Читать книгу Auf getrennten Wegen - Christian Linberg - Страница 19

Оглавление

1 - 17 Flussüberquerung -

Das Seil zog den Kompass unbarmherzig weiter auf die braunen Fluten zu. Phyria klammerte sich eisern fest, um nicht herunter gerissen zu werden.

Irgendwo dort drin, am anderen Ende ertrank gerade Droin und sie konnte nichts tun. Wasser war nicht ihr Element.

Ein Baumstamm trieb auf sie zu, der drohte, den Kompass zu rammen.

Ihr Schicksal schien gewiss, da durchbrach plötzlich ein Arm mit einem Dolch die Wasseroberfläche. Die Klinge senkte sich und verschwand im weichen Uferschlamm samt der Faust, die sie hielt. Ihr folgte einen Lidschlag später Droins anderer Arm mit der Kriegshacke.

Wie ein Dämon der Unterwelt erhob er sich langsam aus den Fluten. Wasser rann in Sturzbächen über seinen muskelbepackten Körper. Er schüttelte prustend den Kopf, so dass Tropfen in alle Richtungen geschleudert wurden.

Den Baumstamm vergessend konnte Phyria nur staunend zuschauen, wie Droin sich eine Handbreit nach der anderen am Ufer emporzog.

Schlamm spritzte jedes Mal auf, wenn er eine der Waffen neu versenkte, um sich wieder ein Stück weiter nach oben zu ziehen. Wo seine langen schwarzen Haare einen Blick auf seinen Körper frei gaben, entdeckte Phyria Narben und Tätowierungen.

Noch immer bewundernd bemerkte sie, wie er die Stiefel ebenfalls in den Schlamm rammte, als er sich gänzlich aus den Fluten befreite.

Das Tau zog er dabei nach und nach hinter sich her.

Keinen Augenblick zu früh, wie sie plötzlich entdeckte.

Der Baumstamm, der sich bis gerade noch träge auf sie zu bewegt hatte, war unterdessen beinahe zu einem Geschoss geworden, von den Wassermassen ergriffen, sauste er auf sie und den Kompass zu.

Doch Droin hatte die Kante der Uferböschung bereits erreicht.

Wie ein Fischer seinen Fang, zog er sie an der Leine Hand über Hand zu sich heran.

Nur ein paar besonders ausladende Äste streiften das Artefakt, als der Stamm krachend an ihr vorbei gespült wurde. Es zeigte sich, dass er nur ein Vorbote einer viel größeren Flutwelle war, die den Fluss noch weiter anschwellen ließ. Während sie erleichtert am Ufer vom Kompass glitt, verschwanden die Reste der einstigen Brücke bis auf einen einzelnen, abgebrochenen Felsen in den Wassermassen.

„Das war knapp“, kommentierte Droin nüchtern. Er war bereits wieder dabei, sich in seine zum Glück trockene Kleidung zu anzuziehen.

„Was macht Dein Bein?“, fragte er dabei.

Als hätte die Wunde nur darauf gewartet, schoss ein brennender Schmerz hindurch, der sie einknicken ließ. Nur dank des Artefakts blieb sie keuchend stehen.

„Dachte ich mir.“

Droin unterbrach seine Tätigkeit. Statt sich weiter anzuziehen, wühlte er in seinem Gepäck, bis er eine Kräuterpackung von Anaya gefunden hatte.

„Wir müssen aufhören, uns zu verletzen“, meinte er, während er sie rasch, aber sorgfältig verband.

„Du wirst eine Krücke brauchen. So kannst Du nicht weiterlaufen.“

„Müssen wir denn weiter?“

Sie schwankte unsicher hin und her.

Droin, der schon wieder damit fortfuhr, die Rüstung anzulegen, nickte: „Das komische Biest wird einen anderen Weg über den Fluss finden.“

„Woher willst Du das wissen?“

„Ich kann es sehen. Es steht da drüben und starrt uns hinterher. Ein Glück, dass es nicht schwimmen kann.“

Phyria schüttelte den Kopf: „Wie kannst Du sicher sein?“

„Es ist dort drüben, wir sind hier. Wenn es keine Angst vor dem Wasser hätte, könntest Du diese Frage jetzt wohl nicht mehr stellen.“

„Auch wieder wahr.“

Sie seufzte: „Jetzt hast Du mir schon wieder das Leben gerettet. So werde ich ewig in Deiner Schuld stehen.“

„Und in der von Anaya, Kmarr, Jiang und sogar Drakkan“, fügte sie nach einer Pause hinzu.

„Warte, bis Du die Rechnung bekommst. Wir sind teuer.“

So wie er das sagte, klang es ganz und gar nicht nach einem Scherz: „Wenn Du einen Teil davon begleichen willst, töte einfach das Viech, wenn es das nächste Mal auftaucht.“

„Und jetzt weg hier“, unterbrach er sie, als sie etwas erwidern wollte.

Sie fühlte sich wie ein kleines Kind, als er sie samt Kompass die Straße entlang schob, die sich hier auf der anderen Seite des Flusses fortsetzte. Sie bemerkte den müden Schritt und das leise Ächzen von Droin, als sie so in die Dämmerung stolperten.

Weit marschierten sie nicht mehr. Kaum außer Sicht des Ufers, zwischen den Resten eines alten Heuschobers, der kaum groß genug für sie beide war, hielten sie an.

Droin sank in sich zusammen, als hätte sein Körper sich in Gelee verwandelt.

„Du kochst“, gab er noch von sich, dann begann er zu schnarchen.

Kochen war es wahrlich nicht. Phyria stellte aus ihren Vorräten einfach zwei Teller voll mit getrocknetem Obst und Brot, Hartkäse und einem Schinken zusammen, der so zäh war, dass man ihn erst mit einem Hammer bearbeiten musste, bevor man ihn kauen konnte – jedenfalls fast. Zum Schluss erhitzte sie einen Kessel mit Wasser, um darin einen Kräutertee zu bereiten. Mit einem Becher voll davon weckte sie den schnarchenden Naurim.

Der nahm dankbar Becher und Teller entgegen.

„Du kochst wie Drakkan“, bemerkte er trocken.

„Aber ich sehe besser aus.“

„Na das ist auch nicht weiter schwierig.“

„Kochen auch nicht – zumindest mit den richtigen Zutaten. Ich habe im Kloster viel in der Küche geholfen.“

‚Zur Strafe.‘

Bedauernd dachte sie an die Zeit in der mit Mehl und Fett geschwängerten Luft der großen Küche der Abtei zurück.

„Das ist wirklich von Nutzen. Spuren lesen und Überleben in der Wildnis kann man lernen. Fürs Kochen braucht man Talent.“

„Und Drakkan hat keins? Es gibt also etwas, das er nicht kann“, stellte sie befriedigt fest.

„Vieles. Diplomatie ist nicht seine Stärke.“

Phyria musste lachen: „Und von Frauen versteht er auch nicht viel mehr.“

Droin nickte bedächtig: „Wenn es um ihre Gefühle geht, ist er zugleich blind und taub. Das schein die meisten allerdings eher anzuspornen. Du hast das schnell bemerkt.“

„Das Anaya und Jiang beide in ihn verliebt sind? Natürlich. Anaya weiß es selbst auch noch nicht und Jiang traut sich nicht.“

„Gut beobachtet. Ist es tatsächlich so offensichtlich? Ich habe länger gebraucht, es zu erkennen.“

„Ich hätte blind sein müssen, um es nicht zu bemerken. Und taub“, fügte sie mit einem Hinweis auf die nächtlichen Aktivitäten von Drakkan und Anaya hinzu.

„Das Eine bedeutet nicht immer das Andere. In diesem Fall hast Du jedoch Recht.“

Er dachte einen Moment nach: „Einen Rat will ich Dir geben: Behalte Dein Wissen für Dich. Und misch Dich nicht ein. Das mag er gar nicht. Er hat dafür viele Qualitäten, die seinen Mangel an Taktgefühl wettmachen.“

„Wenn er sonst so direkt ist, warum versucht er dann, seine Liebschaft mit Anaya zu verbergen?“

„Das musst Du ihn schon selber fragen“, brummte Droin: „Wir haben alle unsere Geheimnisse.“

Er sah sie dabei so betont an, dass sie gar nicht anders konnte, als rot zu werden.

„Du hast Recht. Ich werde es mir merken. Erlaubst Du mir dennoch eine Frage?“

Phyria schluckte einmal, dann nahm sie all ihren Mut zusammen: „Wie kommt ihr damit klar, dass Drakkan zur Hälfte ein Dämon ist? Macht euch das gar nichts aus?“

Zu ihrer Überraschung blieb Droin ruhig: „Ich weiß, weshalb Du fragst. Du hast gelernt, dass alle Dämonen Feinde sind. Lass mich Dir so antworten: Ich habe Viele getroffen, die aufrichtig und edel wirkten und dennoch Kinder mordeten und Frauen schändeten. Und ich habe den abgerissensten Bettler gesehen, der sein Leben für einen Fremden riskierte, indem er ihn aus einem brennenden Haus rettete. Es kommt nicht darauf an, was man ist oder wo man herkommt, sondern was man tut.“

Phyria schüttelte den Kopf: „Aber genau das verstehe ich nicht. Es ist das, was er tut, was ihr verurteilen müsstet.“

Auch wenn sie den Finger nicht darauflegen konnte, was es war, dass sich geändert hatte, spürte sie, wie Droins Erschöpfung plötzlich einer wachsamen Anspannung wich.

Seine Stimme blieb dagegen vollkommen ruhig: „Was genau meinst Du? Er tötet, um zu überleben. Das tun wir alle. Gut, er kämpft nicht fair und nutzt sein dämonisches Erbe, doch wir müssen alle mit den Gaben leben, die uns die Götter gegeben haben.“

„Aber der Raub der Seele? Wie kannst Du das rechtfertigen? Er vergeht sich an dem, was Anderen von den Göttern geschenkt wurde.“

Sie war vollkommen verwirrt. Wie man einen solchen Frevel einfach mit einem Schulterzucken abtun konnte, war ihr unbegreiflich.

Als Droin dieses Mal antwortete, glich seine Haltung einer Statue, kein Muskel zuckte. Seine Stimme war eisig: „Diese Frage solltest Du ihm stellen, wenn Du in das nächste Mal siehst. Ich bin neugierig, was er darauf erwidert. Und noch etwas: Nur weil man etwas kann, bedeutet das nicht, dass man es auch tut, oder hast Du ihn schon dabei gesehen?“

Sie schüttelte wortlos den Kopf. Dabei bemerkte Sie nicht, dass Droins Hand sich so fest um den Griff seiner Waffe geschlossen hatte, dass seine Knöchel weiß hervortraten.

Auf getrennten Wegen

Подняться наверх