Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 2 - Kaltarra - Christian Linberg - Страница 4

- 1 Frühstücksfreuden -

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Ich erwachte zu den ersten Sonnenstrahlen, die den Weg in das Zimmer fanden.

Mein Rücken fühlte sich an, als wäre jemand über Nacht darauf herumgesprungen. Mühsam rollte ich mich herum und kämpfte mich erst auf alle Viere, dann auf ein Knie und schließlich in eine annähernd aufrechte Position, die mich eher an die Affen aus den Urwäldern von Quaran erinnerte.

Die zahlreichen Verletzungen der letzten Tage machten sich bemerkbar.

Zwar hatten die schnellen Heilungen durch Anayas Künste und meine eigenen, dämonischen Kräfte die Wunden verschlossen und die Schäden weitgehend beseitigt, aber mein Körper gewöhnte sich einfach nicht daran. Er meldete noch immer Schmerzen an Stellen, die eigentlich wieder in Ordnung sein sollten.

Die Folge war, dass ich mich steif und zerschlagen fühlte, als ich mich in meine Kleidung quälte. Dabei entdeckte ich zu meinem Verdruss auch die Rüstung, die ich sträflich vernachlässigt hatte.

Zum Dank dafür war sie jetzt mit feinem Rost überzogen. Also hieß es als nächstes Putzen. Ich schnappte mir mein Putzzeug und die Rüstungsteile und schleppte alles zusammen nach unten in den Schankraum. Die Wirtin Maya war bereits an der Bar damit beschäftigt, Gläser und Becher wieder in das Regal hinter ihr einzuräumen.

Ich begrüßte sie verschlafen und setzte mich dann an einen Tisch neben dem Kamin. Die Rüstung lud ich auf einem Stuhl neben mir ab und das Putzzeug landete auf dem Tisch. Nacheinander befreite ich nun alle Teile von Rost und überzog sie anschließend mit einer feinen Schicht Wachs.

Öl wäre zwar schneller gegangen, aber Wachs verschmierte nicht so leicht. Außerdem hielt es länger.

Während ich arbeitete ließ ich mir Frühstück in Form von Käse, Brot und wachsweichen Eiern kommen. Dazu einen Becher warmen Gewürzwein.

Es dauerte nicht lange, und Kmarr gesellte sich zu mir.

Der hünenhafte Leonide dominierte den gesamten Raum. Ich war mit mehr als zwei Schritten Größe schon eine auffällige Erscheinung in den Ländern der Menschen, aber er war mehr als einen ganzen Schritt größer als ich, hatte goldgelbes Fell und den Kopf, die Krallen und Tatzen eines Löwen, wenn auch eines Zweibeinigen.

Seine Schnauze barg riesige Reißzähne, die den meisten Gesprächspartnern am Anfang das Gefühl vermittelten, seine nächste Mahlzeit zu werden.

Er hatte eine lange Mähne, die er vor allem in der unteren Hälfte weitgehend zu Zöpfen geflochten trug, in die Perlen, Knochen, kleine Steine und Federn eingearbeitet waren. Zumeist trug er einen weiten ledernen Rock, der ebenfalls mit solchen Objekten verziert war.

In der Stammeskultur der Leoniden zeigte man damit Herkunft, Rang und Familie an.

Jetzt im Winter hatte er zusätzlich eine weite lederne Weste angezogen, die in Farbe und Stil auf den Rock abgestimmt war. Draußen hüllte er sich in einen Fellmantel, der vier normalen Menschen als Zelt gedient hätte.

Unter der Weste trug er eine Kette aus Schneidezähnen von besiegten Gegnern um den Hals. Allerdings zum Glück nur von Tieren oder Bestien.

Auch er hatte sich Arbeit mitgebracht, allerdings eine Andere. Bald lag der Tisch voll mit den Bauteilen seines Bolzenwerfers, einer neuartigen Waffe, die er selbst erfunden hatte.

Er begann eine Zeichnung der einzelnen Teile.

Seine Antwort bestätigte meinen Verdacht: Er war mit Droin übereingekommen, einen Bauplan zu erstellen, um die Waffe in großen Mengen herstellen zu können.

Jeder Schmied sollte ein oder zwei Teile fertigen, so dass nur wer die Pläne vollständig besaß, die Waffe hinterher zusammensetzen konnte.

Zu Hause bei Droins Klan war das nicht nötig, aber sie wollten ihre Überlegungen bereits in Kaltarra testen weil wir nicht wussten, wann wir unser Winterquartier bei Klan Fenloth erreichen würden.

Um nicht zu verraten, wozu sie die Teile brauchten, waren ihre Überlegungen sicherlich sinnvoll.

Ich fand die Idee gut, denn nachdem ich gesehen hatte, wie beängstigend gefährlich die Waffe war, brannte ich darauf selbst eine zu besitzen.

Wir besprachen verschiedene Möglichkeiten die Waffe im Krieg einzusetzen und wollten den Aspekt mit Droin diskutieren, wenn er wieder zu uns stieß.

Mir schwebte eine dicht geschlossene Formation mit schweren Schilden vor, hinter denen die Schützen langsam vorrückten.

Kmarr war der Meinung, wir sollten Speerträger hinzufügen und beweglicher bleiben, indem wir kleinere Schilde verwendeten.

Während wir das besprachen, gesellten sich Anaya und Jiang zu uns.

Sie nahmen am Nachbartisch platz, nachdem Anaya kopfschüttelnd unseren Tisch betrachtet hatte, auf dem keine handbreit Platz zwischen all den Teilen, Putzzeug, Pergament und Tellern mit den Resten unseres Frühstücks übriggeblieben war.

Die beiden bestellten sich ebenfalls etwas zu Essen und wir beratschlagten gemeinsam unsere weiteren Reisepläne.

„Ich habe bereits nach der Magana gesehen. Ihr Körper wird immer kälter und ihre Haut ist inzwischen Grau. Ich glaube, wir müssen uns beeilen, lange hält sie nicht mehr durch.“, erklärte Anaya.

Ihr Geweih wippte bei jedem Wort hin und her und verdeutlichte ihre Sorgen um das Wohlergehen der Bewusstlosen.

Sie war eine Aliana aus Galladorn, weiter im Süden. Sie war fast so groß wie ich, aber erheblich schlanker und hatte die athletische Figur eines Hirsches, dessen Geweih sie trug.

Vor Jahrhunderten hatten sich die Menschen dort mit den Waldgeistern vermischt und ihre Nachfahren hatten Teile beider Völker geerbt.

Anaya hatte neben dem Geweih eine grünliche Haut und Hufe, statt Füßen. Sie konnte damit so schnell und lautlos laufen, wie niemand sonst, den ich kannte. Falls es nötig war, konnte sie zudem ihre Gestalt ganz oder teilweise verändern, indem sie die Geister von Tieren oder Pflanzen in ihren Körper rief.

Als Druidin konnte sie sich mit Tieren und Pflanzen verständigen. Sie gehörte dem Zirkel von Zar’gan’f an, einem obskuren Ort tief im Wald von Galladorn, den nur Eingeweihte jemals betreten durften.

„Dann reisen wir eben schnell.“, merkte Jiang in ihrem üblichen Tonfall an.

Nichts von den gestrigen Vorkommnissen war ihr anzumerken. Sie trug ein schwarzes Seidengewand, das mit goldenen Löwen bestickt war. Gehalten wurde es von einer blutroten Schärpe mit einer goldenen Spange.

Neben ihr lag ein flacher, kegelförmiger Hut aus Stroh, der mit dem gleichen Stoff bespannt war, aus dem auch ihr Gewand bestand.

Sie reichte mir stehend höchstens bis knapp über den Bauchnabel, aber ihre Aura von Autorität ließ sie größer erscheinen.

Dazu trugen auch ihre mandelförmigen Augen bei, ein Zeichen dafür, dass sie aus Shâo stammte, einem Land, weit südlich von hier, hinter den Urwaldinseln von Quaran.

Einst war sie eine Mystikerin am Hofe des Kaisers von Shâo gewesen, aber das lag lange zurück.

Jetzt waren die Höhlen von Klan Fenloth ihr Zuhause. Ihre manchmal seltsame Art und ihre mystischen Fähigkeiten hatte sie jedoch behalten und vor allem Letztere waren im Laufe der Zeit sogar noch stärker geworden.

Eine ihrer merkwürdigsten Eigenschaften, war ihr seltsames Konzept von Ehre, dass sie gestern Abend in Erwartung von mir ausgepeitscht zu werden, halb nackt in mein Zimmer geführt hatte.

Warum sie das getan hatte, war mir nicht so recht klar, aber ich hatte es aufgegeben, mir darüber Gedanken zu machen. Immerhin war mir das Kunststück gelungen, sie davon abzubringen, ohne das ich verstanden hatte, wie.

Leider war mir nicht gelungen das zu erreichen, was ich normalerweise von halbnackten Frauen erwartete. Das hatte nichts mit Peischen zu tun, dafür aber mit mehr Nacktheit.

„Ihr wisst doch noch, wie schnelles Reisen funktioniert, oder?“, fragte sie in die Runde.

Kmarr nickte zustimmend.

„Natürlich. Wir sollten an sich zwei Tage brauchen, bis wir Kaltarra erreichen, aber ich denke, wir schaffen es auch an einem Tag, wenn wir uns beeilen.“

„Also ein Eilmarsch. Dann sollten wir möglichst bald aufbrechen.“, schlug ich vor.

„Ich baue den Bolzenwerfer wieder zusammen. Es fehlen nur noch drei Zeichnungen, aber die kann ich auch in Kaltarra machen.“

Kmarr begann sorgfältig die Waffe wieder zusammenzusetzen. Sein Geschick mit winzigen Teilen trotz seiner gewaltigen Pranken erstaunte mich immer wieder. Oft hielt er die einzelnen Stücke nur mit den Nagelspitzen seiner Krallen fest.

Eine Weile sahen wir ihm dabei zu, dann begaben wir uns alle drei wieder auf unsere Zimmer und packten die Sachen zusammen.

Ich rüstete mich vollständig für den Tag und forschte dann nach Shadarr.

Er war gerade am Rande des Bereichs, in dem ich ihn erreichen konnte. Ich konzentrierte mich auf ihn und rief ihn dann zu uns. Heute würde ich auf ihm reiten, da wir es eilig hatten.

Das riesenhafte Kargat gehörte zu den gefährlichsten Jägern die es gab. Sechs Beine mit fingerlangen Klauen beförderten den gedrungenen, lang gestreckten Körper mit erstaunlichen Geschwindigkeiten vorwärts, die die wenigsten Betrachter für möglich hielten.

Immerhin wog er gut fünfzehn Fass, und damit zehnmal mehr als ich, alles dicke Muskelpakete unter grauschwarzer, ledriger Haut, die so zäh war, dass sie kaum ein Messer zu durchdringen vermochte.

Er war über eine Mannslänge hoch und maß zweieinhalb Mannslängen vom Kopf bis zum Hinterteil. Dabei war er so breit wie ein Karren mit einem Kopf der groß war wie mein gesamter Oberkörper.

Das Maul hatte zwei Reihen bösartiger Reißzähne, die jeden Knochen mit Leichtigkeit zermalmen konnten. Seine Ohren waren klein und lagen flach an, während die kleinen Augen tief in ihren Höhlen lagen und so nur schwer zu treffen waren. Die Nase hatte neben den vorderen, dreieckigen Nasenlöchern noch weitere links und rechts entlang des Nasenrückens.

Alle seine Sinne waren überragend und ich war immer wieder stolz und froh, dass ich ihn als Reittier besaß, wobei es eher so war, dass ich auf ihm reiten durfte, ohne das er versuchte, mich zu fressen.

„Ich würde vorschlagen, wir lassen den Schlitten der Magana hier und ich nehme sie zu Shadarr auf den Rücken. Dann sind wir schneller und die Nachtmahre sind nicht so schlecht gelaunt.“, sagte ich zu Anaya, als ich vor ihrem Zimmer darauf wartete, dass sie die letzten Sachen verstaut hatte.

„Gute Idee.“, meinte sie zustimmend, während wir nun zusammen auf Jiang warteten.

Zu unserer Überraschung hatte die sich erneut umgezogen. Jetzt trug sie ein schlichteres Gewand, das statt aus Seide aus feinstem, schwarzem Leder bestand. Es war wieder mit goldenen Drachen bestickt und hatte einen an beiden Seiten bis zur Hüfte geschlitzten Rock.

Darunter trug sie ein sehr leichtes Kettengeflecht und am Gürtel hatte sie sowohl ihr Schwert, als auch ein Länge Kette, an deren einem Ende ein Messer mit sichelförmiger Klinge befestigt war. Am anderen Ende baumelte lose ein Eisengewicht, das wie ein Diamant geschliffen war.

Sie hatte den kegelförmigen Strohhut aufgesetzt, der unter dem Kinn zusammengebunden wurde. Er war nun mit feinem, allerdings weißem Leder überzogen, das mit schwarzen Drachen dekoriert war.

Sie wirkte völlig verändert und sah eher wie eine fremdländische Söldnerin aus, eine gute Tarnung für eine Mystikerin, deren Fähigkeiten im Umgang mit Waffen weniger ausgeprägt waren.

Überrascht blickten wir sie an.

„Was? Können wir gehen?“, fragte sie ungehalten, wobei sich ihre mandelförmigen Augen zu schmalen Schlitzen verengten. Sie wartete nicht, sondern verschwand die Treppe hinunter.

Wir blickten ihr hinterher, dann sahen wir uns gegenseitig an, zuckten die Achseln und folgten ihr.

Kmarr hatte seine Waffe zusammengesetzt und verstaut und kam uns entgegen.

„Ich bin gleich fertig meine Freunde. Holt ihr die Nachtmahre, ich bringe die Magana mit nach unten.“

Seit ich die Bewusstlose vor ihren Verfolgern gerettet hatte, versuchten wir die junge Magana nach Kaltarra zu einem Geistheiler zu bringen, der sie hoffentlich wecken konnte. Andernfalls war sie dem Tode geweiht.

Das war auch der Grund für unsere Eile. Anaya hatte uns zu Anfang erklärt, dass jemand mit einer Kopfverletzung oft so lange bewusstlos blieb, bis er verhungert war.

Je länger der Zustand dauerte, umso schlechter standen die Chancen. Eile war also angebracht, sonst hätten wir sie auch gleich selbst erschlagen können.

„Wir wollen den Schlitten hierlassen. Drakk hat vorgeschlagen sie auf Shadarr zu transportieren, weil wir dann schneller sind.“

„Einverstanden.“

Er zwängte sich die Treppe nach oben, während Anaya durch die Tür zum Stall hinaus verschwand.

Ich trat zu Maya hinüber: „Wir möchten euch den Schlitten überlassen, weil er uns zu sehr aufhält. Ihr könnt ihn behalten.“

„Aber ich kann ihn nicht bezahlen.“, widersprach sie ablehnend.

„Das macht nichts. Betrachtet es als Geschenk. Wir würden ihn ohnehin nicht mitnehmen. Und so könnt ihr vielleicht etwas mehr Vorräte mitnehmen, sollte es der Armee aus Morak gelingen hierher zu gelangen.“

„Vielen Dank. Für den Rat und den Schlitten. Ich hoffe, ihr kommt zu einer friedlichen Zeit irgendwann einmal hierher zurück.“

Wir schüttelten uns die Hände, dann verließ ich das Gasthaus durch die Tür in den Hof.

Anaya und Jiang hatten bereits ihre Nachtmahre gesattelt und Shadarr lag in der Sonne neben dem Stall.

Rudel heute schnell?

Ja, wir haben es eilig. Bis zur nächsten großen Stadt.

Viele Steinhäuser?

Ja.

Shadarr bleibt draußen.

Du musst mitkommen. Wir brauchen Dich.

Er knurrte unwillig, aber das überraschte mich nicht. Er war ungern in Städten, weil er dort nicht ohne Probleme zu verursachen jagen konnte und überall Angst verbreitete, wenn er auftauchte.

Schließlich trat Kmarr hinaus in den Hof, mit der Magana auf dem Arm.

„Wir setzen sie am besten vor Dich und binden sie fest, oder?“

„Lieber hinter mich. Dann kann ich meine Arme besser bewegen. Aber festbinden ist sinnvoll.“

Kmarr half mir dabei, die Magana sicher zu platzieren. Sie zog mich nur wenig nach hinten, trotzdem würde es kein Vergnügen werden, sie den ganzen Tag dort zu haben. Er breitete ein großes Fell über sie aus, das er anschließend um uns beide herum fest band.

Ihre Haut war nicht mehr tiefschwarz, sondern beinahe grau geworden. Ein Zeichen dafür, dass es ihr nicht gut ging. Maganer waren Nachfahren von Feuerelementaren, die irgendwann wie die Waldgeister in Galladorn ihr Blut mit dem der Menschen gemischt hatten.

Ihr Körper war ausgezehrt, aber ihr Atem ging ruhig und gleichmäßig. Ich konnte ihren Herzschlag durch die Kleidung spüren.

Als Kmarr die Bänder befestigt hatte, machten wir uns schließlich auf den Weg.

Die sieben Siegel der Dakyr - Band 2 - Kaltarra

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