Читать книгу Die Passion Jesu im Kirchenlied - Christina Falkenroth - Страница 31
Die Verbreitung der Lieder Luthers
ОглавлениеDiese drei Eigenschaften des evangelischen Singens prägen die erste Zeit der Ausbreitung der Reformation und die mit ihr einhergehende Verbreitung der entstehenden Lieder.
Im selben Jahr, in dem sein erstes Lied entstand, äußert Luther in seiner Formula missae das Anliegen, daß es mehr Lieder, besonders Psalmlieder, mit deutschem Text geben solle. Gleichzeitig wurde er selber tätig: Es entstehen im Zeitraum Ende 1523 / Anfang 1524 24 Lieder aus seiner Feder.
Die zuerst entstandenen Lieder werden schnell bekannt. Sie sind zunächst als Einzelblattdrucke verbreitet worden, waren dann Bestandteil des ersten Gesangbuches, dem Achtliederbuch, das 1524 in Nürnberg erschien. Darin sind „Nun freut euch“ (1523), in dem Luther balladenhaft die Heilsgeschichte erzählt, und drei seiner Psalmlieder, z.B. „Aus tiefer Not“ (1524) und „Ach Gott vom Himmel sieh darein“ (1524), in denen er Psalmen bereimt und mit einer evangelischen Deutung versieht.
Über die Art und Weise der Verbreitung gibt es Berichte. Sie zeugen großenteils davon, daß das Singen evangelischer Lieder eine Weise des Widerstandes war; so sang 1524 in Magdeburg ein alter Tuchmacher „Aus tiefer Not“ und „Es wolle Gott uns gnädig sein“ und verkaufte Einzelblattdrucke dieser Lieder. Er wurde verhaftet.1 Im selben Jahr wurde aber Magdeburg als erste norddeutsche Stadt evangelisch.
Die Lieder nahmen ihren Weg über die Hansestädte aufgrund ihres regen Kontaktes untereinander. Frühe Tradenten waren zumeist Tuchmacher bzw. Wollenweber, die intensiveren Austausch als andere Handwerker pflegten. In der Hierarchie der Zünfte weit unten angesiedelt, waren sie anfällig für Konflikte und Unruhen innerhalb des städtischen Sozialgefüges. Man kann, bezogen auf die Städte, von einer „Reformation von unten“2 sprechen, die von den unteren Schichten ausging, die durch die reformatorische Predigt auf dem Wege des Liedes erreicht worden waren.
Daß es nicht nur um Widerstand ging, sondern er auch inhaltlich bestimmt war, zeigt ein Beispiel aus Braunschweig (1527): Ein altgläubiger Prediger, der vom Rat der Stadt gegen die evangelische Bewegung eingesetzt worden war, wurde bei seiner ersten Predigt über die Verdienstlichkeit guter Werke durch den Gesang „Ach Gott vom Himmel“ überstimmt. Auch hier fügte sich derRat der Stadt schließlich dem Mehrheitswunsch der Bürger.
Die reformatorische Bewegung hat sich mithilfe ihrer Lieder ausgebreitet. Dabei hat zu Beginn ihre Bedeutung als Oppositionsmittel eine große Rolle gespielt.