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3. Metrik und Musik

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Stellt man in Rechnung, daß antike Dichtung meistens etwas mit Gesang und manchmal sogar auch etwas mit Tanz zu tun hatte29, dann ist es nicht verwunderlich, daß innerhalb der Disziplin „Metrik“ ursprünglich aus dem Bereich der Musik stammende Terminologie zu finden ist30. So spricht man beispielsweise von einem „steigenden“ Rhythmus, wenn in einem Vers oder Kolon lange Silben auf kurze, oder von einem „fallenden“ Rhythmus, wenn kurze Silben auf lange folgen31. Oder man unterscheidet eine Arsis („Hebung“), in welcher der Fuß oder die Stimme sich „hebt“ (ἄρσιॢ, sublevatio), von einer Thesis („Senkung“), in welcher der Fuß oder die Stimme sich „senkt“ (θέσιॢ, positio), und diese beiden Begriffe werden dann auf die Unterscheidung von zwei Teilen eines Versfußes übertragen.

Für Spezialisten:

Bei den Griechen wurden die Begriffe Arsis und Thesis nicht auf die Stimme, sondern auf den Fuß beim Tanz bezogen: Arsis = Hebung des tanzenden Fußes, Thesis = Aufstampfen des tanzenden Fußes32. Dabei wird die Thesis in der Regel mit einem elementum longum eines Versfußes gleichgesetzt und liegt daher manchmal am Ende (z.B. beim Iambus), manchmal am Anfang des Versfußes (z.B. beim Daktylus); bei Aristoxenos jedoch bezeichnet die Thesis unabhängig von Quantitäten immer die zweite Hälfte eines Versfußes33. Erst die lateinischen grammatici sprechen von einem Heben bzw. Senken der Stimme oder des Tons: sublevatio (o.ä.) = Hebung der Stimme, positio = Senken der Stimme34. Außerdem bezeichnen die lateinischen Grammatiker nun einstimmig die erste Hälfte eines Versfußes als Arsis, die zweite Hälfte als Thesis, unabhängig davon, ob ein Versfuß mit einer Länge oder mit einer Kürze beginnt35. Anders wird seit Bentley36 in vielen modernen Metriken mit „Arsis“ ein „starker“ Taktteil bzw. ein longum, und mit „Thesis“ ein „schwacher“ Taktteil bezeichnet37. Es handelt sich dabei aber ursprünglich nicht um Angaben zur Betonung oder Nicht-Betonung beim Versvortrag, sondern um rein formal-metrische Analysekategorien38; in einer Arsis der lateinischen grammatici kann beispielsweise durchaus eine unbetonte Wortsilbe zu stehen kommen39. Von daher ist die Verwendung von Begriffen wie Arsis bzw. Hebung (oder „starker Taktteil“) und Thesis bzw. Senkung (oder „schwacher Taktteil“), die unvermeidlich Assoziationen wie „stärkere/schwächere Betonung“ evozieren, nicht unproblematisch und für eine an den Quantitäten und am Wortakzent orientierten Metrik eher irreführend40. In der vorliegenden Metrik werden sie vermieden und ersetzt durch die „neutraleren“ Kategorien „1. Hälfte“ bzw. „1. Element“ und „2. Hälfte“ bzw. „2. Element“ eines Versfußes41.

Wiederum analog zur Musik gibt es im Vers auch „Pausen“; sie heißen: Zäsur („Zerschneid-Pause“ inmitten eines Metrums) und Dihärese („Trenn-Pause“ zwischen zwei Metren).

Die Rede vom „Takt“ oder von „Taktteilen“ darf allerdings nicht zur Annahme verleiten, die griechische Musik (und Dichtung) habe ein festes Taktsystem mit unterschiedlichen Betonungen auf einzelnen Taktteilen gehabt („Akzentstufentakt“) wie in der abendländischen Orchestermusik (Dreiviertel-, Sechsachteltakt usw.). Es gab keinen festen Takt, sondern gerade der vielfältige „Taktwechsel“ im Rhythmus ist kennzeichnend für die antike Dichtung – und für uns ungewohnt42.

Auch der Begriff vom „Skandieren“ hat ursprünglich mit Musik und Tanz zu tun: scandere als Übersetzung des griechischen Verbums βαίνॉιν bedeutet eigentlich „auftreten, aufstampfen“. Übertragen verwendet wird beim „Skandieren“ der Rhythmus eines Verses analysiert („abgeschritten“), indem man über die einzelnen Silben je nach ihrer Quantität ein Längen- oder ein Kürzenzeichen setzt. Dabei geht es ausschließlich um die Quantität der betreffenden Silbe, nicht um die Quantität des jeweiligen Silbenvokals. Am Anfang von Vergils Aeneis, ārmă vĭrūmquĕ cănō, ist das erste „a“ von arma genauso kurz wie das zweite (ebenso das „u“ von virum), aber durch den Umstand, daß die beiden Vokale sich in geschlossenen Silben befinden, zählen diese Silben als lange Silben und werden dementsprechend jeweils mit einem longum (einem Längenstrich über dem Vokal der betreffenden Silbe) versehen.

Metrik in ihrer analytischen Variante ist zunächst einmal also eine „Meßkunst“ von Längen und Kürzen. Der Fachausdruck „Metrik“ leitet sich vom griechischen ἡ μॉτρικὴ τέχνη bzw. von τὸ μέτρख़ν her („Meßkunst“ bzw. „Maß“). Als meßbare Ordnungsprinzipien kommen u.a. in Frage:

• Silbenlängen und Silbenkürzen

• kurze Silbenkombinationen ähnlicher Struktur (Versfüße)

• mittlere Silbenkombinationen ähnlicher Struktur (Kola)

• längere Silbenkombinationen ähnlicher Struktur (Verse)

• Kombination mehrerer unterschiedlicher Verse zu sich wiederholenden Einheiten (Strophen)

Wichtigster „Meßgegenstand“ sind die Silbenlängen und Silbenkürzen. Deshalb sind die wichtigsten Zeichen für die metrische Analyse:


Die kleinste Zeiteinheit (mora, „More“) ist das elementum breve. Schon in der Antike wurde die Beobachtung festgehalten, daß ein longum ziemlich exakt der Dauer von zwei Kürzen entspricht43. Von daher kann man in der Metrik oft eine Länge durch zwei Kürzen „ersetzen“, und das unter Beibehaltung des insgesamt für einen Vers geltenden „Zeitschemas“44.

Römische Prosodie und Metrik

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