Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 2 - Kaltarra - Christian Linberg - Страница 13

- 10 Trainingsrunde -

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Ich lief ein paar Straßen hinauf und hinunter und beschloss dann, zurück in die Herberge zu gehen.

Dieses Mal verirrte ich mich nicht, sondern kam ziemlich schnell dort an. Gerade noch rechtzeitig, um über eine Gruppe aufgeregter Adliger zu stolpern, die im Begriff waren, unsere neuen Nachbarn zu werden, wie ich aus dem Gespräch am Tor erfuhr.

Ich wartete ungeduldig bis sie endlich drinnen von Majora Enid empfangen und im Haupthaus verschwunden waren, ehe ich eintrat und auf direktem Weg die Trainingshalle der Wachleute ansteuerte.

Als ich eintrat, lieferten sich ein kleiner schlanker Mann und eine hoch gewachsene, leicht übergewichtige Frau ein Duell mit langen Stöcken. Ein grauhaariger Mann mit langem Bart in einer weiten Robe stand daneben und kommentierte die Schläge und Paraden. Er wies auf Fehler hin und lobte besonders gute Aktionen.

Keiner von ihnen bemerkte mich, so vertieft waren sie in ihren Kampf.

Sie waren gut, das musste ich ihnen lassen. Besser als ich erwartet hatte. Das gefiel mir, denn es versprach eine lohnenswerte Übungsrunde, sofern sie bereit waren, mit mir eine Runde zu wagen.

Oft hatten die Menschen, auf die ich traf zu großen Respekt, um ernsthaft mit mir zu üben. Meine Größe und Kraft bereiteten ihnen Schwierigkeiten, weil sie es nicht gewohnt waren, sich mit jemandem zu Duellieren, der über so viel mehr Reichweite verfügte.

Während ich darüber nachdachte, betrachtete ich die Halle. Sie hatte einen Boden aus weichem Holz und verfügte in einer Ecke über ein langes Regal mit unterschiedlichsten Übungswaffen, sowohl aus Holz als auch aus Metall. Daneben standen einige hölzerne Puppen, an denen man Schläge und Stöße trainieren konnte. Außerdem gab es einige Scheiben als Ziele für Schuss- und Wurfwaffen. Kurzum, es war alles vorhanden, um sich in Form zu halten.

Schließlich endete der Kampf mit einem Sieg der Frau, die ihrem Gegner mit einer geschickten Kombination aus Schlägen schließlich den Stab in die Magengrube stieß.

Beide schüttelten sich anschließend die Hände und verbeugten sich vor dem weißbärtigen Mann. Als sie sich zum gehen wandten, entdeckten sie mich und blieben überrascht stehen.

Ich ging ihnen ein paar Schritte entgegen: „Entschuldigt bitte, dass ich mich nicht zuvor bemerkbar gemacht habe, aber ich wollte euren Kampf nicht unterbrechen.“

„Dienern ist der Zutritt zur Trainingshalle nicht gestattet.“, bemerkte der Mann. Er wischte sich das Gesicht mit einem Handtuch ab und rieb sich die Stelle in seinem Magen.

„Das halte ich für durchaus sinnvoll, aber ich bin kein Diener, sondern ein Gast des Hauses. Drakkan Vael ist mein Name.“, antwortete ich freundlich: „Falls es möglich ist, würde ich gerne eine Weile hier üben. Ich fürchte in den nächsten Monaten werde ich das noch bitter nötig haben.“

„Ein teures Schwert macht Euch noch nicht zu einem Kämpfer.“, entgegnete jetzt auch die Siegerin.

„Das ist mir durchaus bewusst.“, erwiderte ich: „und wenn ich euch gestört haben sollte, bitte ich um Entschuldigung. Majora Enid hat mir jedoch nicht verboten, hierher zu kommen. Also hoffe ich, Ihr seid so freundlich und teilt die Halle mit mir.“

„Wir sind fertig für heute. Falls ihr wirklich ein Gast seid, könnt ihr selbstverständlich Eure Übungen hier machen.“, mischte sich jetzt auch der bärtige Mann in der Robe ein: „Aber ich stelle dafür eine Bedingung. Beweist mir, dass ihr es tatsächlich vermögt, die hübsche Waffe, die ihr da tragt auch zu führen.“

Er deutete mit einem krummen Finger auf mein Schwert. Ich zögerte, die Waffe zu ziehen, weil ich niemals mit einer scharfen Waffe einen Übungskampf absolvierte.

„Ich wusste es.“, bemerkte der kleinere Mann: „Er ist auch nur ein gelangweilter Adliger, der nicht weiß, was er mit der Zeit anfangen soll, die er dank seines Titel und seines Reichtums hat.“

Meine Mundwinkel zuckten amüsiert, als ich daran dachte, dass Jiang mein „Vermögen“ gerade freizügig für Kleidung ausgegeben hatte.

„Die Waffe, die ich trage, ist nicht für Übungen gedacht. Es wäre nicht richtig, sie hier zu benutzen. Wenn ihr erlaubt, werde ich mir eine aus dem Regal nehmen.“, entgegnete ich auf die Anschuldigung hin.

„Er scheint es tatsächlich ernst zu meinen“, bemerkte die Frau.

„Bitte.“, der alte Mann machte eine einladende Geste: „Ich bin Meister Linfarg, der Waffenmeister der Herberge. Seht Euch ruhig um und trefft dann Eure Wahl.“

Ich ging zum Regal mit den Waffen hinüber und begutachtete sie eine Weile, ehe ich mich für eine lange, schlanke Klinge ganz ähnlich meiner entschied. Sie war nicht so gut ausgewogen und auch etwas schwerer, aber nicht schlecht.

Damit in der Hand trat ich wieder zurück zu den dreien, die mich aufmerksam beobachteten. Statt sie zu beachten, löste ich erst den Schild vom Rücken und dann den Schwertgürtel und legte beides am Rand der Halle auf den Boden. Anschließend zog ich die verschiedenen kurzen Klingen und legte sie samt ihrer Scheiden dazu, bevor der Gürtel zum Schluss oben drauf wanderte.

„Dafür, dass er nur ein verwöhnter Adliger ist, hat er aber ein ziemliches Waffenarsenal dabei.“, kommentierte die Frau meine Tätigkeit.

„Was nun?“, wollte ich vom Waffenmeister wissen.

„Zeigt mir ein paar Grundschläge und Paraden, dann sehen wir weiter.“

Meister Linfarg war ein Veteran. Er gab nur kurze Kommandos, die ich zu seiner Zufriedenheit ausführte. Anfänglich kommentierte er kleine Fehler meiner Haltung, doch je länger ich seinen Anweisungen folgte, je flüssiger wurden meine Bewegungen, als sich mein Körper daran erinnerte, welche Position welchen Namen trug.

Ich hatte seit Jahren kein formales Training mehr absolviert, trotzdem gingen mir die verschiedenen Hiebe und Haltungen leicht von der Hand. Es fühlte sich gut an, wieder unter einem kompetenten Lehrer Übungen zu vollziehen.

Anfänglich hatten die beiden Wachleute mir noch misstrauisch zugesehen. Doch schon nach wenigen Augenblicken war klar, dass ich zumindest kein Anfänger war.

Eine Viertelkerzenlänge später stoppte Meister Linfarg mich: „Ihr seid auf jeden Fall sehr erfahren mit der Waffe. Und die kleineren Fehler die ihr macht haben nichts mit mangelndem Können, sondern nur mit der Tatsache zu tun, dass ihr schon lange den Übungen entwachsen seid.

Darf ich fragen, womit Ihr Euren Lebensunterhalt verdient? Ihr seid sicher weder Händler noch eine Person von Stand, oder ihr würdet hier schwer atmend stehen und wärt kaum noch in der Lage, die Waffe zu halten.“

Ich bedankte mich für seine Worte, musste aber trotz seiner Einschätzung ein paar Mal tief Luft holen, ehe ich antwortete: „Es tut gut, wieder einige Übungen zu machen. Und auch kleine Fehler können einen unachtsamen Kämpfer schnell das Leben kosten. Ich bin ein Kopfjäger, obwohl die meisten, die Ihr fragt wohl Söldner oder Abenteurer dazu sagen würden. Ich sehe mich selbst als einen Jäger.“

„Also ein Mann des Schwertes.“, kommentierte die Frau.

„Jetzt, nachdem ich gesehen habe, dass Ihr wirklich mit Eurer Waffe umgehen könnt, möchte ich mich für meine übereilten Worte entschuldigen.“, fügte ihr Übungspartner hinzu.

„Es gibt keinen Grund für Entschuldigungen. Aber falls ihr mir einen Gefallen tun wollt, trainiert eine Weile mit mir.“, entgegnete ich ihnen und hielt ihnen dabei meine Hand hin.

„Sarina.“, stellte sie sich vor: „Das würden wir gerne tun, aber unsere Schicht beginnt gleich.“

„Birat.“, tat es ihr Partner gleich: „Ja leider müssen wir gleich unseren Dienst antreten. Ein anderes Mal vielleicht.“

„Gerne.“

Sie verabschiedeten sich, versprachen aber, mir eine Nachricht zu schicken, wenn Zeit für einen Trainingskampf war.

„Wartet ein wenig, in Kürze müssten die nächsten Wächter her eintreffen.“

Der Waffenmeister stand neben mir und blickte den beiden hinterher: „Inzwischen weiß ich, dass Ihr alles andere als ein Anfänger seid. Ich nehme an, Ihr könntet die Übungen auch eine volle Kerzenlänge weitermachen, oder?“

„Nicht nur eine. Wenn ich in dem, was ich tue zu langsam bin oder mir zu schnell die Kraft ausgeht, bin ich tot. Also sorge ich wann immer ich kann für Übung.“, erwiderte ich.

„Sehr intelligent.“, bestätigte er nickend. „Ich wünschte nur, meine Schützlinge hier würden ebensolche Einsicht zeigen. Die beiden, die Ihr gesehen habt, gehören zu den Besseren.“

Lange musste ich nicht warten, dann betraten zwei weitere Wachen die Halle. Auch sie blieben zunächst stehen als sie mich sahen, doch nachdem der Meister sie vorwärts winkte, kamen sie schnell näher.

Wir begrüßten einander und nachdem sie festgestellt hatten, was ich konnte, verbrachten wir die nächste Kerzenlänge mit anstrengenden aber äußerst vergnüglichen Übungskämpfen.

Und auch die beiden die darauf folgten, waren ein paar Übungsrunden nicht abgeneigt. Der Waffenmeister nutzte meine Anwesenheit, um seine Schüler im Kampf zwei gegen einen zu trainieren und ihnen Tricks zu zeigen, wie man größere Reichweite umgehen konnte.

Es tat gut, mich so zu verausgaben. Nach einer Weile legte ich mein durchgeschwitztes Hemd ab und band es nach Art der Shâi um die Hüfte, indem ich die Ärmel vorne verknotete.

Die Männer und auch der Waffenmeister blickten mich verblüfft an.

„Ihr seht aus, als wärt ihr mindestens zwei Mal gestorben.“, kommentierte Jorin, einer meiner gegenwärtigen Trainingspartner.

„Es scheint so, als hättet ihr sehr viele Kämpfe nur äußerst knapp gewonnen.“, bemerkte Meister Linfarg trocken.

„Und einige Narben sind frisch.“, fügte Silad hinzu: „Wie lange ist die letzte Auseinandersetzung her?“

Ich musste einen Moment überlegen, denn den Knochenjäger wollte ich auf keinen Fall erwähnen.

„Fünf Tage.“, sagte ich schließlich.

„Da wart ihr schon in Kalteon.“, erwiderte Jorin.

„Stimmt. Ich hatte bereits das Vergnügen mit den Soldaten aus Morak.“, antwortete ich.

„Oh, erzählt.“, bat er mich.

„Ja, dass würde mich auch interessieren.“, fügte Meister Linfarg hinzu.

Wir setzten uns in Ermangelung von Stühlen auf den Boden und ich berichtete ihnen von unseren Erlebnissen. Meine Probleme mit Steinwächter Solon, Zöllner Oribas und die Erfahrungen mit den Knochenjägern ließ ich dabei wohl weißlich aus.

Die Gesichter der Männer verdüsterten sich mit der Länge der Erzählung. Besonders der feige Überfall auf die Mannschaft des zweiten Tores entlockte ihnen Laute der Entrüstung. Ich konnte es ihnen nicht verdenken.

Im Südosten gab es einen Eingang in das Bergreich Kalteon, dass durch einen langen Tunnel führte, den die Naurim in früherer Zeit angelegt hatten. Es war ein Teil einer größeren Festungsanlage, den die Menschen Kalteons schon seit langem nutzten. Beide Enden wurden durch gewaltige steinerne Tore verschlossen, die einem Angreifer lange Stand halten konnten.

Die Armee von Morak hatte Kundschafter in Form von gedungenen Mördern vorausgeschickt, um die Wachen am inneren Tor auszuschalten, damit diese das Steintor nicht schließen konnten.

Das hatte auch funktioniert, nur hatte mein Freund und Kamerad Droin, der dem Volk der Naurim angehörte sein Wissen um die Bauwerke seines Volkes genutzt, um einen alten Mechanismus zu entdecken und in Gang zu setzten, mit dem es ihm gelungen war, den gesamten Tunnel zum Einsturz zu bringen.

Wir hatten zusammen mit den Wachen des ersten Tores einen verborgenen Weg durch die alte Festung der Naurim genommen und waren nur knapp lebendig daraus entkommen, weil sie jetzt von ihren Erzfeinden, den Atuar bewohnt wurde, die die einstigen Bewohner daraus vertrieben hatten.

Atuar waren sehr schlanke, blinde Wesen, die sich mit Hilfe ihres ausgezeichneten Gehöres in den Höhlen zu Recht fanden. Die Naurim bekämpften sie so lange sie sich erinnern konnten, ohne dass ich wusste, warum. Wir hatten eine kurze Begegnung mit ihnen, konnten aber entkommen, wenn auch nicht ohne Verluste.

Von da an waren wir zusammen mit allen überlebenden Soldaten und Flüchtlingen aus dem Tal vor den anderen beiden anrückenden Armeen geflohen, denn leider hatte sich herausgestellt, das Morak von drei Seiten gleichzeitig in den östlichen Teil von Kalteon eingefallen war.

Gerade noch rechtzeitig hatten wir zusammen mit den Soldaten aus Kalteon die Vorhut der Angreifer aufhalten können, um die Flüchtlinge in der östlichen Wachfestung in Sicherheit zu bringen.

Droin war dort geblieben, um seine Erfahrung dem jungen und arroganten Steinwächter Solon zur Verfügung zu stellen, der die Festung gegen den anstürmenden Feind halten sollte.

Es hatte sich gezeigt, dass die Armee aus Morak Totenbeschwörer, Dämonen und Untote in ihren Reihen hatte, die den Verteidigern schwer zu schaffen machten und so war die erste Festungsmauer bereits nach einem Tag gefallen.

Nachdem klar war, dass die übrigen Mauern länger standhalten würden, war ich mit Kmarr, Anaya und Jiang aufgebrochen, um die Magana nach Kaltarra zum Geistheiler zu bringen. Das war uns auch gelungen, obwohl wir unterwegs von Höllenvögeln angegriffen wurden, die Anjii, wie sie nach Jiangs Angaben wirklich hießen, waren zur Hälfte Dämonen, die vor allem auf den Urwaldinseln von Quaran zu finden waren und die Küsten von Shâo plagten.

Wir entkamen ihnen nur knapp und erreichten schließlich Kaltarra.

„Das war vor zwei Tagen.“, bemerkte ich am Ende der Erzählung.

Eine Weile herrschte Schweigen. Dann räusperte sich Meister Linfarg schließlich: „Dämonen und Untote? Es fällt mir schwer das zu glauben. Aber...“, er hob die Hand: „...das soll nicht heißen, dass ich Deinen Worten nicht traue. Es ist einfach schwer sich an den Gedanken zu gewöhnen, dass unsere Feinde solch dämonische Kräfte einsetzen. Noch dazu, weil wir so weit von dem Land entfernt sind.“

„Was haben wir denen denn getan?“, sagte Silad unglücklich.

„Ich weiß nicht einmal wo Morak liegt.“, fügte Jorin hinzu.

„Weit im Westen noch hinter Denelorn. Seit Urzeiten ist die Zitadelle der Winde, der Sitz der Donnerritter der bekannteste Grenzposten. Aber seit hundert Jahren hat niemand mehr einen Einwohner Moraks außerhalb ihres Landes gesehen. Und das Land zu betreten ist Fremden bei Todesstrafe verboten“, erklärte ich ihnen.

„Was wollen die dann hier?“, fragte Silad erneut.

„Das kann euch wohl nur euer König verraten.“, antwortete ich ernst.

„Ich danke Dir für Deine Geschichte, auch wenn sie uns nicht viel Anlass zur Hoffnung bietet.“

Während er das sagte, erhob sich Meister Linfarg wieder.

„Ihr kommt zu spät zum Dienst.“, erinnerte er die beiden Wachleute. Die sahen überrascht auf die abgelaufene Sanduhr und fluchten. Sie sprangen auf und rannten so schnell sie konnten zur Tür. Dort stießen sie beinahe mit zwei weiteren ihrer Kameraden zusammen, die zu ihrer Trainingsrunde angetreten waren. Sie riefen ihren davoneilenden Kameraden spöttische Bemerkungen hinterher Bevor sie zu mir und Meister Linfarg hinüber kamen. Gerade wollten wir uns einander vorstellen, da öffnete sich eine Seitentür zum Nachbargebäude und ein Diener trat ein: „Entschuldigt bitte, Mistress Yao bittet Drakkan Vael ihr im Dampfbad Gesellschaft zu leisten.“

„Ich fürchte, dem werde ich Folge leisten müssen.“, erklärte ich den anderen. Sie grinsten mich an.

„Dann wünsche ich Dir ein erholsames Vergnügen.“, sagte der Waffenmeister: „Du bist hier jederzeit willkommen. Und danke noch einmal für die Nachrichten, auch wenn sie nicht gut waren.“

„Ich werde sicher morgen wieder herkommen und trainieren. Vielen Dank für Deine Unterweisungen und die Möglichkeit zu Üben.“

Ich schüttelte seine Hand, verabschiedete mich und sammelte schnell meine Sachen auf, ehe ich zu dem Diener trat, der noch immer geduldig auf mich wartete.

Die sieben Siegel der Dakyr - Band 2 - Kaltarra

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