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7. Latein und Deutsch
ОглавлениеWie kommt es zu diesem fundamentalen Unterschied zwischen der quantitierenden Aussprache des Griechischen und Lateinischen und den modernen akzentuierenden Sprachen, die sich doch zu einem großen Teil aus den antiken Sprachen heraus entwickelt haben? Im einzelnen kann dies hier nicht nachgezeichnet werden88; jedenfalls setzt durch die zunehmende Vermischung mit anderssprachlichen Völkern im Griechischen wie im Lateinischen eine komplexe, allmähliche und lang andauernde Entwicklung in der Aussprache ein, die dem Wortakzent im Lauf der Zeit immer größeres Gewicht einräumt und die korrekte Aussprache der Quantitäten zunehmend vernachlässigt, so daß in der Spätantike und im Lauf des Mittelalters aus einer streng quantitierenden Dichtung eine akzentuierende Dichtung wurde. Rhythmisch hervorgehobene Teile des Verses kamen demzufolge immer mehr zur Deckung mit dem Akzent der Wörter. Bei der quantitierenden Dichtung können „gewichtige“ Taktteile wie Längen von der natürlichen Wortbetonung abweichen, ohne daß dies als störend empfunden wird. Bei der akzentuierenden Dichtung wird eine solche Abweichung nur in den seltensten Fällen geduldet. Als Beispiel diene ein nicht zuletzt durch Carl Orffs Vertonung bekanntes Gedicht aus den mittelalterlichen Carmina Burana (Carm. Bur. 17,1-4):
O fortuna,velud luna
statu variabilis,
semper crescis aut decrescis,
vita detestabilis!
O Fortuna, wie Frau Luna
wandelbar, veränderlich,
immer wächst du oder schwindest,
scheußlich ist dein Lebensstil!
Hier gelten ganz andere Gesetze als in der antiken Dichtung: der Wortakzent trifft in aller Regel mit rhythmisch betonten Versteilen zusammen, und die einzelnen Satzglieder weisen im Durchschnitt dieselbe Silbenzahl auf, wie das in der Antike nur bei den äolischen Versmaßen der Fall ist. Außerdem fällt eine rhythmisch betonte nicht mehr zwingend mit einer langen Silbe zusammen (z.B. bei velud und bei statu ist die erste Silbe trotz Kürze betont). Das Bewußtsein für die Quantitäten schwindet, dafür wird der Endreim immer wichtiger.
Mit dieser hier nur kurz angedeuteten Entwicklung hängt das schwindende Bewußtsein von den richtigen Quantitäten zusammen, denn in akzentuierenden Sprachen sind normalerweise unbetonte Silben nicht lang, so daß diese unwillkürlich in der Aussprache „gekürzt“ werden. Ein Beispiel: lăbōrō richtig auszusprechen ist leicht, weil Akzent und Länge deckungsgleich sind, aber bei lăbōrāmŭs wird beim Sprechen oft unwillkürlich die zweite unbetonte, aber lange Silbe gekürzt. Umgekehrt werden ursprünglich kurze offene Silben, wenn sie den Wortakzent haben, automatisch „gelängt“.
Gerade bei zweisilbigen Wörtern mit Betonung auf der ersten, eigentlich kurzen Silbe kann man das Phänomen besonders gut beobachten, daß die Wichtigkeit des Akzentes die korrekte Aussprache der Quantität verdrängt, da für das akzentuierende Sprachgefühl die Quantität nur noch untergeordnete Bedeutung hat. Beispiele für Wörter, die im Deutschen fast immer mit einer – gemessen am lateinischen oder griechischen Ursprungswort „falschen“ – langen Quantität auf der ersten Silbe ausgesprochen werden: Lŏgik, Chăos, Ămor, Vĕnus, Thĕtis, Rŏse, Ŏpus, quăsi, sŭper, Rătio, Krĭse, Băsis. Mit der deutschen Aussprache „Rātiŏ“, „Fīdĕs“ oder „Strōphĕ“ liegt regelrecht eine Umkehrung der Quantitäten („quantitative Metathese“) in Angleichung an die veränderte Betonung vor (statt vorne kurz und hinten lang nun vorne lang und hinten kurz). Korrekt müßte man rătĭō, fĭdēs oder „Strŏphē“ sagen89.
Weiteres Beispiel: Im Deutschen werden Vokale in geschlossenen Silben gewöhnlich kurz gesprochen: rĕn-nen, hăl-ten, fĭn-ster, Ăm-pel. Im Lateinischen können Vokale in geschlossenen Silben durchaus naturlang sein, was aber bei der heutigen Aussprachepraxis meistens unberücksichtigt bleibt (Beispiele: trīstis, dīgnus, frāctus, tāctus, stēlla, lēctor, āctor).
Die Verteilung der Vokallängen und -kürzen gehorcht im klassischen Latein somit anderen Regeln als im Deutschen. Die wichtigsten Unterschiede zusammengefaßt90:
• Kurze Vokale in offenen, betonten Silben werden nicht gelängt (z.B. rŏsa, lŏcus, lĭber).
• Folgt auf einen langen Vokal eine Doppelkonsonanz, wird er in seiner Aussprachedauer nicht gekürzt (z.B. lēctor, stēlla, fōrma, frūctus, rēx).
• Lange Vokale können nicht nur in betonten Silben, sondern in jeder Silbe vorkommen (z.B. Rōmānī, Ablativ amīcitiā).
1 Vgl. Plat. symp. 205c: Dichtung im engeren Sinn ist das, „was mit Musik und Metren zu tun hat“ (τὸ πॉρὶ τὴν μख़υσικὴν καὶ τὰ μέτρα).
2 Vgl. Schmitt, 1953, 29 f; Koller, 1963; Wille, 1967; West, 1992; Deufert, 2004; Hagel, 2000 und 2009; Szlezák, 2010, 61 (mit Verweis auf Ps.-Plut., De musica 1141a) und 68.
3 Wahrscheinlich sowohl im Kontext des Symposions als auch bei öffentlichen Festen, aber das ist unsicher.
4 Oder sie wurden auf eine Weise vorgetragen, die es erlaubte, zwischen Sprechen und Gesang hin- und herzuwechseln; dafür argumentieren Budelmann/Power, 2013. Zu neueren Erkenntnissen über die Aufführungspraxis von iambischen und elegischen Dichtungen s. die Beiträge im 1. Teil („Poetry in Performance“) des Sammelbandes von Swift/Carey, 2016.
5 Darin steckt griechisch τὸ μέλख़ॢ, vgl. deutsch „Melodie“. Die „melische Dichtung“ setzt sich nach Platon (rep. 3,398d) zusammen aus den drei Komponenten λόγख़ॢ, ἁρμख़νία, ῥυθμόॢ (Sprache, Tonart, Rhythmus). Zur Frage, wie es im Lauf der Geschichte von der Bezeichnung „Melik“ zur Prägung des Begriffs „Lyrik“ kam, vgl. den Beitrag von Görgemanns, 1990.
6 Zur gesellschaftlichen Verortung („Sitz im Leben“) der verschiedenen Arten von Dichtung in Griechenland vgl. Kurke, 2000, 46 und 50.
7 Vgl. Kannicht, 1997, 353: „In den Chorliedern der Lyrik und des Dramas ist bisher keine Wiederholung derselben Struktur aufgetaucht, d.h. jedes Chorlied ist metrisch (und war musikalisch) eine neue Schöpfung.“
8 S. Kannicht, 1997, 353. Als Beispiel für ein antikes Zeugnis zu den bei Homer mit seiner Dichtung verbundenen „Melodien“ s. Athen. 14,632d.
9 S. Wille, 1967, 220f. Als einen textlichen Beleg s. Hor. sat. 1,10,18 f (Horaz tadelt einen Gesangsvirtuosen): simius iste ‖ nil praeter Calvum et doctus cantare Catullum.
10 Stellvertretend seien hier Syndikus, 2001, Bd. 2, 244-249 und Holzberg, 2009, 42-48, genannt.
11 Vgl. Wille, 1954, 71-83; Wille, 1967, 234-253; ihm pflichtet Stroh, 1981, 80, Anm. 35, bei. West, 2002, 265, hält eine Vertonung der Oden nicht für ausgeschlossen und erwägt bei seiner Exegese des berühmten Dictums carm. 3,30,13 f (princeps Aeolium carmen ad Italos ‖ deduxisse modos) sogar, ob Horaz als Komponist „may well have set his poems to his own melodies“. Noch dezidierter in diese Richtung geht Lyons, 2007 und 2010. Einschränkend geht Zinn, 1997, 30, zumindest von der Möglichkeit aus, daß einige horazische Gedichte vertont gewesen sein können. Was elegische Dichtung angeht, so wurde sie in Rom wohl zumindest auch zu Musikbegleitung gesungen (vgl. Wille, 1967, 282 ff).
12 S. die Inschrift CIL 6,32323 (Dessau, Inscr. Lat. Sel. Nr. 5050).
13 Plin. epist. 4,19,4: versus quidem meos cantat etiam formatque cithara non artifice aliquo docente. Unsicherer ist das Zeugnis in der Sueton-Donat-Vita (26) von Vergil, nach der die Bucolica aufgrund ihres Erfolgs häufig von Sängern (per cantores) auf der Bühne vorgetragen worden sein sollen.
14 Plin. epist. 7,4,8 f, hendecasyllaborum volumen … legitur, describitur, cantatur etiam et a Graecis quoque, quos Latine huius libelli amor docuit, nunc cithara, nunc lyra personatur.
15 Gell. 19,9,9 f; 19,9,10: voce admodum quam suavi versus cecinit Valerii Aeditui, veteris poetae, item Porcii Licini et Q. Catuli …
16 Vgl. Wille, 1967, 212.
17 Lyra und Kithara haben eine lange Vorgeschichte, man denke etwa an die berühmte „Leier“ aus den Königsgräbern von Ur in Mesopotamien aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. mit ihrem goldverzierten Stierkopf und Einlegearbeiten aus Muschelschale und Lapislazuli. Zu den Instrumenten im einzelnen s. ausführlich West, 1992, 48-128.
18 Gewöhnlich spielt man mit zwei Auloi gleichzeitig, die dann V-förmig vom Mund weg auseinander gehalten werden.
19 Vgl. dazu im einzelnen Wille, 1967; West, 1992, 13-38.
20 S. ausführlicher West, 1992, 218-253.
21 S. dazu mit Beispielen Zaminer, DNP 8, 2000, 527-533; West, 1992, 254-273.
22 S. dazu die Sammlung von Pöhlmann/West, 2001; Katalog und Transkriptionen bei West, 1992, 277-326; Abbildung bspw. der „Seikilos-Stele“ (1. Jhdt. n. Chr.) in Zaminer, 1989, 198.
23 Zur Problematik des Begriffs und zu antiken Rhythmustheorien s. die Arbeiten von Vandvik, 1937, und Neumaier, 1989, außerdem den Überblick bei Allen, 1973, 96-102. Als antike Annäherung an den Begriff „Rhythmus“ vgl. Aug. De musica 5,1.
24 Vgl. Maas, 1923, 1: „Metrik als Kunst nennen wir die Regelung des natürlichen Sprachrhythmus im literarischen Kunstwerk; wir würden also besser Rhythmik sagen.“
25 So die Bedenken bei Musäus, 2018, 321.
26 Daß das auch anders geht, zeigt bspw. der Aufsatz von Radke, 2018.
27 Die früheste bekannte Version dieses Liedes erschien 1913 unter dem Titel „Farewell Song“ in einem Liederbuch des in Kentucky geborenen Musikers Richard Burnett.
28 Erscheinungsjahr 2000, Regie Ethan und Joel Coen.
29 Das zeigen u.a. bereits die Begriffe wie z.B. „Enhoplier“ („Waffentanz-Rhythmus“) oder die alternative Bezeichnung des Trochäus als χख़ρॉῖख़ॢ („Tanzvers“; s. dazu unter Kapitel V,1 „Versfüße“).
30 S. zum Thema auch den Aufsatz „Metrik und Musik“ von Musäus, 2018.
31 Vgl. Quint. 9,4,92: acres quae ex brevibus ad longas insurgunt, leviores quae a longis in breves descendunt. Vgl. Sicking, 1993, 46, mit weiteren Kategorien; Boldrini, 1999, 71.
32 Diese Thesis der griechischen Musikwissenschaftler hatte aber nichts mit einer Hebung der Stimme zu tun, s. Stroh, 1990, 94-96.
33 S. Stroh, 1990, 97f.
34 S. Stroh, 1990, 99f. Vgl. auch Christ, 1879, 52-54; Drexler, 1967, 10 f; Boldrini, 1999, 23 f; Zeleny, 2008, 213-220.
35 Zur Erstpositionierung der Arsis bei den lateinischen Metrikern s. Stroh, 1990, 102 f; Zeleny, 2008, 214.
36 S. Stroh, 1990, 114-116.
37 Vgl. bspw. Boldrini, 1999: dort bezeichnet „Arsis“ positionsunabhängig den von ihm so genannten „starken Taktteil“ (bspw. 23 f und 71).
38 S. Stroh, 1990, 103-107.
39 Näheres dazu unter dem Kapitel I,5 „Wortakzent und Versrhythmus“.
40 In diese Richtung geht auch Deufert, 2012, 78, Anm. 7.
41 Diese Aufteilung in zwei Hälften ist bei den kürzeren und geläufigeren Versfüßen unproblematisch, problematisch hingegen bei längeren Versfüßen wie etwa dem Kretikus , der aus 5 Moren besteht (s. zu diesem Begriff unten) und bei dem die Zuordnung der mittleren Kürze schwankt; s. dazu Stroh, 1990, 104f.
42 Vgl. zur Taktproblematik v.a. Musäus, 2018, 319-321; außerdem Snell, 1982, 38, und die Arbeit von Zeleny, 2008, die im Hexameter einen sich an den natürlichen Wortakzenten orientierenden Wechsel von Zweier- und Dreiertakten herauspräpariert (vergleichbar mit den „Zwiefachen“ in der Volksmusik).
43 Vgl. Quint. 9,4,47; Aug. De musica 2,3.
44 Vgl. Boldrini, 1999, 19. Davon abweichend lassen sich bereits in der antiken Theorie auch Aussagen über Längen finden, welche die Zeitdauer von drei, vier oder sogar fünf Kürzen umfassen (vgl. dazu ausführlicher Christ, 1879, 90-99); selbst hinsichtlich des Daktylus wurde der Auffassung, nach der ein longum genau zwei brevia entspricht, auch widersprochen (vgl. dazu Snell, 1982, 38; Musäus, 2018, 316-318).
45 Ein Beispiel ist das eben verwendete Wort „Tónlage“: Das „o“ sprechen wir auf einem höheren Ton als die beiden folgenden Silben, außerdem erhält es einen Akzent.
46 Vgl. Maas, 1923, 21. Zur Komplexität des Sprachrhythmus und zu einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Axiom eines quantitierenden Rhythmus in den alten Sprachen s. ausführlich Vandvik, 1937, 216-234; zur Theorie einer im Lateinischen stärkeren Akzentbetonung als im Griechischen s. Raven, 1965, 31.
47 Vgl. Stroh, 2007a, 319-321.
48 Vgl. Maas, 1923, 1: „Schwerlich stehen wir einem Zweig der antiken Kultur so fremd gegenüber wie der quantitierenden Metrik.“ Dazu auch Stroh, 2007a, 320: „Nichts ist so entscheidend wichtig für eine korrekte lateinische Aussprache wie die Beachtung dieser Tatsache.“
49 Vgl. Erasmus von Rotterdam, De recta Latini Graecique sermonis pronuntiatione dialogus 939 (Kramer, 1978, 120), zum Akzent, der hinsichtlich der Silbenquantität in die Irre führen kann: frequenter accentus ducit in errorem, dum facit videri longam, quae brevis est, et contra.
50 Einmal kurzes ĕ wie das kurze „e“ im deutschen Wort „fest“, einmal gedehntes ē wie im deutschen „stehst“. Weitere Beispiele für solche Homogramme ließen sich anführen wie etwa pālŭs („Pfahl“) und pălūs („Sumpf“), pīlă („Pfeiler“) und pĭlă („Ball“), ŏs („Knochen“) und ōs („Mund“), lĭbĕr („Buch“) und lībĕr („frei“) etc. Merkverse und Regeln zu den Quantitäten und buchstabengleichen, von den Quantitäten her aber ungleichen Wörtern findet man u.a. bei Ross, 1818 (u. ö.), 163-166.
51 Der letzte Vers mit einer siebenfachen (!) m-Alliteration. Der lateinische Text stammt aus Fiedler, 1858, 40-42. Zur Überlieferung des letzten Verses vgl. Walther, 1964, Bd. II/2, Nr. 14301 und Bd. II-8, 1983, Nr. 38062 c1.
52 Kurzes –o am Ende in Analogie zum Iambenkürzungsgesetz und entsprechend der allgemeinen Tendenz in der späteren Entwicklung der lateinischen Sprache, lange Silben am Wortende zu verkürzen (s. Kapitel III,2,b; zur Konvergenz dieser beiden Phänomene vgl. Boldrini, 1999, 46).
53 Statt „Apfelbaum“ (vom Kontext her wahrscheinlicher) könnte man hier in Vers 3 auch „Mast“ übersetzen; alle Probleme und Vieldeutigkeiten des Textes werden durch eine metrische Analyse allein freilich nicht beseitigt.
54 So trifft bereits die Erklärung von Spangenberg (1621, 309 f) das Richtige: „Mala mali malo mala contulit omnia mundo. Da das erste wort bedeut und heist ein Wange/oder Backen: das andere heist deß boesen Menschen: das dritte den Apffel: das vierdte bedeut Suende/Boßheit oder Unglueck. Und will auff Teutsch so viel sagen: Die Wangen oder Backen zart/Deß Adams/der da Boßhafft ward/Die haben durch deß Apffels Biß/All Suend und Unfall bracht gewiß/Dem gantzen Weltkreyß/mercket diß: Und ist eben die Meinung deß H<eiligen> Apostels Pauli Rom. 5 v. 12. Da er spricht/durch einen Menschen ist Suende kommen in die Welt.“
55 Vgl. Wander, 1867, 26 f s. v. „Adam“. Vgl. auch den Hexameter Adam primus homo dampnavit secula pomo in TPMA, Bd. 1, 1995, 26. Zu deutschen Übersetzungen des Hexameters mala mali malo etc. vgl. Weis, 1941, 27; Lautenbach, 2002, 433 f (mit dem Pentameter-Zusatz causa mali tanti femina sola fuit).
56 Der Spruch findet sich auch in leicht abgewandelter Form (mala mali malo mala contulit omnia mundo) als Inschrift am Sturz des Portals zur Sakristei in der evangelischen Kirche von Altdorf bei Böblingen.
57 Man vgl. dazu Ciceros Äußerung (orat. 189), quod versus saepe in oratione per imprudentiam dicimus – „daß wir in Prosa oft ganz unabsichtlich Verse produzieren“.
58 Das Beispiel des Italienischen in diesem Zusammenhang auch bei Stroh, 2007a, 320f.
59 Vgl. Schmitt, 1953, 39f.
60 Vgl. Sturtevant, 1919; Crusius/Rubenbauer, 1958, 54 f; Allen, 1973, 337-340.
61 Im Hinblick auf einzelne Versfüße im Hexameter hat Knight, 1939, 12 f, für die Übereinstimmung von Wortakzent und longum die Bezeichnung „homodyn“ geprägt, für die Nicht-Übereinstimmung „heterodyn“.
62 Soll bei Verg. Aen. 4,486 vielleicht die „einschläfernde“ Koinzidenz von Wortbetonung und Längen im Versmaß den Inhalt – es geht um Mohn als Schlafmittel – unterstreichen? Weitere Beispiele für solche versus partipedes bei Zeleny, 2008, 18.
63 Vgl. dazu die Untersuchung von Fraenkel, 1928; kritisch dazu Soubiran, 1988, 319-336. Zur Rolle des Wortakzents und seinem Verhältnis zu einem angenommenen „Iktus“ in der lyrischen Dichtung von Horaz s. Zinn, 1940.
64 Zur schon spätantiken Verwechslung des „musikalischen“ mit dem „vokalischen“ Iktus s. die luzide und kurze Zusammenfassung bei Korzeniowski, 1998, 37f. Ursprünglich bezeichnet der „Iktus“ rein mechanisch die Abtrennung zwischen einzelnen Versfüßen bzw. Metren (vergleichbar dem Taktstrich in der modernen Musik), fällt also zwischen die Silben und hat nichts mit einer Silbenbetonung zu tun. Zur Unterscheidung von Iktus und Arsis s. Stroh, 1990, 99-107.
65 So meinen beispielsweise Crusius/Rubenbauer, 1958, 30, im quantitierenden lateinischen Vers sei ein „Widerspruch zwischen Wort- und Versakzent im allgemeinen nicht als störend angesehen“ worden, mit der durchaus ernstzunehmenden Begründung, daß im Lateinischen (im Gegensatz zum Deutschen) auch sonst der Wortakzent nicht an die Stammsilbe gebunden ist, sondern sich ändern kann (z.B. lábor, labóris). Vgl. auch Fraenkel, 1928, 5-8. Zum „Iktus-Streit“ s. auch die zusammenfassenden Darstellungen bei Stroh, 1990, 88-93; Zeleny, 2008, 23-32, mit Literaturhinweisen.
66 S. Wilamowitz, 1921, 5. Schon vor ihm schreibt Karl Lachmann in einem Brief vom 8.3.1829 an die Gebrüder Grimm, „daß es auch in lateinischen Versen eigentlich Barbarei ist zu lesen Italiám fató profugús Lavínaque venit” (s. Leitzmann, 1927, 527).
67 S. Boldrini, 1999, 22.
68 S. Stroh, 1981, 64 und 2007a, 323.
69 Vgl. auch Stroh, 1997, in Zinn, 1940, 131 mit weiteren Literaturhinweisen; Vandvik, 1937, 7.
70 S. Stroh, 1981, 75 und 78, Anm. 29; zur Geschichte des Iktus vgl. v.a. Stroh, 1979; auch Allen, 1973, 341-359, und die kurze Zusammenfassung bei Hengelbrock, 2009, 24-26.
71 S. Stroh, 2007b, 40. Vgl. auch Schmitt, 1953, 34f.
72 S. Leonhardt, DNP 8, 2000, 124.
73 Vgl. dezidiert C. Fry, 2009, Rezension zu Zeleny, 2008, in: Bryn Mawr Classical Review 2009.08.37: „C’est pourquoi la valeur sémantique et sociologique de l’accent exclut absolument la présence vocalement réalisée de l’ictus“, und Zeleny, 2008, 61 und insgesamt zur Frage 60-82.
74 Zitat von Schmitt, 1953, 31; vgl. etwa Cic. orat. 189; Cic. de orat. 3,175.
75 Mit fortschreitender Beherrschung der metrischen Technik nimmt in der lateinischen Dichtung ein akzentwidriger Versbau ab, vgl. Vandvik, 1937, 30 und 124; zur Beiziehung der Vortragspraxis Vandvik, 1937, 34-43.
76 Zum lateinischen Wortakzent s. ausführlicher die Einleitung zu Kapitel II,2.
77 Vgl. Crusius/Rubenbauer, 1958, 30, mit dem Verweis auf Beethovens Vertonung des Verses „Hímmlisché, dein Heíligtum“ aus Schillers Ode „An die Freude“ im Schlußsatz der 9. Symphonie. Zur Freiheit der Musik gegenüber grammatischen Ausspracheregeln s. Aug. De musica 2,1. Vandvik, 1937, 144 f, weist zudem darauf hin, daß beim Vortrag auch durch die im Vers vorfindlichen Pausen akzentwidrige Iktierungen gewissermaßen „kompensiert“ werden können.
78 Vgl. Drexler, 1967, 15: „Im deutschen Vers sind Iktierungen, die mit dem Sprachakzent im Widerspruch stehen, Akzentverletzungen, im lateinischen Vers Akzentverschiebungen, und an diese war die Sprache gewöhnt.“
79 Natürlich kennt das Deutsche auch bedeutungstragende Quantitätsunterschiede, aber darum geht es hier nicht.
80 Vgl. Frisch, 2018, 16, zum Lateinunterricht: „Die konsequente Beachtung des Wortakzents und der Quantitäten bereits ab der ersten Stunde macht auch die Verwendung des Iktus als ‘Krücke’ zum Erlernen der antiken Versmaße völlig überflüssig.“
81 Anfang des „Liedes von der Glocke“ (ein trochäischer, im zweiten Vers katalektischer Quaternar).
82 Vgl. auch Quint. 9,4,112-116, besonders 115: ante enim carmen ortum est quam observatio carminis.
83 Cic. orat. 189; vgl. auch Cic. de orat. 3,175; Quint. 9,4,72. S. auch Stroh, 2009, 379f.
84 Mit „Senaren“ sind iambische Senare gemeint; mit „Hipponakteen“ meint Cicero ebenfalls einen iambischen Rhythmus, nämlich die Íamboi des Iambendichters Hipponax aus Ephesos, der hauptsächlich in choliambischen Trimetern gedichtet hat (diese „Hipponakteen“ haben also nichts mit dem äolischen Versmaß des „Hipponakteus“ zu tun).
85 Wie zur Illustration hat Cicero dieses Kolon weitgehend „iambisch“ gestaltet (mit Synalöphe zwischen partem und ex): enim iambis nostra constat or- (iambis ist dreisilbig).
86 Natürlich nur, wenn man die richtig quantitierende Aussprache befolgt; wer sich darum bemüht, wird also nicht nur für das Verselesen lernen, sondern der „wird dann auch die Kunstprosa der Römer mit anderen Ohren hören“ (Stroh, 2007a, 324). Die Einsicht, daß bei quantitierenden Sprachen bereits in Prosa Rhythmen bzw. Versfüße zu hören waren und damit zu beachten sind, versucht schon Erasmus von Rotterdam wieder ins Gedächtnis zu rufen, s. De recta Latini Graecique sermonis pronuntiatione dialogus 941 (Kramer, 1978, 124): est enim et in oratione soluta pedum ratio. Zur Berücksichtigung des Prosarhythmus s. auch Dunsch, 2018.
87 Vgl. auch Cic. orat. 194. Die Regel, in Prosa poetische Metren in größerem Umfang möglichst zu vermeiden, geht bereits auf die aristotelische Rhetorik zurück; s. dazu Stroh, 2009, 183.
88 S. dazu knapp Halporn/Ostwald, 1983, 50-53; ausführlich Norberg, 1958; Leonhardt, 1989, v.a. 24-71; speziell für die Entwicklung über das Vulgärlatein zu den romanischen Sprachen ausführlich (mit Graphiken, Tabellen, Quellenangaben und Autorenzeugnissen zu den regional unterschiedlichen Veränderungen in der Aussprache) Tagliavini, 1973, 183-207.
89 Analog zum griechischen στρख़ϕή. Im Französischen strophe bzw. catastrophe ist das kurze „o“ bewahrt geblieben.
90 Vgl. dazu auch das „Kleine lateinische Phoneticum für Deutsche“ bei Stroh, 2007a, 316-321.