Читать книгу Handbuch Sozialpädagogik - Christian Wilhelm Huber - Страница 12
1.1.2 Eine Retrospektive: Sozialpädagogik neben, unter oder über Sozialarbeit?
ОглавлениеDer Terminus Sozialpädagogik hat vielen Anfeindungen zum Trotz in den 70er Jahren des vorigen Jahrhunderts entscheidende institutionelle Hilfe erfahren. Durch Gründung der Fachhochschulen und ihrer Fachbereiche Sozialwesen oder sogar Sozialpädagogik sind im gesamten Gebiet der alten Bundesrepublik Deutschland zahlreiche Professuren mit dem Aufgabenbereich Sozialpädagogik eingerichtet worden. Parallel hierzu wurden auch an mehreren Universitäten sozialpädagogische Lehrstühle geschaffen, die neben ihrem Forschungsauftrag auch für graduierte Sozialpädagogen und Sozialarbeiter das Angebot der universitären Diplomierung und Promotion repräsentieren.
Diesem v. a. pragmatischen Zusammentreffen von Graduierten aus herkömmlichen Sozialarbeits- und ebenso herkömmlichen Sozialpädagogik-Studiengängen in der Universität entsprach eine zuvor erfolgte Entwicklung in den Berufsfeldern. Die Aufgaben von Sozialpädagogen und Sozialarbeitern hatten sich, wie bereits festgestellt, nicht dauerhaft trennen lassen, so dass als Sozialpädagogen ausgewiesene Praktiker auch mit sozialarbeiterischen Problemen, Sozialarbeiter auch mit sozialpädagogischen umgehen mussten. Dabei gelangten ihre Methoden und Kompetenzen zur Überschneidung.
Für die Theoretiker bestand verständlicherweise die Besonderheit der zuvor getrennt gesehenen Disziplinen fort. V. a. die historische Entstehung und Entwicklung ließen ihre Eigenständigkeit als sinnvoll erscheinen.
Sozialpädagogik im 20. Jahrhundert – ihre Kennzeichen: Jugendbezogenheit, Krisenmanagement
In Gefolgschaft der Ideen Pestalozzis und unter Aufnahme des von Mager (1844), Diesterweg (1850) und Natorp (1899) eingeführten bzw. explizierten Begriffs Sozialpädagogik hatten die Vertreter der frühen Jugendhilfe nach dem Ersten Weltkrieg ihren eigenen Ansatz als „sozialpädagogische Bewegung“ verstanden. Verfolgt man die Entwicklung der Bewegung, so ist festzustellen, wie „sich mit den Namen Klumker, Fischer, Bäumer, Mennicke und Nohl die ersten Ansätze einer sozialpädagogischen Theorie verbinden“ (MOLLENHAUER 1976, S. 14). Diese Theoriebildung folgte den je und je auftretenden Problemlagen der Jugendfürsorge und Jugendpflege und war gekennzeichnet von einer induktiven Vorgehensweise. (1.3.)
Im Grunde lebte die sozialpädagogische Bewegung nach ihrem Verschwinden während der nationalsozialistischen Epoche (3.1.7) wieder auf, die induktive Theoriebildung wurde fortgeführt, und der jeweils aktuelle Einschlag bei der Bestimmung der Sozialpädagogik blieb wirksam.
„Die Not der Jahre nach 1945 (Flüchtlingsschicksale, Verwahrlosung, Berufsnot usw.) fügte den alten Einrichtungen eine Reihe neuer hinzu; durch die gesteigerte pädagogische Phantasie, die sich in den Institutionen des Jugendsozialwerkes, Jugendaufbauwerkes, der Jugendpflege und der Heimerziehung besonders auswirkte, kamen die Diskussionen über Grundfragen der Sozialpädagogik wieder in Gang“ (MOLLENHAUER 1976, S. 16).
Neue Notlagen sozialpädagogischer Bedürftigkeit in den 70er und 80er Jahren waren die Probleme der „Gastarbeiter“, speziell ihrer Kinder, die aufkommende Arbeitslosigkeit, speziell die Jugendarbeitslosigkeit, aber auch die Situation von Um- bzw. Rücksiedlern oder die der vietnamesischen „boat people“. Zug um Zug wurde deutlich, dass die sozialen Probleme nicht mehr auf die Phasen von Kindheit und Jugend beschränkt, sondern phasenübergreifend sind. Folglich wuchsen, wie zuvor gesagt, in Lebenswelt und sozialpädagogischer, sozialarbeiterischer Praxis die Hilfs- und Erziehungsangebote zu komplementären Settings zusammen.
Heute sind es die Lebenslagen von Migranten, Asylbewerbern, Flüchtlingen, von HIV-Infizierten, Suchtabhängigen, von Arbeitslosen, von Menschen mit psychischen, körperlichen oder geistigen Behinderungen, aber auch die Szenen von Gewalt und Rassismus, die eine Gemengelage alter und neuer Probleme von Sozialpädagogik und Sozialarbeit darstellen. Vor allem aber der Zusammenbruch der ehemaligen DDR und ihre Einschmelzung in die Bonner bzw. Berliner Bundesrepublik haben für die „Einzuschmelzenden“ ein Vakuum an gesellschaftlichen Werten und wirtschaftlicher Sicherheit sowie die Erschütterung individueller Lebenslinien hervorgerufen. Die Aufarbeitung dieser Krisen und ihrer Folgeerscheinungen ist auch zurzeit noch immer eine heftige Herausforderung.
Wie gehabt bleibt der sozialpädagogische Aufgabenbereich dabei mehr als jeder andere pädagogische Arbeitssektor in dauernder Veränderung. Die Begründung hierfür geht schon aus den klassischen Bestimmungsversuchen hervor: Während die anderen „Pädagogiken“, wie Schulpädagogik, Heil- und Sonderpädagogik je bestimmten Adressatenkreisen zugewandt und in spezifischen Institutionen verankert sind, hat Sozialpädagogik es vor allem mit defizitären Erscheinungen aus allen diesen Erziehungsfeldern zu tun. Aus den wechselhaften Notlagen ihrer Praxis fällt ihr das Erstellen einer fundierten Theorie verständlicherweise schwerer als ihren Schwesterdisziplinen.
Exemplarisch präzisierte Mollenhauer diese besondere Ausgangslage der Sozialpädagogik im Vergleich zur Schulpädagogik; und zwar stellte er fest, „dass hier
1 nicht eine gesellschaftlich objektive Leistungsanforderung, sondern ein Konflikt den Anlass aller Maßnahmen darstellt,
2 nicht ein kanonisierbares Wissen, sondern die subjektive Erfahrungs- und Schicksalslage eines einzelnen den Gegenstand der Erziehungstätigkeit bilden und
3 das Erziehungsgeschehen nicht die Struktur der kollektiven Lehre hat, sondern aus der Struktur der Beratung sich entwickelnd, jede beliebige Form annehmen kann, ja gerade durch die Vielfalt und den methodisch eingesetzten Kombinationsreichtum ausgezeichnet ist“ (MOLLENHAUER 1966, S. 40).
Sozialarbeit: Von christlicher Nächstenliebe, von Arbeits- und Zuchthäusern und von der amerikanischen Transfusion im 20. Jahrhundert
Indem auf diese Weise die Besonderheit der Sozialpädagogik gegenüber der „Normal“pädagogik Gestalt gewinnt, gilt es, sie mit der „Zwillingsschwester“ sozialer Nothilfe, der Sozialarbeit, abzugleichen.
Historisch lässt sich eine Unterscheidung der Ursprünge und Vorläufe von Sozialpädagogik und Sozialarbeit relativ leicht treffen. Die Sozialpädagogik sucht seit den Anfängen ihrer, d. h. der „Sozialpädagogischen Bewegung“, seit 100 Jahren,– bezogen auf ihre Vorläufer (Pestalozzi, Mager, Diesterweg, Natorp und andere) seit 200 Jahren – Antworten auf Erziehungsprobleme und Jugendnöte des deutschsprachigen Raumes zu geben. Bei der Sozialarbeit haben wir es mit einem System sozialer Hilfen und Interventionen zu tun, das sich historisch über 2000 Jahre aus der christlichen Liebestätigkeit als Caritas und Diakonie entwickelt hat. Bereits die Apostelgeschichte (6, 1-7) berichtet über die Einsetzung von „Diakonen“, die die freiwilligen Gaben der frühen Christen gerecht unter ihren armen Mitgliedern verteilen sollten. Seither hält die christliche Theologie daran fest, dass die „Caritas“, das von christlicher Liebe motivierte Güterteilen mit den Bedürftigen, und synonym dazu die „Diakonie“– neben den Merkmalen Liturgie und Glaubenslehre – gleichrangiges Merkmal des lebendigen Glaubens ist (vgl. BUCHKREMER/ EMMERICH 1993, S. 35).
Die christliche Philosophie des Mittelalters hatte durch Thomas von Aquin (1225 – 1274) hierzu ein gesellschaftlich ständisches Weltbild nachgeliefert, dem gemäß der Arme gleichberechtigt mit Mächtigen und Reichen in der Gnade Gottes steht – und dass das ihm zugewandte Almosen gewissermaßen für die Schenkenden den Zugang in die ewige Seligkeit erschließt.
Mit diesem Gedankengut hat sich eine Grundannahme der Prosozialität in der Weltanschauung des christlichen Abendlandes festgesetzt. Nach ihr hat nicht nur der Angehörige aus Familie, Sippe, Nachbarschaft, Gefolgschaft einen Anspruch auf Hilfe, sondern jedermann; und jeder, der hilft, rückt selbst in den Rang des Nächsten und in die Brüderlichkeit zum Weltenrichter auf (s. das Gleichnis des Samariters, LUKAS 10, 30f.).
Der Gedanke der Nächstenhilfe ist durch die Jahrhunderte nur teils befolgt, immer aber als Forderung erhalten geblieben.
Mit dem Ausgang des Mittelalters ist sein Derivat auch in staatliche Gesetzgebungen gelangt, teils unter Verlust seines religiösen, z. T. auch seines prosozialen Charakters. Mit Beginn des 14. Jahrhunderts kommt es zu Auflösungstendenzen der feudalen Gesellschaft. Große Teile der Landbevölkerung verlieren ihre ländliche Existenzsicherung. Eine erste Landflucht lässt in den Städten Arbeits-, Mittel- und Heimatlose zu Bettler- und Landstreicherhorden heranwachsen.
Das Motiv der Nächstenhilfe scheint zu versagen. Die Haufen der Verlorenen werden verfolgt, Herausgegriffene bestraft und diszipliniert, einzelne gehenkt. Schließlich beginnen städtische Organe das Armutsproblem zu verwalten. Seit Mitte des 16. Jahrhunderts entstehen Zucht- und Arbeitshäuser und zugleich berufliche Funktionen, die sich als Vorläufer von sozialarbeiterischen (z. T. auch sozialpädagogischen) Berufsbildern begreifen lassen.
Seit der Mitte des 19. Jahrhunderts gelingt eine Rückbesinnung auf die christlichen Maßstäbe der Armenhilfe, zugleich finden aber auch religionskritische bis -feindliche Analysen der ökonomischen Schieflagen statt. Marx’/ Engels’ Kommunistisches Manifest (1847/ 48), Wicherns Gründung des Zentralausschusses der Inneren Mission, Vorläufer der Diakonie (1848), Breuers/ Kolpings Gesellenverein (1846/ 47), von Kettelers Auftreten auf dem Katholischen Kirchentag und seine weit geachteten sechs Adventspredigten zur sozialen Frage (1848) sowie Magers theoretisches Konzept der Sozialpädagogik (1844), Diesterwegs sozialkritischer und emanzipatorischer Auftrag der Sozialpädagogik (1851) verdanken sich wenigen Jahren eines einzigen Jahrzehnts.
Wir werden in Kap. 3.1 noch einmal auf die historischen Kontexte von Sozialarbeit und Sozialpädagogik eingehen. An dieser Stelle sollte der geschichtliche Vorlauf des im engeren Sinne sozialarbeiterischen Arbeitsfeldes in Deutschland (und Westeuropa) skizziert werden.
Ein modernes Profil bekam die Sozialarbeit schließlich in den USA und von dort ausgehend in Europa.
Anders als bei der „deutschen“ Sozialpädagogik ist die Intention der „amerikanischen“ Sozialarbeit nicht in erster Linie pädagogisch und auf die Jugendphase bezogen, eher phasenübergreifend „sozialisierend“. Trotzdem beinhaltet aber der Transfer des amerikanischen „social work“ durch Alice Salomon (1. 3. 19), mit dem Sozialarbeit in Deutschland erste theoretische Züge annahm, auch edukative Anteile.
Allgemein gilt: Der Adressatenkreis sozialarbeiterischer Bemühungen bestand, anders als bei der Sozialpädagogik, in den Anfängen ihrer Entwicklung nicht vorwiegend aus Kindern und Jugendlichen. Zwar ging es auch der Sozialarbeit um Beeinflussung von Menschen. Ihre methodischen Einsichten waren jedoch eher von der Soziologie her entwickelt als von der Pädagogik. Somit ist es auch nicht verwunderlich, dass, wie TUGGENER 1973 (S. 136f.) feststellte, der Sozialisationsbegriff den Erziehungsbegriff innerhalb der Theorie der Sozialarbeit weitgehend ersetzte.
Ein besonderes Charakteristikum der Sozialarbeit ist ihr emanzipatorisches Interesse. Längst vor der emanzipatorischen Bewegung der Jahre nach 1968 hat sie schon immer ihren Klienten Hilfe zur Selbsthilfe zu geben versucht. Teilweise stammte diese Intention aus der Tatsache, dass Sozialarbeit in ihren Anfängen eine typische Frauenbewegung war. Das emanzipatorische Selbstinteresse der amerikanischen Pionierfrauen fand hier einen ins Altruistische gewendeten Ausdruck. Mary Richmond (1. 3. 16) und Jane Addams (1. 3. 14) sind die hervorragenden Theoretikerinnen und Praktikerinnen dieser Bewegung. In Gestalt und Wirkung von Alice Salomon (1. 3. 19) steht uns die deutsche Version dieser Bewegung vor Augen.
Das emanzipatorisch demokratische Selbstverständnis der US-Gründungszeit und sein sozialoptimistischer Grundtenor schlugen sich, wie wir in Anlehnung an TUGGENER feststellen möchten, in einer positivistischen Methodenkonzeption und -gläubigkeit der Sozialarbeit nieder: Das sozialtechnisch Machbare wurde zum Gegenstand der Methodenreflexion und gestaltete sich in den Einzelmethoden von „case work“, „group work“ und „community work“ (4.3.4) zum lehrbaren Instrumentarium. Dessen Adressaten sind durch Sozialisationsmängel und soziale Dysfunktionalität gekennzeichnete Einzelmenschen, Gruppen oder die politischen und gesellschaftlichen Systeme selbst. Ziel ist die Re- oder Postsozialisation zur sozialen und gesellschaftlichen Funktionalität, wobei ein höchstmögliches Maß an Selbstbestimmung der Individuen und ihrer kulturellen Zugehörigkeiten gewahrt und gewonnen werden soll.
Der Markierungsdiskurs
Bis in die 1980er Jahre hinein war die definitorische Abgrenzung von Sozialpädagogik und Sozialarbeit ein Thema der Experten. Dabei ging es um Neben-, Unter- und Überordnung der beiden Termini Sozialpädagogik und Sozialarbeit. Die weitestgehenden Forderungen gingen dahin, jeweils einen der Begriffe unter dem anderen zu subsumieren oder ganz aufzugeben.
Mit der Absicht eines exemplarischen Aufweisens seien für die verschiedenen Standpunkte einige Vertreter genannt. RÖSSNER stellte von einer Extremposition aus fest: „... dass wir den Begriff ‚Sozialarbeit’ dem Begriff ‚Sozialpädagogik’ vorziehen ... weil er zum einen der internationalen Fachsprache entspricht und weil er zum anderen weiter ist; denn unter ihm sind auch Maßnahmen zu subsumieren, die nicht erzieherisch (im strengen Sinne ...) sind ...“ (RÖSSNER 1973, S. 120ff.). „Wer an die alte Unterscheidung (zu) gewöhnt ist, für den sei hervorgehoben, dass die Theorie der Sozialarbeit zugleich „Sozialpädagogik (als Theorie) ist“ (ebd., S. 123).
Genau umgekehrt plädierte FOOKEN. Nach seiner Auffassung „gehört zu den Aufgaben der Sozialpädagogik ... die Erkenntnis ... dessen, was geschieht, in den Bereichen praktischer Sozialarbeit und Sozialpädagogik“ (FOOKEN 1973, S. 15). Hier wird eindeutig die Sozialpädagogik als Theorie mit der theoretischen Klärung auch sozialarbeiterischer Wirklichkeit betraut.
Trotz des Anspruchs, mit dem in den genannten Beispielen die Dominanz je eines der beiden Termini vorgeschlagen wurde, waren sich die Vertreter dieser Positionen bereits darin einig, es bei Sozialpädagogik und Sozialarbeit mit demselben Praxis- und Theoriebereich zu tun zu haben.
Ihnen zur Seite finden wir jene, die unter Beibehaltung der Begriffe ihnen eine differenzierbare Aufgabe, wenn auch innerhalb gleichsinniger Zielvorstellungen zuschrieben (z. B. MOLLENHAUER 1976, S. 98). Verwandt ist der Standpunkt, der unter Bestätigung noch unterschiedlicher Bereiche schon früh eine wachsende Konvergenz festzustellen glaubte (z. B. PFAFFENBERGER/ FRIEDLÄNDER 1969, S. 59). In etwa diesem Verständnis schlug BÖTTCHER (1975), angelehnt an van Beugen, die Aufhebung der Definitionskonkurrenz vor. Durch Anerkennung einer Arbeitsdisziplin „Agogik“ sollten die als Sozialarbeit und Sozialpädagogik bekannten Disziplinen zusammengefasst werden, gewissermaßen eine Vorläuferidee zur heutigen Bezeichnung „Soziale Arbeit“.
Streng geschieden von den Plädoyers für eine gemeinsame, wenn auch um Nuancen schillernde Identität von Sozialarbeit und Sozialpädagogik finden sich andere, in denen die Grundverschiedenheit der Aufgabenbereiche betont wird: „Fürsorge ist etwas anderes als Erziehung“, stellte MOOR (1969, S. 11) fest. Ebenso eindeutig formulierte FISCHER (1966, S. 30): „Sozialarbeit als ‚Fürsorge’ bzw. ‚soziale Hilfe’ ist zwar eine ‚der unerlässlichen Ermöglichungen von Erziehung, bleibt aber im vor- bzw. außerpädagogischen Raum’.“
Fazit: Die Terminologen für die Gegenstandsbereiche re- und postsozialisierender Interventionen sowie sachvermittelnder Fürsorge befanden sich im Dilemma. Dem Gebrauch der Begriffe Sozialpädagogik und Sozialarbeit fehlte im Verhältnis zueinander das „Ent-Scheidende“ einer Terminologie: die abgrenzende Klarheit. Die Situation hat sich bis heute nicht wesentlich geändert.
Der „Praxis Konsens“: Sozialpädagogik + Sozialarbeit = Soziale Arbeit
Unter der Macht des Faktischen und der professionellen wie allgemein gesellschaftlichen Praxis ist der Diskurs über die Abgrenzung verebbt. ALBERT MÜHLUM hat 2001 mit der 3. Auflage seines Vergleichs „Sozialarbeit und Sozialpädagogik“ die Diskussion noch einmal auf einem neueren Stand rekapituliert. Indem man die beiden Begriffe Sozialpädagogik/ Sozialarbeit pragmatisch mit Schrägstrich zu verbinden pflegte, gab es zwischenzeitlich einen weitreichenden Konsens. Inzwischen hat sich jedoch der ebenfalls auf MÜHLUM zurückgehende Begriff „Soziale Arbeit“ als Ober- und Sammelbegriff für die beiden Disziplinbereiche durchgesetzt. BÖHNISCH, SCHRÖER, THIERSCH fassen unter dem ersten Textabschnitt ihres gemeinsamen Buches „Sozialpädagogisches Denken, Wege zu einer Neubestimmung“ (2005) in einer Fußnote zusammen: „Sozialpädagogik und Sozialarbeit werden im Folgenden – unbeschadet ihrer unterschiedlichen pädagogischen bzw. sozialfürsorgerischen Wurzeln – in ihrer heutigen Funktionsverschränkung zusammen gesehen und auch zusammen gefasst als Soziale Arbeit benannt (vgl. auch die entsprechende Praxis in den aktuellen Handbüchern OTTO/ THIERSCH 2001; SCHRÖER/ STRUCK/ WOLFF 2002; THOLE 2002; KREFT/ MIELENZ 2005).“
Wir schließen uns dieser „Praxis“ an und halten dabei eher metaphorisch als definitorisch fest:
Soziale Arbeit steht in der historischen Nachfolge und Verbindung der zwei ursprünglich nebeneinander fließenden Zuströme von Sozialarbeit und Sozialpädagogik. Während diese auch vormals schon zu bestimmten Zeiten über ihre jeweiligen Ufer traten und sich gegenseitig überschwemmten, sind sie inzwischen ineinander gemündet. Manchmal zeigen Wasseranalysen nach Temperatur, Schwebe- und Lösungsstoffe die ursprüngliche Herkunft der Fließmaterie.
Um aber dennoch mit einer definitorischen Festlegung zu enden, schließen wir uns hier der gemeinsamen Definition der IFSW und IASSW Adelaide 20042 an: „Soziale Arbeit als Beruf fördert den sozialen Wandel und die Lösung von Problemen in zwischenmenschlichen Beziehungen, und sie befähigt die Menschen, in freier Entscheidung ihr Leben besser zu gestalten. Gestützt auf wissenschaftliche Erkenntnisse über menschliches Verhalten und soziale Systeme greift soziale Arbeit dort ein, wo Menschen mit ihrer Umwelt in Interaktion treten. Grundlagen der Sozialen Arbeit sind die Prinzipien der Menschenrechte und der sozialen Gerechtigkeit.“ (http://www.ifsw.org/en/p38000409.html, abgerufen 2. 3. 2009)