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1. 3. 13 John Dewey (1859–1952) (Carsten Müller)

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John Dewey zählt zu den wichtigen Pädagogen der philosophischen Schule des Pragmatismus in den Vereinigten Staaten von Amerika. Er wird sowohl in der Reform- als auch in der Schulpädagogik als bedeutend wahrgenommen. Hingegen gilt für die Sozialpädagogik, dass er und besonders seine demokratischen Erziehungsvorstellungen noch weitgehend zu entdecken sind.

Dabei lässt sich zeigen, dass Deweys Pädagogik durchaus sozialpädagogische Züge trägt sowie soziale Themen aufnimmt. Bereits in seiner Programmschrift „My Pedagogic Creed“ – zu Deutsch: ‚Mein pädagogisches Glaubensbekenntnis’ – aus dem Jahr 1897 finden sich Aussagen, die dementsprechend klingen: „Zusammengefasst, bin ich fest überzeugt, dass das zu erziehende Individuum ein soziales Individuum und dass die Gesellschaft eine organische Einheit der Individuen ist. Wenn wir den sozialen Faktor vom Kind eliminieren, dann erhalten wir nur eine Abstraktion; wenn wir den individuellen Faktor von der Gesellschaft trennen, dann erhalten wir nur eine träge und leblose Masse“ (DEWEY 1975, S. 86; Übersetzung d. Verf.). Vor dem Hintergrund unseres bisherigen Wissens um Sozialpädagogik z. B. bei Mager, Willmann, Natorp, welche sich an einem sinnvollen Verhältnis von einerseits Individuum und andererseits Gemeinschaft in der Moderne abarbeitet, könnten derartige Aussagen auch „Basislehrsätze“ (REYER 2002, S. 182) deutscher Sozialpädagogen sein.

Mit einem gewichtigen Unterschied: Deweys Pädagogik wurzelt tief in einer demokratischen Haltung zu Erziehung und Gesellschaft. Dies lässt sich besonders an seinem pädagogischem Hauptwerk „Democracy and Education“ von 1916 (hier: 1985) zeigen, welches in Deutschland Jahre später, erst 1930 unter dem Titel „Demokratie und Erziehung“ (hier: 1993) erschien. In der deutschen Übersetzung taucht erstaunlicherweise der Terminus Sozialpädagogik auf. Genau in demjenigen Kapitel, in dem Dewey seinen demokratischen Gedanken in der Erziehung entwirft, gibt der Übersetzer Erich Hylla, ein Erziehungswissenschaftler mit einschlägigen Amerikakenntnissen, die Wendung „education as social“ mit Sozialpädagogik wieder (vgl. DEWEY 1985, S. 99; auch DEWEY 1993, S. 128). Dies ist weder eine vorschnelle, noch eine nur dem deutschen Sprachgebrauch angepasste Übersetzung. Vielmehr lässt sich zeigen, dass Dewey den damaligen Sozialpädagogikdiskurs in Deutschland kennt und hier teils sogar als „radikaler“ Sozialpädagoge wahrgenommen wurde (vgl. MÜLLER 2005, S. 207f.).

Durch diesen Brückenschlag lässt sich Deweys demokratische Erziehung für die Sozialpädagogik fruchtbar machen. Im Unterschied zu idealistischen Vorstellungen, wie sie etwa bei Natorps Sozialpädagogik vorzufinden sind, geht Dewey davon aus, dass Erziehung als sozialer Prozess sowie als soziale Funktion solange keine bestimmte Bedeutung hat, solange nicht „aus den tatsächlich vorhandenen Formen des Gemeinschaftslebens die wünschenswerten Züge“ (DEWEY 1993, S. 115) herausgehoben werden. Diese macht Dewey aus als unbeschränkte, vielfältige und mannigfaltige Kommunikation und Interaktion zwischen Mitgliedern sozialer Gruppen untereinander sowie zwischen unterschiedlichen Gruppen. Eine derartig freie Kommunikation und Interaktion ermöglicht den Aufbau gemeinsamer Erfahrungen – Dewey spricht von „experience“ – sowie den Gewinn neuer Erfahrungen, welche für gesellschaftlichen Fortbestand, Wandel und Fortschritt notwendig sind. Insofern wird auch deutlich, dass starre Schranken und strikte Grenzen zwischen Menschen und Gruppen, wie diese z. B. durch sozialen Status oder kulturelle Zugehörigkeit aufgebaut werden, gesellschaftliche Veränderung erschweren. Umgekehrt gilt: „Demokratie ist“, wie Dewey in seinem Buch „Die Öffentlichkeit und ihre Probleme“ trefflich schreibt, „ein Name für ein Leben in freier und bereichernder Kommunikation“ (DEWEY 1996, S. 155). Im Gegensatz zu etwa einem despotischen Staat oder einer in Klassen geteilten Gesellschaft beruht das Zusammenleben in einer demokratischen Gesellschaft auf erfüllter Kommunikation und Interaktion möglichst vieler, bestenfalls aller ihrer Mitglieder und Gruppen. Damit ist auch klar, dass im Sinne Deweys Demokratie mehr ist als eine Herrschaftsform, die sich z. B. nur in Wahlen ausdrückt. Dewey findet hierfür eine bis heute beachtenswerte Formel: „Die Demokratie ist mehr als eine Regierungsform; sie ist in erster Linie eine Form des Zusammenlebens, der gemeinsamen und miteinander geteilten Erfahrungen“ (DEWEY 1993, S. 120-121).

Von hier aus ergeben sich spannende schulpädagogische Reformansätze, die bis heute mit dem Namen Deweys verbunden sind. Als allgemein bekannt lassen sich beispielsweise nennen: „learning by doing“ und Projektunterricht ... (vgl. BOHNSACK 1976). Für die theoretische, sozialkritische als auch die praktische Dimension der Sozialpädagogik soll zudem hervorgehoben sein, dass mit Dewey ein Hauptgewicht auf – wie wir heute sagen – Partizipation zu legen ist. Mit Dewey lassen sich sozialpädagogische/ sozialarbeiterische Arbeitsfelder als demokratische Lernorte verstehen: „Der demokratische Aufbau muss grundlegend an der Basis beginnen, ist nicht weniger eine Frage von Nachbarschaftshilfe, Stadtteilarbeit, Bürgerbewegung und Initiativgruppen ...“ (NEUBERT 1998, S. 336). So gesehen verwundert es auch nicht, dass Dewey und andere in der amerikanischen „Social-Settlement-Bewegung“, einer u. a. auf Jane Addams und das Chicagoer „Hull House“ (1. 3. 14) zurückgehenden historischen Wurzel der Gemeinwesenarbeit, frühzeitig aktiv waren (vgl. MÜLLER 2005, S. 266f., vgl. OEHLER 2007).

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