachverhalt mit großer Sicherheit festzustellen, dass C, würde man den Faustschlag hinwegdenken, seinen Urlaubsflieger bekommen hätte. So wie alle anderen Insassen wäre höchstwahrscheinlich auch er bei dem Unfall verletzt worden. Dies führt jedoch nicht dazu, dass die Kausalität ausscheidet. Durch das Hinwegdenken des Faustschlags würde nämlich der Erfolg in seiner konkreten Gestalt, also die Verletzung durch einen Faustschlag, durchaus entfallen. Die Handlung war also kausal für den konkreten Verletzungserfolg.

d) Objektive Zurechnung

Schließlich muss S der Erfolg auch objektiv zuzurechnen sein. Dies ist dann der Fall, wenn der Täter ein rechtlich missbilligtes Risiko geschaffen hat, das sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert hat.5 S hat mit seinem Schlag ein missbilligtes Verletzungsrisiko geschaffen. Dieses hat sich konkret im Nasenbeinbruch niedergeschlagen. Demnach muss sich S diesen Erfolg auch objektiv zurechnen lassen.

Somit ist der objektive Tatbestand des § 223 Abs. 1 StGB erfüllt.

Klausurhinweis: Sowohl die Kausalität als auch die objektive Zurechnung sollten nur dann genauer behandelt werden, wenn der Sachverhalt diesbezügliche Probleme beinhaltet.

2. Subjektiver Tatbestand

S müsste auch den subjektiven Tatbestand erfüllt haben, er müsste also vorsätzlich gehandelt haben. Unter Vorsatz versteht man das Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung.6 Im vorliegenden Fall hat S absichtlich, also mit direktem Vorsatz ersten Grades, C mit der Faust ins Gesicht geschlagen. Er hatte Vorsatz, C zu verletzen, und hat somit den subjektiven Tatbestand erfüllt.

Klausurhinweis: Der Vorsatz muss sich auf den gesamten objektiven Tatbestand beziehen. Regelmäßig genügt es bei Erfolgsdelikten jedoch festzustellen, dass Vorsatz bezüglich des Taterfolges, hier also der Verletzung eines anderen Menschen vorliegt. Möglich ist auch, auf die Feststellung der genauen Vorsatzform zu verzichten, da in der Regel das Gesetz keinen Unterschied zwischen den einzelnen Vorsatzformen macht.

II. Rechtswidrigkeit

Da keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich sind, handelte S auch rechtswidrig.

III. Schuld

Auch Entschuldigungsgründe kommen vorliegend nicht in Betracht. S handelte folglich auch schuldhaft.

Klausurhinweis: Sofern Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe offensichtlich von vornherein ausscheiden, bieten sich für Rechtswidrigkeit und Schuld solche kurzen feststellenden Sätze an. Anderenfalls sind Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe, die nicht abwegig sind, anzuprüfen und ggf. an der passenden Prüfungsstelle abzulehnen.

Klausurhinweis: Sofern nicht konkrete Hinweise im Sachverhalt etwas anderes besagen, kann davon ausgegangen werden, dass an der Schuldfähigkeit eines Täters keine Zweifel bestehen.

Ergebnis

Somit hat sich S durch seinen Faustschlag gegenüber C wegen Körperverletzung nach § 223 Abs. 1 StGB strafbar gemacht.

Klausurhinweis: Es könnte noch darauf hingewiesen werden, dass es sich bei der einfachen Körperverletzung nach § 223 StGB um ein (relatives) Antragsdelikt handelt, § 230 StGB. Ein entsprechender Antrag kann nach der Aufgabenstellung jedoch vorausgesetzt werden. Zudem würde ein fehlender Strafantrag nicht die Frage der Strafbarkeit betreffen, sondern die der Strafverfolgung.

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