Читать книгу Auf getrennten Wegen - Christian Linberg - Страница 4

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1 - 2 Fell und Hörner -

Ein stechender Schmerz im Nacken war es schließlich, der sie aus ihrem Dämmerzustand riss.

Vorsichtig tastete sie nach der schmerzenden Stelle. Es war nichts gebrochen oder gerissen, sie hatte nur ziemlich lange in einer äußerst unbequemen Pose gelegen. Möglicherweise wären auch ernstere Schäden entstanden, aber Anaya war eine Aliana, eine Tochter der Waldgeister von Galladorn, die ihr eine wandelbare Gestalt verliehen. Sie konnte ihre Gliedmaßen verlängern und verkürzen, ihre Haut mit Rinde überziehen, sich die Sinne von Tieren leihen und auch die Natur um sich herum manipulieren oder um Hilfe bitten.

Daher war die Lage nur unbequem, nicht gefährlich.

Zwischen ihren Füßen hindurch konnte sie die Sterne sehen.

Es war tiefste Nacht, als sie endlich halbwegs wach war. Wie sie feststellte, hatte sich ihr Geweih bei der Landung in einem Dornenbusch verheddert, während ihre Füße in einem Ast festhingen. Daher kam ihre unbequeme Position.

Jeder Alian wählte seine erste Erscheinungsform bei der Initiation in einen Druidenzirkel selbst.

Viele hatten ein Geweih oder Hörner, wenn auch meist kleiner als ihres, oft trugen sie Fell oder Federn, manche hatten sogar Flügel. Hufe und Klauen waren dagegen annähernd zu gleichen Teilen vorhanden.

Es dauerte länger als gewöhnlich, die Konzentration aufzubringen, die sie benötigte, um eine Veränderung herbei zu führen.

Schließlich gelang es ihr. Von ihrem Geweih waren nur noch zwei kurze, glatte Hörner übrig, die aus ihrer Stirn wuchsen.

Langsam erhob sie sich.

Der Schmerz im Nacken war noch da, ebenso wie eine Reihe Prellungen. Insgesamt waren es keine ernsthaften Verletzungen. Sie nahm Kontakt zu der sie umgebenden Natur auf, indem sie ihre Hände im Schlamm versenkte. Erneut wurde sie beinahe von der Lebenskraft überwältigt, die sie umgab. Mochte das Land noch so verdorben und tot wirken, tatsächlich pulsierte es vor verborgenem Leben.

Rasch schwanden ihre Schmerzen, kurz darauf fühlte sie sich wieder frisch und munter. Sie war nicht übermäßig besorgt, ihre Gefährten waren nicht so leicht umzubringen.

Zu Beginn ihrer Bekanntschaft hatte sie begriffen, dass es nicht die waghalsigen Taten geistig Verwirrter waren, sondern wohl überlegte Handlungen. Sie schienen stets genau zu wissen, was möglich war und was nicht.

Bei Droin und Jiang war das nicht weiter verwunderlich. Der Naurim war alt und erfahren genug zu wissen, was er konnte. Die kleine Shâi war zwar verschlossen, aber auch diszipliniert. Sie durchdachte jeden ihrer Schritte dreimal, bevor sie ihn machte.

Drakkan hingegen…

Sie seufzte. Keine Zeit für sentimentale Gedanken. Ziemlich sicher war sie drei oder vier Meilen weit vom Siegel entfernt. Die Welle – oder besser Ferrn Tarn – hatte sie alle von dort herunter gefegt. Die Präsenz des Arkanisten von Narfahel war überdeutlich gewesen.

Er beschützte sein Land noch immer. Der Wahnsinn in seiner Stimme hatte ihre Sinne überflutet und ihr das Bewusstsein geraubt.

Zunächst sah sie sich daher gründlich um. Seine Präsenz mochte noch immer in der Nähe sein.

In ihrer unmittelbaren Umgebung waren nur Büsche und schlammiger Grund. Kein einziger Blutbaum wankte in der Nähe umher. Es war eisig kalt, wie sie jetzt erst bemerkte. Ihre Kleidung war durchnässt und sie zitterte. Wieder versenkte sie die Hände im Schlamm. Sie erinnerte sich an das warme Fell eines Höhlenbären, mit dem sie früher einmal einen Bau geteilt hatte. Sie spürte, wie sich ein zarter Flaum auf ihrer Haut bildete, dann sprossen einzelne Haare. Immer mehr und immer dichter wurden sie, bis Anaya von zottigem Fell bedeckt war.

Fast sofort verschwand das Gefühl von Nässe und Kälte. Zufrieden schritt sie den nächsten, kleineren Hügel in Richtung Stadt hinauf.

Auf getrennten Wegen

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