Читать книгу Die Passion Jesu im Kirchenlied - Christina Falkenroth - Страница 36
Lieder zur Passion
ОглавлениеAuch im Blick auf die Passion findet man zu Beginn des 16. Jh. eine Tradition vor.
Es gab lateinische Passionshymnen, einer davon ist „Rex christe factor omnium“, der seit der Reformation vielfach ins deutsche übertragen wurde. Eine Übertragung findet sich als „Christe, du Schöpfer aller Welt“ im EG.
Es gab lateinische Lieder aus dem 12.u 13. Jh, die unter dem Einfluß der Passions- und Brautmystik des Bernhard von Clairvaux entstanden sind und den leidenden Menschen Jesus besingen, seine Marter und Wunden. Im Mitleiden lag der Zugang zu seinem Leiden. Das Passionssalve des Arnulf von Löwen hat später die evangelische Lieddichtung stark beeinflußt.
Eine Gelegenheit für den Gesang der Gemeinde bot das mehrfache Kyrieleison am Ende der Karfreitagsliturgie. Seit dem 12. Jh. ist der Brauch einer Prozession am Karfreitag belegt.
An diesem Ort hat sich seit dem 11. Jh. der „Leis“, eine vierzeilige Strophe mit einem angehängten Kyrieleis, entwickelt. Leisen konnten responsorische Antworten auf Gesänge der Messe, z.B. der Sequenzen sein.
Ein bestimmter Leis ist im Laufe der Entwicklung mit dem Passionshymnus „Rex christe factor omnium“ verbunden worden, der seit dem 10. Jh. belegt ist. Seit dem 12./13. Jh. ist „Rex christe“ als Prozessionshymnus nachweisbar1. Auf ihn wird seit dem 14. Jh2 nach jeder Strophe mit dem Leis „Gelobet seist du christe“ geantwortet, in lateinischer Fassung „Laus tibi christe“. Dieser Gesang wurde zur Vorlage für ein größeres Gedicht zur Passion: Das „Eya der großen Liebe“ mit seiner Judasstrophe, „Ach du armer Judas, was hast du getan?“, die sich verselbständigt hat und bald als Bezeichnung der Weise diente, wenn man später darauf einen neuen Text machte. Diese Tradition ist in der evangelischen Liedstrophe „Ehre sei dir Christe“, bzw. dem Lied „O wir armen Sünder“ aufgegangen.
In den Passionsspielen gab es Gelegenheit zu einer der Hauptformen des Passionsliedes vor der Reformation in lateinischer und deutscher Sprache: die Lamentatio. Hier wird die Wehklage Jesu, die Klage Mariae oder der Maria Magdalena oder auch des Betrachters in Gesang gebracht.
Gebetbücher tradierten die liedhafte Kreuzesbetrachtung mystischen Einschlages und fördern einen neuen Typus des Passionsliedes: Ein Gebetslied in Form der kurzen Bitte oder des Dankens.3
Nach der Darstellung von O. Brodde gab es im frühen reformatorischen Singen, anknüpfend an vorreformatorische Vorläufer, den Typus der Liedpassion, in der ohne betrachtende Elemente die Passionsgeschichte erzählt wird4; Sebald Heyden knüpft mit „O Mensch, bewein dein Sünde groß“ daran an.
Die evangelische Passionslieddichtung konnte also auf eine breite Tradition von Dichtungen zur Passion und Liedern aus der Volksfrömmigkeit zurückgreifen. Diese Tradition hat auf diese Weise eine Vielfalt an Formen für das Singen zur Passion ermöglicht.