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Nora fühlte sich seltsam fremd in ihrem Kostüm. In den dazu passenden neuen Pumps konnte sie nicht so schnell gehen wie in den sportlichen Mokassins, die sie sonst zu ihren Hosen trug. Ihr war nicht bewusst, wie gut sie aussah. Ihr glänzendes goldbraunes Haar war locker aufgesteckt und betonte ihren zarten Hals. Mit unterdrückter Aufregung ging sie auf ihre Anwältin zu, die eine Aktenmappe abstellte und sie mit ausgestreckter Hand begrüßte. Über ihrem anderen Arm hing die schwarze Robe, die sie gleich überziehen würde.

»Guten Tag, Frau Bergmann. Alles klar für den großen Tag?« Nora erwiderte ihren Gruß und nickte. »Ja, schon, Frau Dr. Emmier. Aber es ist doch irgendwie ein merkwürdiges Gefühl.«

Die Anwältin bemühte sich, Anteil zu nehmen. »Das glaube ich Ihnen.«

Nora bezweifelte, dass sie dieses Gefühl auch nur annähernd nachempfinden konnte. Schließlich waren Ehescheidungen ihr Job und somit Alltag für sie. Als sie Schritte auf dem Gang vernahm, wandte sie sich um. Max kam mit seinem Anwalt heran. Nora schluckte, als ihr Mann sie kurz anlächelte. Er sah gut aus in seinem dunkelblauen Anzug. Das schneeweiße Oberhemd bot einen interessanten Kontrast zu seinem dunklen Teint. Stahlblaue, wache Augen musterten sie, bevor er ihr freundlich zunickte und sie begrüßte, indem er ihr die Hand reichte, sich vorbeugte und sie flüchtig auf die Wange küsste. Auch die Anwälte wechselten ein paar Worte. Alles schien Routine zu sein. In Noras Kopf flatterten jedoch viele Gedanken durcheinander.

Auch im Gerichtssaal hatte sie Mühe, sich auf die Verhandlung zu konzentrieren. Dennoch beantwortete sie automatisch alle Fragen zum Sorgerecht. Wenig später studierte die Familien-richterin nochmals die Unterlagen und bat dann die anwesenden Parteien sich zu erheben.

Nie würde Nora die geschäftsmäßigen Worte vergessen, mit denen ihre Ehe offiziell endete. Und nie würde sie das Schuldgefühl aus ihrem Gedächtnis streichen können, das sie dabei hatte. Sie konnte kaum noch zuhören. Zu sehr empfand sie die Endgültigkeit, die in den Worten der Richterin lag.

Max hatte Wort gehalten. Alle abgesprochenen Punkte der Sorgerechtsvereinbarung wurden eingehalten. Auch die Unterhaltszahlungen, die die Anwälte zuvor ausgehandelt hatten, waren glatt über den Tisch gegangen. Innerhalb von fünfzehn Minuten war alles vorbei. Die Rechtsanwälte verabschiedeten sich, und Nora und Max standen ein wenig unschlüssig wieder auf dem Gang.

Sie lächelte ihn unsicher an. »Ja, Max … Das war’s dann wohl.« Sie musste schlucken. »Es tut mir Leid, dass es so gekommen ist.«

Er nickte. »Ja, mir auch, Nora. Lass uns versuchen fair miteinander zu bleiben, ja? Schon wegen der Kinder.«

Sie strich sich eine Haarsträhne aus dem Gesicht. Dann legte sie eine Hand auf seinen Unterarm. »Das wünsche ich mir auch. Und Max? Du warst bereits sehr fair.«

Max sah sie ernst und doch noch so vertraut an. »Trinken wir noch einen Kaffee zusammen, was meinst du?«

Nora nickte. Auch sie hatte das Gefühl, dass ihre Ehe nicht hier so kalt und nüchtern enden sollte. Außerdem fürchtete sie sich davor, nach Hause zurückzukehren und in die Gesichter ihrer Kinder zu schauen, in denen immer noch die Hoffnung stehen würde, dass es mit der Scheidung womöglich nicht geklappt hatte.

Schweigend ging sie neben Max die Stufen hinab und blinzelte in das Sonnenlicht. Sie hatte Mühe, sich an die plötzliche Helligkeit zu gewöhnen, und folgte ihm über die Straße. In dem kleinen Eiscafé schob er ihr einen Stuhl zurecht und bestellte zwei Cappuccino, dann setzte er sich ebenfalls. Es war ungewohnt für Nora, ihn so still zu erleben. Normalerweise hatte Max immer etwas zu erzählen.

Nachdem er zwei Tütchen Zucker in seinem Cappuccino versenkt hatte, rührte er nachdenklich um und sah schließlich auf. »Was wirst du jetzt tun?«

Sie hatte einen Schluck getrunken und stellte die Tasse wieder ab. »Ich weiß noch nicht... Mein Leben ist so auf die Kinder ausgerichtet, dass sich zunächst wohl nicht viel verändern wird.« Sie zögerte einen Moment und dachte nach. Sie hatten sich vorgenommen, fair miteinander zu sein. Dennoch fiel es ihr schwer, es auszusprechen. Ihre Intuition riet ihr aber dazu, bevor es die Kinder tun würden. »Max?«

»Hm?«

Sie spielte mit ihrem Löffel. »Du sollst es von mir erfahren … Sophies Vater ist hier in Hamburg zu Besuch. Er wollte seine Tochter kennen lernen.«

Max wandte den Kopf ab und sah aus dem Fenster. Nora war unbehaglich zumute. »Ich möchte nur, dass du es weißt.«

Einige Zeit schwiegen sie beide. Max hatte Mühe, Ruhe zu bewahren. Er rief sich ins Gedächtnis, dass er keinerlei Rechte mehr hatte, sich in Noras Leben einzumischen, es sei denn, es ging um seine Kinder. Und doch traf ihn ihre Mitteilung unerwartet heftig. Immerhin sah er in diesem Mann den Grund dafür, dass ihre Ehe auseinander gegangen war.

»Und? Bist du glücklich, ihn hier zu haben?« So sehr er sich auch bemüht hatte, seine Stimme neutral klingen zu lassen, es war ihm nicht gelungen.

Nora hatte die Schärfe durchaus wahrgenommen. »Max, bitte. Auch wenn es dir und mir noch schwer fällt, es zu glauben – wir sind gerade geschieden worden. Auch ich werde mich daran gewöhnen müssen, vielleicht bald eine andere Frau an deiner Seite zu sehen.« Sie verstummte kurz und ließ das Zuckertütchen durch ihre Finger gleiten. »Ich weiß noch nicht, wie es weitergeht. Es ist alles so kompliziert wegen der Kinder. Sicher ist nur, dass Tom nicht hier bleiben wird. Sein Leben findet in Australien statt. Aber er hatte ein Recht darauf, seine kleine Tochter kennen zu lernen.«

Wieder einmal war sie in der Rolle der Schuldigen. Wieder einmal fühlte sie sich in die Ecke gedrängt und musste sich rechtfertigen. Verdammt noch mal, wenn das der Preis war, den sie für die Liebe zu Tom bezahlen musste, war sie sich nicht sicher, ob sie durchhalten konnte.

Max streckte die Beine von sich und lehnte sich zurück. Er registrierte Noras Unsicherheit, und er ärgerte sich darüber, dass er sich immer noch so zu ihr hingezogen fühlte. Die Tatsache, dass sie nun nicht mehr verheiratet waren, musste auch von ihm erst verdaut werden. Er riss sich zusammen.

»Schon gut. Das ist ja wohl deine Sache.« Er musterte sie kühl. »Solange Niklas und Marie nicht darunter leiden.«

Nora fühlte sich gedemütigt. Wer war sie eigentlich, dass alle in ihrem Leben herumwühlen durften und ihre Meinung abgeben konnten? Trotzdem gelang es ihr, nichts zu sagen. Max war fair gewesen, und sie wollte ihn nicht verärgern. Die Angst um das Sorgerecht schwelte in ihr. Sie griff nach ihrer Tasse, trank und hatte Mühe, den Cappuccino hinunterzubekommen. Sie war so angespannt, dass sie am liebsten aufgestanden und fortgelaufen wäre. Ihr war nicht bewusst, dass sich wieder einmal die ganze Bandbreite ihrer Gefühle auf ihrem Gesicht abzeichnete. Ihre geschwungenen Lippen zuckten ein wenig, als sie die Tasse abstellte. Max berührte leicht ihre Hand und sah ihr in die Augen. Er spürte plötzlich, dass er grob gewesen war.

»Ich muss mich erst daran gewöhnen, Nora. An das mit uns, weißt du? Irgendwie kann ich es immer noch nicht glauben.«

Wind der Traumzeit

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