Читать книгу Die Macht der Zeit - Christin Busch - Страница 11
5. Kapitel
ОглавлениеFrank war hochzufrieden, dass in seinem Team alle an einem Strang gezogen und sich dabei auch noch gut verstanden hatten. Die vorbereiteten Daten, Tabellen und Unterlagen waren gut recherchiert gewesen, sodass die Präsentation bei Johnston & Co. sehr vielversprechend verlaufen war. Er war sich ziemlich sicher, dass sie den Zuschlag für den Auftrag bekommen würden. Damit wäre seine Abteilung vorerst aus dem Schneider. Gut gelaunt hatte er sein Team zum Abendessen bei einem hervorragenden Italiener eingeladen. Spontan waren alle mitgekommen, obwohl sich Susan und Mary wegen anderer Verabredungen früher wieder verabschiedeten. Auch Stan blieb nur eine gute Stunde, bis nämlich ein unfreundlicher Anruf seiner Exfrau ihn daran erinnerte, dass er versprochen hatte, am heutigen Abend auf die gemeinsame Tochter aufzupassen. Frank blieb schließlich allein mit Misako übrig. Nachdem Stan gegangen war, herrschte kurze Zeit ein unbehagliches Schweigen zwischen ihnen, doch dann begann Misako sehr unterhaltsam von ihrer großen Familie zu erzählen und den vielen – manchmal lustigen, manchmal traurigen – Stolpersteinen, die ihre Eltern zu bewältigen gehabt hatten, als sie sich damals mit ihrem Restaurant für asiatische Spezialitäten in Vancouver niedergelassen hatten. Ihre Schilderungen brachten Frank oft zum Lachen, und je mehr er sich amüsierte, desto mehr blühte sie auf. An manchen besonders spannenden Stellen ihrer Erzählungen legte sie - wie unbeabsichtigt - ihre Hand auf seine, während ihre Augen lebendig funkelten. Frank hatte sich schon lange nicht mehr so gut unterhalten, deshalb war ihm das alte Ehepaar aus seiner Nachbarschaft erst aufgefallen, als es mit einem grüßenden Kopfnicken an seinem Tisch vorüberging. Etwas an ihrem leicht unterkühlten Gruß irritierte ihn kurz, aber dann wandte er seine Aufmerksamkeit wieder Misako zu.
Nach dem Essen und einem letzten Espresso verließen sie das Restaurant und blieben einen Moment unschlüssig nebeneinander stehen. Der Abend war angenehm und klar, sodass sich viele Sterne am Himmel zeigten. Frank blickte nach oben und atmete tief durch, ehe er Misako ansah. „Tja, das war ein schöner Abend, Misako. Kann ich Sie vielleicht noch nach Hause fahren?“
Sie schüttelte den Kopf, und ihr glänzendes schwarzes Haar fiel ihr ins Gesicht. Sie strich es beiseite und lächelte ihn an. „Nein, nein. Das ist nicht nötig. Ich wohne nur ein paar Straßen weiter.“
Ihr mädchenhaft-verlegenes Auftreten weckte seinen Beschützerinstinkt. Er fühlte sich merkwürdig leicht und unbelastet in ihrer Nähe. „Kommt nicht infrage, dass Sie jetzt allein durch die Straßen laufen.“ Er öffnete per Fernbedienung die Türen seines Wagens und machte eine einladende Armbewegung. „Bitte steigen Sie ein, ich fahre Sie nach Hause.“
Im Auto schwiegen sie. Ab und zu gab sie einen Hinweis, wann er wo abbiegen musste, und schließlich hielt er vor einem modernen Apartmenthaus. „Okay, da wären wir.“
Sie griff nach ihrer Handtasche und sah ihn sekundenlang an. „Kann ich Ihnen noch einen Kaffee anbieten?“
Frank war irritiert. Es war zu lange her, dass er ein solches Angebot erhalten hatte. Er war sich bei Misakos unschuldigem Auftreten nicht einmal sicher, ob es überhaupt in irgendeiner Weise doppeldeutig gemeint war, und so überspielte er seine Unsicherheit mit einem betont fröhlichen Grinsen. „Danke, aber es ist schon spät. Ich denke auch, ich muss nach Hause. Gute Nacht, Misako.“
Schnell beugte sie sich vor und hauchte ihm einen Kuss auf die Wange. „Gute Nacht, und danke fürs Nachhausebringen.“
Noch Minuten später hatte er den Duft ihres Parfums in der Nase und dachte über den Abend nach.