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1.3 | Der Analyserahmen: Interessen, Interaktionen, Institutionen

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In den Internationalen Beziehungen werden ähnliche Arten des analytischen Zugriffs benutzt, die jedoch unterschiedlich bezeichnet werden. Frieden/Lake/Schultz (2012) schlugen die Begriffe Interessen, Interaktionen und Institutionen vor.

Definitionen

Interessen, Interaktionen, Institutionen

Interessen stellen diejenigen Ziele dar, die politische Akteure durch politisches Handeln erreichen wollen. Zu deren Ordnung legen sie häufig Rangfolgen politischer Ergebnisse an, die aus ihren Entscheidungen und den Interaktionen mit anderen Akteuren folgen sollen. Diese Rangordnungen werden Präferenzen genannt.

Unter Interaktionen versteht man die möglichen und tatsächlichen Kombinationen der Entscheidungen von zwei oder mehr beteiligten Akteuren, die zu einem politischen Ergebnis führen.

Institutionen sind Regeln im weitesten Sinn, die in einer sozialen Gemeinschaft geteilt werden. Im engeren Sinn umfassen Institutionen auch formale internationale Organisationen. Diese Regeln können explizit niedergeschrieben worden sein oder aber einfach auf Gewohnheit beruhen. Institutionen lenken die Präferenzen der Akteure und beeinflussen ihre Interaktionen, in dem sie diesen eine regelgerechte Richtung geben.

Analytisches Vorgehen

Akteure und Interessen

Prozesse und Interaktionen

Andere Lehrbuchautoren benutzen die grundlegenden Konzepte »Akteure« statt Interessen; »Prozesse« statt Interaktionen und »Strukturen« statt Institutionen. Unabhängig davon, welche begrifflichen Bezeichnungen unterschiedliche Autoren benutzen, ist die gedankliche Vorgehensweise bei der Untersuchung internationaler Beziehungen immer gleich: Im ersten Schritt werden die beteiligten Akteure identifiziert. Dabei wird auch ermittelt, welche Interessen diese Akteure verfolgen und in welche Präferenzfolge sie gebracht werden können. Auf diese Weise erkennt man auch die Entscheidungsmöglichkeiten (auch Optionen genannt), über welche die einzelnen Akteure verfügen. Im zweiten Schritt werden die verschiedenen Optionen der einzelnen Akteure miteinander kombiniert, so dass mögliche (d. h. denkbare) Interaktionen entstehen, die spezifische politische Ergebnisse hervorbringen. Konflikt, Kooperation und Harmonie (Keohane 1984; 1989) sind die drei prinzipiell möglichen Ergebnisse aus Interaktionen (vgl. Abb. 1.1.).

Definitionen

Konflikt, Kooperation, Harmonie

Konflikte sind eine Interessen- oder Willenskonkurrenz zwischen zwei oder mehreren Akteuren.

Von Kooperation spricht man dann, wenn die beteiligten Akteure jeweils eine Politikanpassung vornehmen, die wechselseitig zu einer höheren Kompatibilität der Interessen führt.

Harmonie besteht, wenn zwischen Akteuren keine Interessens- oder Willenskonkurrenz auftritt oder wenn nicht an Bedingungen gebundene politische Maßnahmen einer Seite zu einer höheren Kompatibilität der Interessen führen (vgl. Abb. 1.1).

Diese denkbaren Interaktionsergebnisse wirken außerdem auf die Entscheidungsauswahl der Akteure zurück, weil Akteure sich bemühen, die Interaktionsergebnisse vorherzusehen (antizipieren) und schon in ihre Präferenzen einfließen lassen, die im ersten Schritt der Untersuchung erfasst wurden. Im dritten Schritt wird analysiert, welchen Institutionen sich die beteiligten Akteure verbunden fühlen bzw. unterworfen sind. Die Institutionen können sich erheblich unterscheiden, je nachdem in welchem Politikfeld die Akteure handeln. In einigen Politikfeldern, z. B. Handelspolitik ( Kap. 5), gibt es engmaschige Regelwerke, denen sich viele Akteure unterworfen haben. Die Welthandelsorganisation (WTO) stellt zusätzlich ein Schiedsgerichtsverfahren bereit für den Fall, dass Regeln gebrochen werden. Dann können Akteure dieses Verfahren nutzen, um die geltenden Normen gegen Regelverletzer durchzusetzen. In anderen Politikfeldern, z. B. Terrorismus oder Bürgerkriegen ( Kap. 3.4), gibt es zwar auch Normen, z. B. das humanitäre Völkerrecht, aber diese sind weit weniger verbindlich oder präzise als im Bereich der Handelspolitik.1 Außerdem gibt es kaum wirksame, etablierte Verfahren, mit denen sie gegen Regelverletzer durchgesetzt werden könnten.

Abb. 1.1 | Unterschiede: Harmonie, Kooperation, Konflikt


Quelle: Keohane (1984: 53).

Strukturen und Institutionen

Wenn man die Interessen von Akteuren, ihre Interaktionen und die Institutionen identifiziert und mit Blick auf die eigene Forschungsfrage untersucht, sollte man weiter beachten, dass es verschiedene Analyseebenen gibt, auf denen man Akteure, Interaktionen und Institutionen finden kann (Waltz 1954; 1979).

Information kompakt

Analyseebenen im Teilgebiet Internationale Beziehungen

System: erfasst die Eigenschaften des internationalen Systems und die Interessen und Handlungen von Staaten als den Hauptakteuren.

Staat und Innenpolitik: erfasst die Eigenschaften der Staaten (z. B. Demokratie oder Diktatur; parlamentarisches oder präsidentielles Regierungssystem) und die relevanten Akteure in Staat und Gesellschaft sowie alle relevanten innerstaatlichen Institutionen. Solche Akteure sind z. B. politische Parteien oder Interessengruppen.

Individuum: erfasst die Eigenschaften, Interessen und Handlungen relevanter Individuen. Eine Eigenschaft wäre z. B., ob eine Person eher risikobereit oder risikoscheu ist oder ob die Person viele komplexe Informationen verarbeiten kann oder über eine eher eingeschränkte Informationsverarbeitungskapazität verfügt.

Mögliche Erklärungen für nicht intuitiv verstehbare Sachverhalte kann man auf allen drei Ebenen finden.2 Es lohnt sich deshalb die oben genannten drei Schritte der Untersuchung auf allen drei Analyseebenen durchzuführen.

Zusammenfassung

Die Teildisziplin Internationale Beziehungen beschäftigt sich mit grenzüberschreitenden Interaktionen von Akteuren. Die wissenschaftliche Beschäftigung mit diesen Interaktionen ist wesentlich, weil unsere eigenen Handlungen Wirkung auf andere Akteure ausüben und weil wir selbst von den Handlungen anderer Akteure betroffen sind. Als Ergebnisse von Interaktionen können Harmonie, Kooperation oder Konflikt entstehen. Die Ursachen dieser Ergebnisse findet man auf drei verschiedenen Analyseebenen: dem internationalen System, dem Staat bzw. der Innenpolitik und/oder dem Individuum.

Lernkontrollfragen

1.Was versteht man unter einer Theorie?

2.Wie unterscheiden sich Harmonie, Kooperation und Konflikt?

3.Wie kann man internationale Beziehungen von Innenpolitik abgrenzen, wenn ihre Ursachen teils in der Innenpolitik liegen?

4.Was ist der Unterschied zwischen »internationalen Beziehungen« und »Internationalen Beziehungen«?

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