Читать книгу Die sieben Siegel der Dakyr - Band 2 - Kaltarra - Christian Linberg - Страница 5

- 2 Reisegedanken -

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Ohne den Schlitten waren wir tatsächlich erheblich schneller.

Oder wären es gewesen, aber unterwegs stießen wir immer wieder auf Patrouillen die uns aufhielten und befragten. Wir gaben so gut es ging Auskunft und zeigten den Passierschein vor. Wie erwartet gab es hin und wieder Schwierigkeiten, doch keine Gruppe wollte tatsächlich Hand an uns legen. Dafür waren wir ihnen zu unheimlich. Ein bedrohliches Knurren von Shadarr oder ein „freundliches“ Lächeln von Kmarr reichte aus, um uns freies Geleit zu bescheren.

Je weiter wir uns der Hauptstadt näherten je zahlreicher wurden die Soldaten. Oft passierten sie uns in nur wenigen hundert Mannslängen oder querten den Weg den wir nahmen, ohne anzuhalten.

Gegen Mittag entdeckten wir vor uns den Flüchtlingsstrom. Ein langer Zug, der inzwischen von Reitern begleitet wurde, kroch wie ein schwarzer Lindwurm über die weiße Ebene. Wo sie entlang gezogen waren, blieb nur schlammiger Untergrund zurück, zertrampelt von hunderten von Füßen.

Als wir uns näherten, sorgte unser Auftauchen erst für Entsetzen, bis einige der Flüchtlinge uns erkannten. Dann schlug die Angst in Jubel um. Wir wurden freudig begrüßt. Einige klatschten Beifall, andere schüttelten unsere Hände oder riefen uns Glückwünsche zu.

Wir mussten immer wieder Fragen nach der Festung beantworten, und unsere Antwort, dass sie noch stand und die Belagerer nur die erste Mauer überrannt hatten, erfüllte die Leute mit neuer Hoffnung.

Die schwarzen Rauchwolken, die wir von der Zollfeste aus gesehen hatten, verschwiegen wir ihnen lieber.

Hatten die Soldaten, die den Zug begleiteten uns anfänglich noch misstrauisch beäugt, so entspannten sie sich, da ihnen die Reaktionen der Flüchtlinge zeigten, dass wir keine Bedrohung darstellten und sogar Nachrichten aus dem Osten brachten. Sie begannen selbst, uns Fragen zu stellen.

Wir brauchten eine ganze Kerzenlänge um den Zug zu überholen. Dabei entdeckten wir, dass die Alten, Kranken und Schwachen inzwischen auf großen Schlitten fuhren, die von starken Ochsen gezogen wurden.

Pragmatisch waren die Kalteaner auf alle Fälle.

Shadarr und die Nachtmahre beäugten die Tiere hungrig, so dass wir immer einen großen Bogen machen mussten, damit wir keine Panik auslösten.

Schließlich ließen wir die Flüchtinge begleitet von guten Wünschen hinter uns zurück und zogen weiter in Richtung Kaltarra.

Während unseres Aufenthalts bei der Karawane war rechts von uns im Norden ein großer dunkler Strich aufgetaucht, der unser stetiger Begleiter wurde. Es war der Anfang der Irrkatt-Schlucht, die sich durch das gesamte Tal zog und dabei von Osten nach Westen stetig breiter und tiefer wurde.

Je weiter wir uns Kaltarra näherten, je näher kamen wir auch der Schlucht. Unser Weg und die Schlucht würden sich genau in Kaltarra treffen, denn die Hauptstadt von Kalteon lag in und um die Schlucht herum.

Ich war erst zwei Mal in der Stadt gewesen, aber beide Male hatte mich der Anblick fasziniert und so freute ich mich darauf sie erneut besichtigen zu können. Obwohl es dieses Mal vermutlich spät und schon dunkel sein würde wenn wir eintrafen, war auch der Blick auf die von Fackeln und Öllampen beleuchtete Stadt sehenswert. Nirgendwo sonst gab es so eine Art Straßenbeleuchtung.

Sie hatten drei Schritt große Eisenpfosten aufgestellt, an deren oberen Ende sich eine Schale mit Öl befand. Zum Schutz gegen Schnee gab es darüber eine umgedrehte Schüssel aus poliertem Eisen, die das Licht vom brennenden Öl fast so gut reflektierte, wie ein Spiegel.

Dadurch war die Stadt auch in der Nacht lebendig und es herrschte ein reger Betrieb auf den Straßen. Aus diesem Grund waren wir davon überzeugt davon, dass wir die Tore der Stadt passieren konnten, auch wenn die Sonne bereits untergegangen war.

Wir besprachen während des Ritts unsere nächsten Schritte. Anaya wollte umgehend den Geistheiler aufsuchen, Kmarr hatte geplant, die Schmiede der Stadt damit zu beauftragen, die ersten Teile für die Bolzenwerfer zu fertigen und Jiang hatte vor, sich bei den besten Schneidern der Stadt neue Kleidung machen zu lassen, wobei sie mich seltsamerweise dabeihaben wollte.

Als ich sie fragte warum, erinnerte sie mich unsanft daran, dass ich ihr wenigstens zwei Garnituren neuer Kleidung schuldete.

Also brauchte sie nicht mich, sondern nur meine Geldbörse. Es hatte keinen Zweck, sie darauf hinzuweisen, dass ich damit eigentlich gar nichts zu tun gehabt hatte. Seufzend ergab ich mich meinem Schicksal.

Trotzdem grübelte ich die ganze Zeit darüber nach, ob Jiang diesen Umstand nicht ausnutzen würde und wie ich das verhindern konnte. Noch immer suchte ich einen Ausweg, fand aber keinen.

Da uns die Karawane der Flüchtlinge Zeit gekostet hatte, verlegten wir unsere Rast auf den Rücken der Tiere. Wir aßen im Reiten eine einfache Ration aus getrockneten Früchten, hartem Käse und frischem Brot, das wir aus dem Gasthaus mitgenommen hatten. Dazu gab es Bier, welches wir mit Wasser verdünnt hatten, damit uns der Alkohol darin nicht zu Kopfe stieg. Es schmeckte so zwar nicht besonders, aber es löschte den Durst. Trotzdem hätten wir ohne die Nachtmahre niemals den Weg an einem Tag zurücklegen können. Die Tiere waren deutlich schneller als ein Pferd und ermüdeten auch nicht so schnell. Ich schätzte die Distanz von der Wachfeste bis nach Kaltarra auf gute fünfzig Meilen. Das war unter normalen Umständen ein Marsch von vier Tagen. Der Zusammenstoß mit den Höllenvögeln hatte uns Zeit gekostet, trotzdem waren wir einen Tag schneller.

Kurz vor Sonnenuntergang erreichten wir einen Hügel, von dem aus wir einen ersten Blick auf Kaltarra werfen konnten. Es war jedoch noch sehr klein und weit weg. Dichte Qualmwolken standen über der Stadt. Ein Zeichen dafür, dass die immer geschäftigen Schmieden und Essen in Betrieb waren. Oranger Schein beleuchtete die Qualmwolken von unten und verliehen der Szenerie den Anblick eines vor sich hin schwelenden Vulkans.

Wir hatten noch vier oder fünf Kerzenlängen Wegstrecke vor uns, ehe wir die Ausläufer der Stadt erreichen würden.

„Wie lange wollen wir auf Droin warten?“, fragt Anaya uns als wir uns wieder in Bewegung gesetzt hatten. Ihr ausladendes Geweih, das aus ihrer Stirn ragte, wippte sanft im Takt der Schritte ihres Reittieres.

„Gute Frage. Ich schätze wir sehen, was der Geistheiler für die Magana erreicht, ehe wir uns entscheiden.“, antwortete ich ihr.

Das Gewicht der schlanken Frau, der ich am Rand des Schattenwaldes das Leben gerettet hatte, zog inzwischen schwer an mir, die Seile, mit denen Kmarr sie an mich gebunden hatte, schnitten mir in die Schultern, trotz Gambeson und Kettenhemd.

Ich blickte hinüber zu dem hünenhaften Leoniden, dessen lange Beine mühelos mit unseren Reittieren Schritt halten konnten.

„Je nach dem wie der Krieg verläuft, werden wir gar keine andere Wahl haben, als abzuwarten. Ich wüsste nicht, wie wir Kalteon nach Süden verlassen sollten.“, grollte er.

Das Bergreich, in dem wir uns gerade befanden, hatte nach Süden hin seine steilsten und schroffsten Berge voller enger Schluchten und gefährlicher Geröllfelder, durch die es nur gerüchteweise einzelne Wege gab, die allenfalls Schmuggler und Schafhirten benutzten. Der Süden war außerdem die Heimat der Drachen, und niemand der bei klarem Verstand war, wagte sich in ihr Territorium.

Der Angriff der Armeen aus Morak hatte Kalteon vom Rest der Welt abgeschnitten, denn sie griffen das Königreich von drei Seiten aus an.

Im Norden, Westen und Osten wurde gekämpft, so dass es im Augenblick nicht klar war, ob wir überhaupt noch eine Möglichkeit hatten, das Land zu verlassen, ohne uns irgendwie an den Kämpfen vorbei schleichen zu müssen.

„Nach Süden zu ziehen, wäre wirklich der letzte Ausweg.“, gab ich zurück.

„Suchen wir lieber einen Weg um die Kämpfe herum, falls wir nicht in Kaltarra sitzen und warten können, bis es vorbei ist.“

„Wir bleiben auf jeden Fall so lange, bis meine neuen Kleider fertig sind.“, entgegnete Jiang bestimmt.

Wie üblich war ihre Antwort nicht als Bitte formuliert, sondern als Feststellung. Unter ihrem Strohhut, lag ihr Gesicht im Schatten und verbarg so ihre mandelförmigen Augen.

Sie sprach wenig, aber stets mit energischem Ton, so dass wir alle oft das Gefühl hatten nur ihre Diener zu sein.

Doch dass sie sich auch anders zu verhalten mochte, hatte sie gestern demonstriert, als sie mich darum gebeten hatte, auszupeitschen.

Das war für mich eine unglaublich blöde Idee, und verstanden hatte ich ihre Gründe auch nicht richtig. Daher hatte ich mich geweigert. Noch immer grübelte ich darüber, wie sich das Verhältnis zwischen uns deshalb wohl entwickeln würde.

„...wie siehst Du das?“

Anayas Stimme unterbrach meinen Gedankengang.

„Was? Entschuldige, ich habe nicht zugehört.“

„Ich habe gefragt, ob wir uns eine Karte von Kalteon besorgen sollten, auf der auch die kleinen Täler eingezeichnet sind.“, wiederholte sie.

Ich überlegte einen Moment.

„Klingt gut. Wird aber vermutlich nicht billig.“, gab ich dann seufzend zurück.

Seit wir die Magana mitschleppten, schmolz meine Barschaft wie Schnee in der Sonne dahin. Und günstiger würden Waren und Dienste auch nicht werden, so lange hier Krieg herrschte.

Die Szenerie der verschneiten Landschaft durch die wir ritten machte den Gedanken an das Leid und den Tod absurd, die nur wenige Meilen weiter herrschten.

Hier war noch alles ruhig und friedlich und bis auf die Patrouillen weitgehend menschenleer. Hin und wieder entdeckten wir auch Bauern, die unter dem Schnee die Akaria-Wurzeln aus dem gefrorenen Boden ausgruben, aber ansonsten gab es in der verschneiten Landschaft nur wenig Abwechslung.

Nicht selten dagegen, flogen Krähen krächzend über uns hinweg. Sie hatten es auf die Wurzeln abgesehen, die die Bauern vergaßen oder übrigließen, weil sie zu klein geraten waren. Die Blüten und Blätter der Pflanzen waren giftig, die Wurzeln dafür süßlich und äußerst nahrhaft.

Bis auf den Wind und unsere eigenen Schritte war dies das einzige Geräusch, das uns auf dem Weg begleitete.

Als die letzten Strahlen der Sonne schließlich hinter den Bergen verschwunden waren, tauchten in der Ferne bald darauf die Lichter der Stadt auf. Ich schätzte, dass wir noch zwei oder drei Kerzenlängen brauchen würden, ehe wir die ersten Häuser passieren würden.

Wir verzichteten erneut darauf, Laternen oder Fackeln anzuzünden, die Dunkelsicht von Shadarr und den Nachtmahren war genug, um auf dem Weg zu bleiben.

Außerdem wollten wir nicht mehr Aufmerksamkeit als nötig auf uns lenken. Noch hatten wir keine Truppen aus Morak im Herzen von Kalteon angetroffen, aber ich befürchtete, dass wir uns nicht darauf verlassen konnten, dass es hier keine Augen und Ohren gab, die Morak berichteten.

Zum ersten Mal empfand ich die Stärke unserer Gruppe als Nachteil. So mächtig Kmarr und Shadarr im Kampf auch sein mochten, zusammen mit mir, Anaya und Jiang waren wir nicht zu verwechseln. Jeder der uns einmal gesehen hatte, würde keine Schwierigkeiten haben, sich an uns zu erinnern.

Ich teilte den anderen meine Gedanken mit.

„Das werden wir nicht verhindern können.“, antwortete Anaya als Erste nachdenklich.

„Die Frage ist vielmehr, ob wir wichtig genug sind, dass die Spione aus Morak versucht sein könnten, uns anzugreifen.“, ergänzte Kmarr mit ruhiger Stimme.

„Wir nicht, aber die Magana vielleicht.“, warf Jiang ein: „So lange wir nicht wissen, weshalb die Soldaten aus Morak hinter ihr her sind, ist sie ein Risiko.“

„Du willst sie doch nicht etwa zurücklassen? Ich dachte das hätten wir schon besprochen.“, erwiderte ich überrascht.

„Nein. Wir müssen uns nur bewusst sein, dass sie diejenige ist, die Schutz braucht. Wir sind höchstens im Weg.“, gab sie zurück ohne dabei die Stimme zu erheben.

„Vielleicht sollten wir zusätzliche Wachen anheuern.“, grübelte Kmarr halblaut.

„Wie können wir denen vertrauen? Wenn sich ein Spion darunter mischt, laden wir unsere Gegner doch geradezu ein.“, widersprach Anaya wenig angetan.

„So würde man es in Shâo machen.“, nickte Jiang zustimmend: „Ein Frosch schmückt sich mit Federn, will er nicht vom Reiher gefressen werden.“

Ihr schulmeisterlicher Tonfall ging mir mal wieder gehörig auf die Nerven, daher war ich geneigt, Kmarr zuzustimmen.

„Ich finde den Vorschlag nicht schlecht, wir müssen den Söldnern ja nicht sagen, worum es wirklich geht, nur dass sie den Flur oder die und die Tür bewachen sollen. Oder wir lassen sie gar nicht erst ins Haus, sondern postieren sie darum. Zumindest hätten wir so eine erste Warnung, ehe wir ungebetenen Besuch bekommen.“

„Wir können Wachen aus der Diebesgilde rekrutieren.“, überlegte Jiang.

„Was, Du willst mit Verbrechern arbeiten? Und was wenn sie uns beklauen, während sie Wache schieben?“, entgegnete Anaya entsetzt.

„Diebe haben einen Ehrenkodex. Die meisten Diebstähle werden beauftragt. Ein Dieb schleicht sich selten auf gut Glück in das Haus eines Reichen, um nach wertvollen Dingen zu suchen. Zu großes Risiko. Meistens werden sie beauftragt etwas Bestimmtes zu stehlen. Wenn sie einen Auftrag angenommen haben, führen sie ihn auch aus.“, Jiang klang sehr überzeugend.

Auch als sie fortfuhr: „Außerdem wird das Letzte, was die Spione aus Morak erwarten sein, dass wir Schurken und Halsabschneider anwerben, um uns und die Magana zu schützen.“

Das leuchtete mir ein.

Wir diskutierten den Vorschlag eine Weile, bis wir uns schließlich doch dagegen entschieden, denn wie Anaya zu bedenken gab, mochten Moraks Spione ebenfalls Kontakte zur Diebesgilde haben. Wenn dem so war, dann waren sie längst vor uns an die Diebe herangetreten.

Nachdenklich warf ich den beiden Frauen Blicke zu. Bisher hatte es noch keine Gelegenheit gegeben, mit Anaya über das zu reden, was Jiang gesagt hatte.

Ich wollte sie nicht in alles einweihen, aber ich wollte ihr auch nicht verschweigen, was passiert war. Das Letzte, was ich jetzt brauchen konnte, waren zwei Frauen, die mir Schwierigkeiten bereiteten.

Wie aufs Stichwort erklang Shadarrs Stimme in meinen Gedanken:

‚Richtgut möchte Paaren mit Rudelführer.

Flinkhuf unsicher, möchte erst Worte tauschen – und dann auch Paaren mit Rudelführer.’

‚Danke. Das weiß ich schon’, gab ich entnervt zurück.

‚Dann Paaren mit beiden. Große, starke Kinder machen. Rudel zu klein.’

Als ob wir jetzt Kinder gebrauchen könnten. Im Geiste sah ich mich umgeben von einer Horde Kinder, die lachend und schreiend zwischen meinen Beinen herumrannten und abwechselnd auf Shadarr reiten wollten.

Shadarr empfing offenbar die Bilder, denn er knurrte zustimmend.

Unaufgefordert mischten sich Bilder von kleinen Kargat darunter, die sich an dem Chaos beteiligten.

‚Hey, nicht so schnell, das war nur ein Gedanke.’

‚Rudelführer denkt klug. Nachkommen wichtig.’

‚Ich hab' s aber nicht eilig mit Kindern.’

‚Bald Zeit für Shadarr. Suchen starkes Weibchen für viele Kinder.’

Das war mir neu. Shadarr hatte das Bedürfnis, Kinder zu zeugen?

‚Wann?’, fragte ich ihn neugierig.

‚Zweimal Winter. Dann Shadarr verlässt Rudel und kommt mit Weibchen zurück.’

Also noch zwei Jahre. Ich war erleichtert, dass er nicht sofort aufbrechen wollte. Er hatte ein seltsames Zeitverständnis. Bald konnte auch morgen oder nächsten Monat heißen. So aber hatte ich noch zwei Jahre Zeit, mich an den Gedanken zu gewöhnen.

‚Wie lange wirst Du suchen müssen?’

‚Shadarr groß und stark. Weibchen muss auch groß und stark sein. Schwer zu finden. Lange suchen’, antwortete er in seltsamem Tonfall, eine Mischung aus Stolz und Bedauern.

‚Dann wünsche ich Dir Glück. Komm schnell wieder und bring Deine Frau mit. Wird sie mich als Rudelführer akzeptieren?’

Shadarr schwieg eine Weile.

‚Wir kämpfen‘, kam dann seine leise Antwort.

Ich schluckte. Wenn es etwas gab, worauf ich überhaupt keinen Wert legte, dann darauf noch mal mit Shadarr kämpfen zu müssen.

Gut. Dann kämpfen wir.

‚Rudelführer stark. Shadarr stark. Guter Kampf. Sehr guter Kampf. Shadarrs Rudel stärkstes Rudel von allen’, hallte seine Stimme grollend in meinem Kopf wieder.

‚Ist das wichtig?’, wollte ich wissen.

‚Shadarrs Rudel besiegt König, dann Shadarrs Rudel Königsrudel.’

Die Antwort verblüffte mich so sehr, dass ich vergaß zu antworten. Ich schnappte hörbar nach Luft.

„Was ist los?“, fragte Anaya, die mich gehört hatte.

„Shadarr hat mir gerade gesagt, dass es unter den Kargat ein Königsrudel gibt, das über alle anderen Kargat bestimmen darf. Und er möchte um den Posten kämpfen, wenn er mit einem Weibchen zurückkehrt.“

Ich erklärte ihnen, was Shadarr mir gesagt hatte, ließ aber den Teil über Jiang und Anaya weg.

Die Anderen waren ebenso verblüfft, besonders Anaya. Sie hielt ihr Nachtmahr an.

„Ich muss mit meinen Brüdern und Schwestern im Zirkel sprechen. Wenn es wirklich so ist wie Du sagst, sind die Kargat ein eigenes Volk und müssen anders behandelt werden als bisher. Sie sind keine Raubtiere.“

Mir war das auch vorher schon klar gewesen. Wie viele Tiere redeten schließlich mit der Beute, bevor sie sie fraßen?

Doch für Anaya schien das eine besondere Bedeutung zu haben.

„Was ist daran so wichtig?“, wollte Jiang gelangweilt wissen.

„Wir unterscheiden Tiere und Völker darin, dass sie eine eigene Sprache besitzen, eine soziale Rangordnung und die Fähigkeit mit anderen Wesen zu kommunizieren. Ich habe schon vermutet, dass die Kargat mehr sind als besonders intelligente Tiere.“

Shadarr knurrte bei dieser Aussage. Außerdem blickte er sie böse an.

„Seht ihr, er versteht was ich sage.“, ergänzte sie, ohne sich von seiner Reaktion beeindrucken zu lassen.

„Er und sein Volk stehen auf einer Stufe mit unseren Völkern. Und so müssen sie auch behandelt werden. Keine Jagden mehr, nur weil sie Schafe und Rinder töten. Sie sind nicht anders als Leoniden.

Unser Zirkel und auch alle anderen jagen niemals Angehörige eines Volkes mit Verstand und Weisheit.

Wenn die Kargat dazu gehören, muss ich meine Brüder und Schwestern darüber informieren, dass wir in Zukunft nie wieder Bauern und Waldarbeitern dabei helfen werden. Entschuldigt bitte, aber das duldet keinen Aufschub.“

Sie lenkte ihr Mahr zur Seite und blieb dann neben dem Weg stehen, direkt an einem Baum mit niedrigen hängenden Ästen. Sie legte ihren Kopf in den Nacken und stieß einen schrillen Schrei aus, der klang wie der eines Bergadlers.

Eine Zeit lang geschah nichts und sie wiederholte den Ruf ein paar Mal. Doch dann schoss schließlich ein Schatten aus dem Himmel herab und landete auf einem der Äste.

Es war tatsächlich ein Bergadler, der ihrem Ruf gefolgt war. Das Tier war bestimmt eine Elle lang und musste sechs oder sieben Stein schwer sein. Es war noch jung, aber kräftig.

Lange Zeit starrten sich Anaya und der Vogel an, ohne ein Geräusch zu machen, doch dann stieß der Adler einen Schrei aus und Anaya zog aus ihrer Provianttasche einen großen Brocken getrocknetes Fleisch hervor und hielt ihn am ausgestreckten Arm hoch.

Der Adler breitete seine Schwingen aus und stieß sich ab. Im Flug griff er das Fleisch und stieg dann mit ein paar schnellen Flügelschlägen in den Nachthimmel auf. Noch einmal kreischte er zum Abschied, dann war er verschwunden.

Leider konnte sie so keine Nachricht an Droin übermitteln, weil dieser den Vogel nicht verstehen würde. Ansonsten fand ich die Fähigkeit höchst beeindruckend.

Der Adler würde schnell und ausdauernd nach einem anderen Druiden suchen, der dann die Nachricht wiederum an andere weiterleiten würde. So verbreitete sich die Nachricht schnell über weite Strecken.

Sie schien sehr zufrieden mit sich, als sie sich wieder zu uns gesellte.

„Es wird eine Weile dauern, bis ich Antwort erhalte, aber es musste getan werden.“

Shadarr grollte zustimmend.

Ich hatte jedoch den Eindruck, dass er besonders wachsam Anayas Reaktion verfolgt hatte.

Die sieben Siegel der Dakyr - Band 2 - Kaltarra

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